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Historische Beschlüsse in Prag

Gerda Meuer in Prag22. November 2002

Bei ihrem Gipfel in Prag beschlossen die Staats- und Regierungschefs die bislang umfangreichste NATO-Erweiterung. Doch der Profit der Osterweiterung ist am politischen Ertrag zu messen. Gerda Meuer kommentiert.

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Zwei Tage war beim Prager NATO-Gipfel über das deutsch-amerikanische Verhältnis spekuliert worden, das seit der Irak-Kritik von Bundeskanzler Schröder heftig gelitten hat. Und zum Schluss gab es ihn dann endlich auch öffentlich für die Kameras: den Handschlag zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush. Aber: eine neue Männerfreundschaft ist in der Stadt an der Moldau dabei kaum entstanden. Zu beobachten war der sachliche und professionelle Umgang von zweien, die völlig unterschiedlicher Meinung sind - und dies wohl auch bleiben werden - und trotzdem wissen, dass sie miteinander auskommen müssen.

Und im Übrigen waren die Spannungen zwischen dem Weißen Haus und Berlin auch nur ein atmosphärisches Randthema dieses unspektakulären Gipfels, der aber dennoch als historisch zu bezeichnen ist. Sieben neue Staaten hat das Militärbündnis eingeladen, der NATO beizutreten - darunter mit dem Baltikum zum ersten Mal auch Gebiete der früheren Sowjetunion. Und das elf Jahre nachdem sich in der Goldenen Stadt Prag der Warschauer Pakt sozusagen selbst aufgelöst hatte.

Dabei ergibt sich die Bedeutung dieser größten NATO-Erweiterung nicht aus ihrem militärischen Profit. Denn die sieben Neuen sind kleine und wirtschaftlich schwache Staaten, in ihrer militärischen Stärke ärmer noch als Polen, Ungarn und Tschechien, die vor drei Jahren als erste Staaten des früheren Ostblocks in die Allianz aufgenommen wurden. Aber den neuen Staaten fehlt auch modernes Gerät, ihnen fehlt die zeitgemäße Ausrüstung heutiger Streitkräfte.

Zwar kann auch keiner der Alt-NATO-Mitglieder mit den militärischen Fähigkeiten der Amerikaner konkurrieren, doch Unterstützung aus Richtung Osten kommt mit der Erweiterung nicht. Auch die Neuen werden etwa die Mängel von NATO in Europa im Lufttransport nicht auffangen können. Mobilität und Flexibilität aber braucht die Allianz, um aus ihrer Sinnkrise herauszukommen und für die neuen Herausforderungen gewappnet zu sein, die da lauten: globaler Kampf gegen den Terrorismus und gegen Massenvernichtungswaffen.

Deshalb ist der Profit der Erweiterung nicht am militärischen Ertrag zu messen, sondern nur am politischen. Aber mit Sicherheit ist die Aufnahme der sieben Nationen immens wichtig für diese selbst. Sie bedeutet nach außen und nach innen: wir gehören zum Westen, wir gehören zum westlichen von den USA geführten Bündnis. Das ist psychologisch nicht zu unterschätzen. Und man konnte diesen Stolz, dazu zu gehören, schon in Polen, Ungarn und Tschechien beobachten, die seit drei Jahren NATO-Partner sind: Sie tun dies voller Enthusiasmus und voller Selbstbewusstsein. Und dieses Gefühl des Eingebundensein der ehemaligen Ostblockstaaten ist der eigentliche Gewinn dieser NATO-Erweiterungsrunde und auch der eigentliche Garant für Frieden in fast ganz Europa.