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Hochhaus aus Holz?

10. November 2010

Auch mit Holz kann man durchaus hoch bauen - das beweisen Berliner Architekten. Sie halten Holzhochhäuser sogar mit bis zu 20 Stockwerken für realisierbar.

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Bauarbeiten an dem siebengeschössigen Wohnhaus gebaut aus Holzkonstruktionen (Foto: Kaden und Klingbeil).
Ganz ohne StahlBild: Kaden und Klingbeil

Routiniert fädelt sich Tom Kaden mit seinem Combi in den Berliner Stadtverkehr ein, biegt von einer Nebenstraße in die nächste ab. Der Architekt kennt das Straßennetz besser als so mancher Berliner Taxifahrer; mehrmals in der Woche ist er unterwegs zu seinen hölzernen Projekten, die über die ganze Stadt verteilt sind. "Wir haben aktuell zwei Baustellen, die gerade laufen. Dann haben wir zwei andere Baustellen, die dieses Jahr noch beginnen und weitere drei Projekte, die im Frühjahr starten", sagt Tom Kaden.

Eine Menge Holz für das Architekturbüro Kaden und Klingbeil mit seinen sieben Mitarbeitern. Die hohe Nachfrage hat das Team einem neuen, alten Baustoff zu verdanken: Holz. An diesem Tag ist Kaden unterwegs zu einer Baustelle im Berliner Stadtteil Pankow. Für eine Baugruppe bestehend aus fünf Familien baut sein Büro hier ein fünfgeschössiges Wohnhaus. Eine kleine Seitenstraße führt zu zwei Baustellen. Die erste ist ein konventioneller Bau - die Konkurrenz, wenn man so will. "Die haben ein halbes Jahr vor uns angefangen und sind jetzt gerade mal im ersten Obergeschoss angekommen."

Mit Holz geht's schneller

Entwurf eines Wohnhauses des Architekturbüros Kaden und Klingbeil (Foto: Kaden und Klingbeil).
Entwurf des WohnhausesBild: Kaden und Klingbeil

Ein paar Meter weiter hebt auf Kadens Baustelle ein Kran eine vorgefertigte Außenwand aus Holz auf das vierte Obergeschoss. Da die einzelnen Komponenten aus süddeutschem Fichtenholz vorgefertigt geliefert werden, müssen sie vereinfacht gesagt auf der Baustelle nur noch zusammengesteckt werden. Die Bauzeit verringert sich dadurch enorm. Für diesen Fünfgeschösser hier sind rund acht Wochen eingeplant.

Was allerdings auf den ersten Blick erstaunt: In dem Rohbau ist überraschender Weise bis auf die Decke kein Holz zu sehen. Architekt Kaden ist eben kein Öko, sondern Pragmatiker. Er verwendet Holz nicht als ästhetischen Wohnschmuck, sondern als Baustoff. Decken, aber auch Außenwände und Stützpfeiler bestehen aus Holz, sind aber teilweise mit nicht brennbaren Gipsfaserplatten umhüllt und daher nicht mehr zu sehen.

Tom Kaden selbst hat sein Architekturbüro auch im Erdgeschoss eines seiner Holzhäuser. Auch hier ist kaum Holz zu sehen, außer eben an der Decke. Dieses Haus im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg ist eine architektonische Pionierleistung, denn es besteht aus sieben Stockwerken. Wäre es nur 50 Zentimeter höher, würde es nach deutschem Baurecht als Hochhaus gelten.

Das Berliner Architekturbüro Kaden und Klingbeil hat in der Esmarchstr. 3 in Berlin Prenzlauer Berg das erste siebengeschössige Wohnhaus bestehend aus Holzkonstruktionen errichtet.
Bauen mit Holz: Einzelteile zusammenstecken, fertig!Bild: Kaden und Klingbeil

Internationales Interesse

Weltweit war es das erste Wohnhaus aus Holzkonstruktionen in dieser Höhe. Und obwohl es schon seit zwei Jahren fertig gestellt ist, wird es immer noch häufig besichtigt. "Wir dachten, dass das nach einem halben Jahr abreißt. Doch immer noch kommen viele Besuchsgruppen, angemeldet, nicht angemeldet, aus In- und Ausland wie Frankreich, China, Holland, und natürlich auch sehr viele Studenten mit ihren Professoren zu uns", sagt Kaden.

Von den Vorteilen, die der Baustoff Holz zu bieten hat, sind fast alle überzeugt: Es ist ein nachwachsender Rohstoff - in Deutschland wachsen weiterhin mehr Bäume nach, als gefällt werden. Das Wohnklima ist viel angenehmer als bei Stahlbetonbauten. Und wie schon erwähnt: die Bauzeit ist um einiges kürzer als bei konventionellen Bauten.

Nicht ganz überzeugt waren hingegen die Behörden. "Dieses Haus dürfte es nach deutschem Baurecht gar nicht geben, denn eigentlich darf man nur fünfgeschössig bauen." Das Wohnhaus von Kaden und Klingbeil hingegen ist siebengeschössig. "Das war viel Schreibkram. Wir haben zwei sogenannte Genehmigungen im Einzelfall erreicht, die nehmen wir immer zu den Folgeprojekten mit."

Das Berliner Architekturbüro Kaden und Klingbeil hat in der Esmarchstr. 3 in Berlin Prenzlauer Berg das erste siebengeschössige Wohnhaus bestehend aus Holzkonstruktionen errichtet.
Der Durchbruch für das Architekturbüro Kaden und Klingbeil: das erste siebengeschössige Wohnhaus aus Holzkonstruktionen, Berlin-Prenzlauer BergBild: Kaden und Klingbeil

Keine Angst vor Holzhaus-Bränden

"Kreatives Interpretieren des Baurechts" nennt Kaden seinen Kampf mit den Behörden. Das geltende Recht kommt mit dem Fortschritt der Holzkonstruktionen nicht mehr mit. Vorurteile wie die schnelle Brennbarkeit von Holz, die für Kaden eher ins Mittelalter gehören, sind dabei schnell ausgeräumt: Das Architekturbüro Kaden und Klingbeil arbeitet eng mit der Feuerwehr zusammen.

Für die ist die Holzbauweise übrigens sogar viel sicherer: Während Stahlkonstruktionen bei einem Brand schmelzen und unvorhersehbar zusammenbrechen können, wissen Feuerwehrmänner ganz genau, wie lange beispielsweise ein Stützpfeiler aus Holz ein Haus zusammenhalten würde. Zudem gelten Holzhäuser bei Erdbeben als viel stabiler.

Portraitfoto von Architekt Tom Kaden (Foto: Kaden und Klingbeil).
Architekt Tom KadenBild: Kaden und Klingbeil

Wird es also bald ein wirkliches Hochhaus aus Holz geben? "Wir jagen keinem Weltrekord hinterher", sagt Kaden. "Aber wir haben mit diesem Projekt hier gemerkt, dass wir noch viel höher bauen können. 20 Stockwerke wären durchaus realisierbar."

So hat das Architekturbüro derzeit auch ein Projekt für eine zehngeschössige Holzkonstruktion in Auftrag - Genaueres darf dazu leider noch nicht verraten werden. Aber eines ist gewiss: Ein Hochhaus aus Holz wäre ein weiterer Meilenstein fürs umweltfreundliche Bauen.

Autorin: Nadine Wojcik

Redaktion: Klaus Gehrke