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Hilfe für Gewaltopfer per Telefon

Anja Fähnle6. April 2014

Sieben Tage die Woche, auch mitten in der Nacht, können weibliche Gewaltopfer in Deutschland kostenlos beim Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" anrufen. Sie werden in 15 Sprachen telefonisch beraten.

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Symbolbild Hand am Telefonhörer, Foto von Marc Müller dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Ihr Partner hat ihr fest in den Bauch getreten. Danach verabschiedete er sich in den Urlaub, nahm ihr die Bankkarte und den Wohnungsschlüssel ab und gab ihr zehn Euro für Tierfutter. Am Telefon habe die Frau immer noch über starke Bauchschmerzen geklagt, berichtet eine der 60 Beraterinnen des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen". Sie habe der betroffenen Frau zunächst die Möglichkeiten aufgezeigt, wie sie medizinische Hilfe aufsuchen könne. Dann habe sie den Kontakt zu einer Fachberatungsstelle hergestellt.

Für 12000 Frauen sei das Angebot des Hilfetelefons ein Rettungsanker gewesen, sagte Manuela Schwesig (SPD), die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. "Alle Frauen in Deutschland bekommen durch unser Hilfetelefon ganz einfach Hilfe, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind", es sei vertraulich, kostenfrei und rund um die Uhr besetzt. Was sie erzählen wollen, ob sie ihren Namen preisgeben, ihr Alter, ihren Wohnsitz, all das bestimmen sie selbst.

Ihre Anliegen reichen von körperlicher Gewalt, Zwangsverheiratung, Stalking bis zu Menschenhandel. Eine Studie der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) hat erst kürzlich ernüchternde Zahlen veröffentlicht: Demnach hat gut jede dritte Frau in Deutschland schon einmal Gewalt erlebt.

Anbieter sind mittendrin im Geschehen

In den letzten Jahren lässt sich ein sprunghafter Anstieg von telefonischer Beratung für alle möglichen Lebensfragen feststellen. Die Telefonnummern hängen auf Aufklebern in Bussen, U-Bahnen, sind auf Plakaten abgebildet und im Netz zu finden. Sich über das Internet zu informieren sei für viele der einfachste Weg, erklärt die Frankfurter Psychologin Heike Kaiser-Kehl. "Es ist von Anonymität geprägt und manche Situationen sind auch schambehaftet, so dass man das Gefühl hat, dort eher das zu finden, was man braucht“, sagt sie im Gespräch mit der DW.

Diplom-Psychologin Heike Kaiser-Kehl, Foto von privat
Heike Kaiser-Kehl: "Genau hinhören, zwischen den Zeilen lesen"Bild: Privat

Vor sechs Jahren hat sie eine kommerzielle psychologische Beratung ins Leben gerufen. Sie weiß, dass eine Gewaltsituation Auswirkungen auf die gesamte Lebenssituation hat und dass viele dadurch nicht mehr so aktiv sein können und dankbar seien für den direkten Zugang, egal ob per E-mail oder Telefon. "Und alle, die Hilfe anbieten, sind schon mittendrin im Geschehen", stellt sie fest. Denn sofort werde über das Problem gesprochen.

Ein Mann hebt seine Faust, während im Sessel eine junge Frau sitzt, die ihr Gesicht mit der Hand verdeckt, Foto von Inga Kjer dpa
35 Prozent der Frauen in Deutschland haben laut einer Studie schon einmal Gewalt erlebtBild: picture-alliance/dpa

Das Hilfetelefon - für manche ein erster Schritt aus der Gewalt

"Immer ein offenes Ohr haben, für betroffene Frauen da sein und helfen", so beschreibt eine Beraterin des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen" ihre Arbeit. In vier Schichten sorgen sie und ihre Kolleginnen dafür, dass das Telefon und die Online-Beratung rund um die Uhr besetzt sind. Neben einem Studium im Bereich Pädagogik, Soziale Arbeit oder Psychologie haben alle Beraterinnen Berufserfahrung im Themenbereich Gewalt gegen Frauen.

Nach der telefonischen oder Online-Beratung einer hilfesuchenden Frau können die Wege, die sie gehe, meistens nicht nachverfolgt werden. "Das ist nicht unser Ziel, nicht unser Auftrag, wir leisten Erstberatung", so Petra Söchting. Aus einigen Rückmeldungen der Nutzerinnen wisse sie aber, dass diese das Angebot als hilfreich, unterstützend und entlastend erlebt haben und "dass das Hilfetelefon ein erster Schritt aus der Gewalt sein kann", stellt die Leiterin des Hilfetelefons fest.

Die Beratung per Telefon oder Internet sei natürlich anders als der direkte Kontakt in einer Praxis oder Beratungsstelle, sagt Heike Kaiser-Kehl. Ohne Mimik und Gestik des Gegenübers zu beobachten, sei die Arbeit schwieriger. "Das führt dazu, dass man die Sinne in anderen Kanälen schärft" und sehr genau hinhöre oder bei E-Mails auch zwischen den Zeilen lese.

Telefonische Hilfe in 15 Sprachen

Zur Zielgruppe des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen" zählen auch Frauen mit Migrationshintergrund. Diese seien häufig von Gewalt betroffen, erzählt Petra Söchting. Um ihnen helfen zu können, sind die Beraterinnen mehrsprachig und haben zum Teil selbst einen Migrationshintergrund. "Wir können innerhalb von 60 Sekunden eine Dolmetscherin zu einem Gespräch hinzuziehen, in 15 Sprachen", sagt Petra Söchting: darunter Arabisch, Rumänisch und Vietnamesisch. Die meisten übersetzten Gespräche waren bisher in türkischer und polnischer Sprache, gefolgt von Arabisch, Englisch und Russisch. Außerdem ist die Internetseite auch in den Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch und Türkisch verfügbar.

Logo des Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, Foto vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben.
Vertraulich, kostenlos, rund um die Uhr erreichbar - in 15 Sprachen

Seit dem 6. März 2013 ist die Telefonnummer 08000116016 freigeschaltet. "In der ersten halben Stunde, nachdem wir diese Nummer bekanntgegeben hatten, hat das Hilfetelefon in Köln schon mehr als zwanzigmal geklingelt", sagt die Leiterin des Hilfetelefons. Seitdem werden die Beraterinnen mehr als 150 Mal am Tag angerufen.