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Schuldenkrise erreicht Realwirtschaft

13. Oktober 2011

Deutschland schrammt nur knapp an einer Rezession vorbei - weil Europa nicht wahrhaben will, dass Griechenland insolvent ist. Das geht aus dem Herbstgutachten führender Wirtschaftsforscher hervor.

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Kräne in Dresden auf einer Großbaustelle (Foto: AP)
Düstere Aussichten - zweistellige Wachstumsraten sind passéBild: AP

Noch vor einem halben Jahr hatten die Wirtschaftsforscher den Deutschen vorhergesagt, dass ihr Bruttoinlandsprodukt nächstes Jahr um 2,0 Prozent wachsen werde. Doch mittlerweile ist klar: In Griechenland wird der Schuldenschnitt kommen - möglicherweise steht sogar eine neue Bankenkrise ins Haus.

In der Tendenz alle einig

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler von der FDP (Foto: dapd)
Trotz Flaute - für Wirtschaftsminister Philipp Rösler ist Deutschland Europas "Wachstumslokomotive"Bild: dapd

Die aktualisierte Prognose sieht dementsprechend düster aus: Anstatt um zwei Prozent, soll Deutschlands Wirtschaft 2012 nur noch um 0,8 Prozent wachsen.

Die vier Institute sind damit besonders pessimistisch: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das nicht am Herbstgutachten beteiligt ist, hatte vor kurzem seine Prognose für das Wirtschaftswachstum 2012 von 1,8 auf ein Prozent korrigiert und der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte Ende September seine Prognose für das Wachstum 2012 in Deutschland um 0,7 Punkte auf 1,3 Prozent gesenkt.

Aus 17 Zungen eine Sprache

Slowakische Flagge hinter dem Sternenkranz der Europaflagge (Foto: DW)
Geld statt gemeinsamer Mechanismen - die Slowakei hat dagegen revoltiertBild: DW

Scharfe Kritik üben die Forschungsinstitute an der oft widersprüchlichen Politik der europäischen Regierungen in der Schuldenkrise. Zu lange hätten sie die drohende Staatspleite Griechenlands verhindern wollen - und dafür die Salamitaktik angewandt. Nach und nach hätten sie den Rettungsschirm ausgeweitet, die Probleme jedoch damit nicht gelöst.

Stattdessen sollten die Euro-Staaten endlich gemeinsame Verfahren entwickeln: Staaten sollten in geordneter Form insolvent gehen können - genauso wie Banken. Da eine Pleite etwa Griechenlands heftige Auswirkungen auf Banken haben könnte, die viele Staatsanleihen halten, sei zudem ein europäisches Verfahren notwendig, mit dem Banken frisches Kapital erhalten könnten.

Ein Abschwung, aber kein Absturz

Logo der französische-belgischen Dexia-Bank (Foto: AP)
Der Fall Dexia - soll auf keinen Fall wie bei Lehman Brothers ausgehenBild: AP

Auch wenn es in Griechenland zum Schuldenschnitt kommen sollte, rechnen die Institute nicht damit, dass die Bankenkrise eskaliert. "Eine Ansteckung in dem Ausmaß wie nach der Insolvenz von Lehman Brothers ist wenig wahrscheinlich." Deshalb sei eine schwere Rezession wie 2009 nicht zu erwarten.

Das Wirtschaftswachstum könne 2012 sogar wieder an Tempo zulegen, vorausgesetzt die Schulden- und Bankenkrise verliere schrittweise an Schärfe, so die Experten.

Mehr Lohn und Brot

Das deutsche Jobwunder soll trotz allem aber weitergehen. Die Löhne dürften im kommenden Jahr kräftiger steigen und die Beschäftigung einen Rekordwert erreichen. Nach knapp drei Millionen Arbeitslosen in diesem Jahr, könnte die Zahl nächstes Jahr auf 2,8 Millionen sinken. Die Tariflöhne dürften um 2,5 Prozent zulegen und damit stärker als in diesem Jahr mit 1,8 Prozent.

Gleichzeitig werde die Inflation nachlassen. Die Inflationsrate wird demnach von 2,3 auf 1,8 Prozent fallen und damit wieder unter der Zwei-Prozent-Marke liegen. Bei dieser Marke spricht die EZB von stabilen Preisen.

Grundlage für Budget-Planung

Eine Hand greift in einen mit Geldnoten gefüllten Geldbeutel (Foto: dpa)
Noch soll der Arbeitnehmer unter der Konjunkturflaute nicht leiden - im Gegenteil.Bild: picture-alliance/dpa

Beteiligt am Herbstgutachten sind das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung aus Essen (RWI), das Institut für Wirtschaftsforschung aus München (ifo), das Institut für Weltwirtschaft aus Kiel (ifW) und das Institut für Wirtschaftsforschung aus Halle (IWH). Die vier kooperieren wiederum mit vier weiteren Instituten.

Die Gemeinschaftsdiagnose dient der Bundesregierung als Grundlage für ihre eigene Konjunkturprognose am 20. Oktober. Diese Zahlen wiederum sind die Basis für die Steuerschätzung im November und damit für die Haushaltsplanung der Bundesregierung.

Autorin: Jutta Wasserrab (afpd, dpa, dapd, rtrd)
Redaktion: Andreas Becker