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Merkels Besuch: Hoffnung und Skepsis in Kiew

Roman Gonscharenko22. August 2014

Am Vortag des ukrainischen Unabhängigkeitstages reist die Bundeskanzlerin nach Kiew. Merkels Besuch wird als eine Solidaritätsgeste wahrgenommen. Im Vorfeld gab es jedoch Kritik, die nicht immer politisch korrekt war.

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Merkel und Poroschenko am 06.06.2014 in der Normandie (Foto: Damien MeyerAFP/Getty Images)
Der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich bereits mehrfach getroffen - unter anderem in der Normandie am 6. Juni 2014.Bild: Damien MeyerAFP/Getty Images

Angela Merkel ist ein seltener Gast in Kiew. In ihrer fast neunjährigen Amtszeit kam die Bundeskanzlerin nur einmal in die ukrainische Hauptstadt - vor sechs Jahren. Es war ein kurzer Besuch am 21. Juli 2008, der nur wenige Stunden dauerte. Der ukrainische Präsident hieß damals Viktor Juschtschenko. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) beschrieb in einer Analyse die gemeinsame Pressekonferenz als eine "kalte Dusche" für den Kiewer Staatschef. Merkel unterstützte zwar seinen prowestlichen Kurs, lehnte aber eine schnelle Annäherung der Ukraine an die NATO und die Europäische Union ab. Juschtschenkos Nachfolger Viktor Janukowitsch besuchte Merkel nicht. Berlin ging auf Distanz zu dessen autoritärer Politik.

Besuch im Krisenland

Nun kommt die Bundeskanzlerin am Samstag (23.08.2014) zum zweiten Mal nach Kiew. Auch diesmal bleibt sie nur wenige Stunden. Doch Merkels Besuch findet unter anderen Umständen statt. Die Ukraine erlebt die schwerste Krise in ihrer jüngsten Geschichte. Russland annektierte die Krim. Und im Osten des Landes wird seit Monaten ein Krieg geführt, dem vermutlich inzwischen Tausende Menschen zum Opfer fielen.

Angela Merkel und der damalige ukrainischem Präsident Viktor Juschtschenko begrüßen sich in Kiew (Foto: AP Photo/Efrem Lukatsky)
Merkel begrüßt Juschtschenko bei ihrem letzten Besuch in Kiew 2008Bild: AP

Die Kontakte zwischen Berlin und Kiew sind heute intensiv wie nie. Der neue ukrainische Präsident Petro Poroschenko reiste bereits zweimal nach Berlin - vor und nach seinem Wahlsieg im Mai. Er traf sich mit Angela Merkel beim D-Day-Jubiläum in der Normandie und auf dem EU-Gipfel in Brüssel. Die Bundeskanzlerin und der Präsident telefonieren alle paar Tage miteinander.

Symbolischer Zeitpunkt

Der Zeitpunkt von Merkels Besuch wird in Kiew als eine starke symbolische Geste wahrgenommen. Die Bundeskanzlerin kommt am Vortag des ukrainischen Unabhängigkeitstages. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin bezeichnete deshalb Merkels Reise als "einmalig". Ähnlich sieht es der Politik-Experte Olexij Haran. "Es ist symbolisch ein wichtiges Datum und unterstreicht, mit wem Deutschland solidarisch ist", sagt der Professor an der Kiewer Mohyla-Akademie der Deutschen Welle.

Ukraines Außenminister Klimkin hält eine Rede (Foto: Reuters)
Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin freut sich über Merkels Besuch - speziell zu diesem ZeitpunktBild: Reuters

Haran verweist auch auf ein anderes Datum. Merkel komme nach Kiew ausgerechnet an dem Tag, an dem vor 75 Jahren in Moskau der sogenannte Hitler-Stalin-Pakt unterzeichnet wurde. Am 23. August 1939 war in einem geheimen Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt die Teilung Osteuropas besiegelt worden. "Es mag Zufall sein, doch der Besuch ist symbolisch", meint Haran. Denn in der Ukraine habe es früher viel Kritik an Berlins Politik gegeben, die angeblich russische Einflusssphären akzeptiere. "Nun sehen wir, dass sich die deutsche Haltung wegen der aggressiven Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin ändert", sagt Haran.

Angst vor Achse Berlin-Moskau

Besonders das jüngste Treffen zwischen Merkel und Putin vor dem Finale der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien im Juli hatte in Kiew Empörung ausgelöst. Viele Ukrainer nahmen an einer Kampagne gegen Merkel in sozialen Netzwerken teil. Es gab Dutzende Fotomontagen mit der Überschrift "Danke, Frau Ribbentrop" - eine Anspielung auf den Nazi-Außenminister Joachim von Ribbentrop, der den Hitler-Stalin-Pakt unterzeichnete. Später sorgte eine Publikation in der britischen Presse für Irritationen in der Ukraine. Deutschland arbeite angeblich mit Russland an einem Plan, der die Beilegung der Kämpfe in der Ostukraine und im Gegenzug die westliche Anerkennung der russischen Krim-Annexion vorsähe. Im Vorfeld des Merkel-Besuchs warnten einige führende ukrainische Medien sogar vor einem "Merkel-Putin-Pakt".

Wladimir Putin und Angela Merkel unterhalten sich im Stadion beim Fußball-WM-Finale in Brasilien (Foto: AFP/Getty Images)
"Merkel-Putin-Pakt"? - Berlin dementiert Berichte darüberBild: AFP/Getty Images

Berlin dementierte solche Vermutungen, doch die Skepsis in Kiew bleibt. Experten wie Olexander Suschko erwarten deshalb von Merkels Besuch "ein klares Signal, dass Berlin und Kiew solidarische Lösungsansätze für den Konflikt im Donbass haben", sagt der wissenschaftliche Leiter des Kiewer Instituts für Euroatlantische Zusammenarbeit im Gespräch mit der Deutschen Welle. Notwendig sei jetzt vor allem eine Abstimmung gemeinsamer Positionen vor dem am Dienstag (26.08.2014) geplanten Spitzentreffen zwischen Russland, der Ukraine und der EU in Minsk. "Es ist unmöglich den Konflikt einzufrieren, ohne die russisch-ukrainische Grenze zu sichern", sagt Suschko. Andernfalls würde immer neuer Nachschub für die Separatisten über die Grenze kommen.

Hoffnung auf Finanzhilfe

Nicht weniger wichtig ist aus Suschkos Sicht konkrete Hilfe aus Deutschland. Kiew brauche besonders finanzielle Unterstützung. "Es könnte zum Beispiel eine Stiftung sein, die ausländische Investitionen in der Ukraine absichert", schlägt der Experte vor. Die Regierung in Kiew hofft auch auf deutsche Hilfe bei der Energieversorgung. Wegen eines Preisstreits liefert Russland derzeit kein Gas in die Ukraine. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass Poroschenko bei Merkel um Beteiligung deutscher Firmen an ukrainischen Gastransitleitungen werben wird. Das Parlament in Kiew hat neulich eine Teilprivatisierung der Pipelines erlaubt. Auf diese Weise könnte eventuell auch der ukrainisch-russische Gasstreit entschärft werden, so die Hoffnung in Kiew.