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"Hinreichender politischer Wille zur Lösung des Kosovo-Status fraglich"

25. Oktober 2007

EU-Unterhändler Wolfgang Ischinger sieht den Fortgang der Gespräche über den Kosovo-Status skeptisch. Mit der Deutschen Welle sprach er über Motivation, die Rolle der Troika und eine europäische Perspektive des Kosovo.

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Ischinger mittlerweile skeptischBild: AP

DW: Keine Annäherung, Gespräche festgefahren, Standpunkte unversöhnlich. Man muss nur ganz flüchtig in die Zeitungen schauen, um zu ahnen, wie schwierig diese Kosovo-Gespräche sind. Wie motivieren Sie sich, Herr Ischinger, auf welches Ziel arbeiten Sie hin?

Wolfgang Ischinger: Es ist eigentlich ganz einfach, sich in dieser Kosovo-Frage zu motivieren. Wenn man der Meinung ist, dass es möglich sei, eine Lösung dieses Problems zu finden, dann ist es für einen Berufsdiplomaten eine Frage - wenn Sie so wollen - der professionellen Ehre, sich um diesen Punkt zu bemühen. Ich bin der Meinung, dass es möglich ist, die Kosovo-Frage zu lösen. Die Frage, die ich nicht beantworten kann, ist, ob bei den beiden Parteien, um die es hier geht, die sich einigen müssen, der hinreichende politische Wille vorhanden ist, um diese Einigung zu vollziehen. Meine Rolle ist es, all das zu tun, was nötig sein könnte oder was nötig ist, um eine solche mögliche Einigung zu erleichtern oder herbeizuführen.

Lassen wir mal das Szenario zu, dass die Verhandlungen nach dem 10. Dezember zu keinem Ergebnis geführt haben. Und das Kosovo erklärt sich für unabhängig, die USA erkennen an. Folgen dann alle europäischen Länder, alle EU-Mitglieder den Vereinigten Staaten?

Also, Sie stellen jetzt den EU-Verhandler vor eine ganz schwierige Frage. Denn Sie wollen ihn zwingen, spekulativ darüber nachzudenken, was passiert, wenn er scheitert. Das mache ich eigentlich nur sehr, sehr ungern. Aber in der Tat ist es natürlich schon so, wenn diese Frage des Kosovo einfach zu lösen wäre, dann bräuchten wir nicht diese Troika-Anstrengung. Dann wäre sie schon längst gelöst. Und die Troika ist auch kein Wundermittel. Ich möchte in gar keiner Weise Illusionen Vorschub leisten, als ob es sozusagen bereits gesichert sei, dass wir ein Ergebnis erzielen könnten. Es ist sehr wohl möglich - manche denken, es ist sogar eher wahrscheinlich -, dass wir kein Ergebnis haben. Und dann in der Tat lassen sich einseitige Entwicklungen, so wie Sie sie beschreiben, nicht ausschließen.

Herr Botschafter. Einmal Hand aufs Herz: Wäre ein unabhängiger Kosovo überhaupt lebensfähig? Ein Staat, der in prekärer Nachbarschaft zu Ländern wie Mazedonien und Montenegro leben würde, was entstünde da auf dem Südbalkan?

Also, eines ist sicher richtig: Wenn es nicht für den westlichen Balkan eine europäische Perspektive gäbe - die gibt es aber - dann wäre die Existenz solcher kleinen Staaten - es handelt sich beim Kosovo um ein Gebiet für 2 Millionen Menschen - dann wäre ein solches Gebiet wirklich mit einem großen Fragezeichen zu versehen hinsichtlich seiner unabhängigen wirtschaftlichen, energiepolitischen und sonstigen Lebensfähigkeit. Wir haben aber die europäische Perspektive.

Deswegen ist es von ganz zentraler Bedeutung, dass wir auch in dem gegenwärtigen Troika-Prozess nie aus Augen verlieren, dass wir mit Partnern sprechen - Serben und Kosovaren, die letztlich ihre eigene Zukunft - ich zitiere - ihre eigene Zukunft innerhalb und nicht außerhalb der Europäischen Union sehen. Also unter einem gemeinsamen Dach und mit immer stärker ihre Bedeutung verlierenden Grenzen. Das ist doch eine gute Perspektive!

Ich verstehe Sie richtig, dass Kosovo, noch ein Pflegefall der internationalen Gemeinschaft, eines Tages EU-Mitglied werden könnte?

Wenn wir diese Perspektive den Serben und den Kosovaren nicht geben könnten, dann würden wir ein ganz großes Anreizmittel aus der Hand geben müssen. Das ist doch das, was die intelligenten Menschen - sowohl in Belgrad wie auch in Pristina - antreibt, nämlich die Aussicht, irgendwo dazu zu gehören, wo es nicht mehr um die Frage geht: bist Du Albaner, bist du Muslim, bist du serbischer Orthodoxer, sondern wo es um die Frage geht: gehörst Du zur Europäischen Union? Also die größere Identität in Europa ist etwas, was aus meiner Sicht für diese Region die ganz große Zukunftshoffnung ist. Ich setze also sehr, sehr viel auf diese gemeinsame Zukunftsperspektive Europa.

Das Gespräch führte Christian Trippe
DW-Studio Brüssel, 24.10.2007, Fokus Ost-Südost