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Kohl kritisiert Grenzöffnung für Flüchtlinge

16. April 2016

Die Lösung der Flüchtlingskrise liege nicht in Europa, so der Altkanzler, sondern in den Krisenregionen, aus denen die Menschen kommen. Helmut Kohl tadelt auch die Kanzlerin - ohne sie namentlich zu nennen.

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Helmut Kohl (Archivbild: dpa)
"Rückfall in altes, nationalstaatliches Denken": Helmut Kohl (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) warnt vor einer Überforderung Europas bei der Aufnahme von Flüchtlingen. "Die Lösung liegt in den betroffenen Regionen. Sie liegt nicht in Europa. Europa kann nicht zur neuen Heimat für Millionen Menschen weltweit in Not werden", schreibt Kohl im Vorwort zur ungarischen Ausgabe seines Buches "Aus Sorge um Europa". Der Berliner "Tagesspiegel" zitiert daraus vorab.

Am kommenden Dienstag trifft Kohl mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zusammen, der einer der schärfsten Kritiker von Angela Merkels Flüchtlingspolitik gilt. Kohl tadelt in seinem Appell ebenfalls deren Flüchtlingspolitik, ohne die Kanzlerin beim Namen zu nennen. Er stellt ihre Entscheidung vom September 2015 in Frage, Flüchtlinge aus Ungarn zur Weiterreise nach Deutschland einzuladen. "Einsame Entscheidungen, so begründet sie dem Einzelnen erscheinen mögen, und nationale Alleingänge müssen der Vergangenheit angehören", schreibt Kohl. Merkel hatte den Entschluss damals nicht mit den EU-Partnern abgesprochen.

Kanzler Kohl mit Angela Merkel, seinerzeit Bundesumweltministerin (Archivbild: Reuters)
Damals noch in einer Regierung: Kanzler Kohl mit Angela Merkel, seinerzeit Bundesumweltministerin (Archivbild)Bild: Reuters

"Mit meinem Freund Orban einig"

In Europa-Fragen "weiß ich mich mit meinem Freund Viktor Orban einig", betont Kohl. Der frühere Kanzler sieht die Europäische Union wegen der Flüchtlingskrise in einer "Zerreißprobe". Durch den "Rückfall in altes, nationalstaatliches Denken" würden "unser Frieden und unsere Freiheit existenziell gefährdet".

Kohl mahnt, neben den humanitären Aspekten müsse Europa zugleich "wohlbegründete kulturelle und sicherheitspolitische Interessen berücksichtigen". Viele Flüchtlinge kämen "aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Sie folgen zu einem wesentlichen Teil auch einem anderen als dem jüdisch-christlichen Glauben, der zu den Grundlagen unserer Werte- und Gesellschaftsordnung gehört". Das "führt nachvollziehbar zu Diskussionen unter den politisch Verantwortlichen sowie zu Verunsicherungen bei den Menschen: Es geht um unsere Existenz."

Den Regierungen der EU-Staaten rät Kohl zu "mehr Miteinander statt Gegeneinander, mehr Vertrauen als Misstrauen, mehr Verlässlichkeit und Berechenbarkeit im Umgang miteinander". Er strebe "eine europäische Einheit in Vielfalt" an. Die nationalen Verschiedenheiten verdienten Respekt und seien eine Bereicherung, schreibt Kohl.

Europapolitiker Brok: Orban kann von Kohl lernen

Der CDU Europapolitiker Elmar Brok sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mit Blick auf das geplante Treffen des Altkanzlers mit dem ungarischen Regierungschef: "Orban kann von Helmut Kohl noch eine Menge lernen. Vor allem, dass Europa nur gedeiht, wenn die Staaten Lasten fair teilen und wenn sie die Gemeinschaftsinstitutionen stärken." Der Europaparlamentarier Brok gilt als der am engsten mit Orban verbundene aktive CDU-Politiker. Beide kennen sich seit Jahrzehnten und pflegen einen engen, auch kritischen Austausch.

jj/qu (dpa, afp, kna, FAS)