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Hoyerswerda hilft und hofft

Hans Pfeifer31. Januar 2014

Ein rassistischer Mob brachte die Stadt Hoyerswerda 1991 in die Schlagzeilen. Damals kapitulierte dort die Polizei vor der rechten Gewalt. Heute gelobt die Stadt Besserung und eröffnet eine Flüchtlingsunterkunft.

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Asylbewerberheim in Hoyerswerda - Foto: Arno Burgi (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Hoyerswerda ist jetzt bereit. In den Gängen der umgebauten Schule riecht alles frisch nach Farbe. Die alten Klassenzimmer wurden umgebaut. In den großen, kargen Räumen stehen jetzt Stockbetten. Sauber aufgereiht. Vier Betten pro Zimmer. Alle sind ordentlich bezogen: blaues Laken, weiche Kissen und eine dicke Bettdecke. Selbst ein Gitterbettchen für kleine Kinder steht bereit - die warme Winterdecke ist sogar schon aufgeschlagen. Die Betreiber des Flüchtlingsheims haben alles akkurat hergerichtet. Jeder Raum verfügt über verschließbare Schränke. Und einen Tisch, der schon gedeckt ist: eine Bratpfanne, Teller, Messer und Gabeln. Deutsche Gründlichkeit. Alles ist solide in dieser Unterkunft für bis zu 120 Menschen. Einfach und solide.

Nur die Flüchtlinge sind noch nicht da. Das Heim ist am Donnerstag (30.01.2014) trotzdem schon voll. Es ist Tag der offenen Tür. Eingeladen haben der private Betreiber, der Bürgermeister, der Landrat und eine Bürgerinitiative. Hoyerswerda will jetzt helfen und zeigen, dass es jetzt ein Herz hat für Flüchtlinge. Die Einwohner von Hoyerswerda sollen kommen und sich umschauen, wie "ihre" Flüchtlinge demnächst leben werden. Und die Einwohner strömen in Scharen in die neue Unterkunft. Sie begutachten die Auslegware und inspizieren die Duschen: "Finde ich in Ordnung, ja. Es ist kein Luxus, aber es reicht", meint eine Besucherin.

"Tag der offenen Tür" in Hoyerswerda

Das mit dem Luxus ist eine heikle Sache. Denn in Deutschland hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Flüchtlinge hier von Politikern mit Geld überschüttet werden und davon fürstlich leben können. Fürstlich sieht aber anders aus als die umgebaute Schule. Sie ist ein grauer abgewetzter Betonbau. Und sie steht mitten zwischen anderen grauen abgewetzten Betonbauten. Dass die Flüchtlinge aus aller Welt es also auf keinen Fall besser haben werden als die alten Bewohner, beruhigt viele Gemüter. Aber nicht alle.

Aktive Neonazi-Szene

"Es gibt eine Dreiteilung in der Bevölkerung", erklärt Bürgermeister Stefan Skora auf der Pressekonferenz am Tag der offenen Tür: "Ein Teil sagt, wir unterstützen das. Ein Teil will damit überhaupt nichts zu tun haben. Und dann gibt es Bürger, die sind strikt dagegen." Eigentlich dreht sich in der Stadt derzeit alles um die, die strikt dagegen sind und nicht um die Flüchtlinge. Denn unter den Gegnern sind gut organisierte Neonazis. Und Hoyerswerda hat einige davon. Rund 30, so schätzt der Staatsschutz, gehören zur gewaltbereiten Szene. Sie nennen sich "Autonome Nationalisten Hoyerswerda". 30 junge Männer sind zwar nicht wirklich viele. Aber in einer Stadt mit 35.000 Einwohnern und sechs Streifenpolizisten können sie viel Angst verbreiten.

Eröffnung Asylbewerberheim in Hoyerswerda - Foto: Arno Burgi (dpa)
Die Eröffnung des Heims - ein MedienereignisBild: picture-alliance/dpa

"Nein zum Heim", so steht es auf den Aufklebern, mit denen die meist jungen Männer nachts die Laternenmasten pflastern. Pfarrer Jörg Michel macht sie dann wieder ab: "Das sind die Hausmarken der rechten Kräfte, die dort ihren Machtbereich mit anzeigen wollen. Wie so Hundemarken." Seit einigen Monaten entfernen er und seine Mitstreiter vom Bündnis "Hoyerswerda hilft mit Herz" die Hassparolen konsequent. Auch das Ordnungsamt der Stadt ist dazu aufgerufen, rechte Parolen nicht länger zu dulden. Gerade erst hat das Amtsgericht im Ort acht stadtbekannte Neonazis verurteilt: weil sie ein junges Pärchen stundenlang terrorisiert und mit Tod und Vergewaltigung bedroht hatten. Im Jahr 2012 war der Vorfall. Auch das Pärchen hatte rechte Hass-Aufkleber entfernt. Eine Horde Nazis lauerte ihnen dafür im eigenen Haus auf. Die Polizei hatte sie nicht geschützt. Die Beamten rieten ihnen nur, die Stadt besser zu verlassen. Es war alles wieder wie damals, 1991.

Pogrome gegen Vietnamesen und Mosambikaner

1991 hatte der rassistische Mob sich über Tage hochgeschaukelt in Hoyerswerda. Es war kurz nach dem Fall der Mauer. Die Region lag am Boden. Arbeit gab es nicht mehr. Regeln auch nicht. Und die alten Autoritäten, wie Staat und Polizei, hatten nichts mehr zu melden. Die Menschen suchten ein billiges Opfer. Es waren die "Fremden" im Ort. Menschen, eingewandert aus Vietnam oder Mosambik. Sie wurden durch die Stadt gehetzt, mit Steinen und Brandsätzen beworfen. Die Polizei hat ihnen nicht geholfen. Am Ende wurden sie unter Gejohle und Geklatsche der eigenen Nachbarn aus der Stadt evakuiert. Es war ein Triumph für rechte Gewalttäter. Seitdem gibt es praktisch keine Einwanderer mehr in Hoyerswerda. Das soll sich jetzt wieder ändern.

Wird das gutgehen? "Der Landkreis gibt der Stadt eine zweite Chance“, sagt der Ordnungsdezernent im Landratsamt, Geert Runge. Denn es habe sich viel verändert in Hoyerswerda. Heute unterstütze das Bürgerbündnis die Einrichtung. Und die Stadtverwaltung binde die Bewohner in alle Planungen ein. Wie alle Politiker hofft Runge, dass alles problemlos verläuft mit der neuen Unterkunft. Er hofft es. Aber wirklich sicher ist sich in Hoyerswerda niemand, dass die Flüchtlinge geschützt werden können.

Asylbewerber demonstrieren in Hoyerswerda 1991 - Foto: Thomas Lehmann
Rückblick 1991: Asylbewerber können den Hass nicht verstehenBild: picture-alliance/dpa

Am Tag der offenen Tür stehen Polizeistreifen vor dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft. Martialisch aussehende private Wachmänner schützen die Eingangstür. Politiker und Besucher fragen sich, wann Neonazis hier aufmarschieren werden. An diesem Donnerstag bleibt alles ruhig. Aber dass sie kommen werden, davon sind alle überzeugt. Die Betreiber haben vorsorglich hunderttausende Euro in den Schutz vor Brandanschlägen investiert. Rein formal sind damit ab sofort alle Voraussetzungen für den Betrieb der Unterkunft erfüllt. Hoyerswerda heißt jetzt Flüchtlinge aus aller Welt willkommen.