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Hoffnungsschimmer im Irak?

Andreas Leixnering22. März 2007

Nach sechs Wochen trägt die Sicherheitsoffensive in Iraks Hauptstadt Früchte. Im Kampf gegen Al-Kaida bittet die Regierung derweil Rebellen um Hilfe. Positive Entwicklungen, die zu nichts führen, fürchten Experten.

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Idylle im Chaos: Ein irakischer Soldat begrüßt einen Geschäftsinhaber auf seiner Patrouille durch Bagdad
Idylle im Chaos: Ein irakischer Soldat begrüßt einen GeschäftsinhaberBild: AP

Eine "kleine Atempause" habe die Sicherheitsoffensive den Einwohnern Bagdads gebracht - so vorsichtig formuliert es die Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag (22.3.07). Als Beleg zitiert sie ein Interview mit dem Oppositionspolitiker Saleh al-Mutlak, dem Vorsitzenden der sunnitischen Partei Nationale Dialogfront. Er bestätigt, dass die Zahl der Anschläge seit den verstärkten Sicherheitsmaßnahmen deutlich zurückgegangen sei. Allerdings glaubt al-Mutlak nicht an langfristige Erfolge. Die hohe Präsenz von irakischen Sicherheitskräften und US-Soldaten sei auf Dauer nicht zu halten und für die Bevölkerung schwer zu ertragen.

Razzien, Waffenverbote, Ausgangssperren

Mitglieder der irakischen Armee untersuchen einen Autofahrer an einer Straßensperre
Mitglieder der irakischen Armee untersuchen einen Autofahrer an einer StraßensperreBild: AP

Am 13. Februar hatten die Iraker und Amerikaner ihre gemeinsame Offensive gestartet. Die Grenzen zu Syrien und zum Iran wurden drei Tage lang dicht gemacht, um Waffenschmuggel und Terror-Tourismus kurzfristig einzudämmen. Die Ausgangsperre in der Hauptstadt wurde ausgedehnt, Zivilpersonen entwaffnet. Zu den 15.000 in Bagdad stationierten US-Soldaten stießen Einheiten mit 20.000 Mann aus der Umgebung. Die Hauptlast sollte jedoch die irakische Armee tragen, die durch drei kurdische Brigaden aus dem Norden verstärkt wurde. Seitdem durchkämmen insgesamt 90.000 Bewaffnete Stadtviertel um Stadtviertel der Hauptstadt, entwaffnen Rebellen und kontrollieren Verdächtige an Straßensperren. In der Vergangenheit ist die Wirkung ähnlicher Vorhaben zur Sicherung der Hauptstadt wegen zu geringer Manpower verpufft.

Die kalte Statistik scheint den Erfolg der jüngsten Operation zu bestätigen. Generalleutnant Abboud Qanbar, Kommandeur irakischer Sicherkräfte im Raum Bagdad, hatte bereits in der Vorwoche über einen Rückgang von Morden an Zivilisten berichtet. Seit Beginn der Maßnahmen vor sechs Wochen seien 265 Menschen getötet worden. In den vier Wochen zuvor habe man 1440, das heißt fünfmal so viele Morde gezählt.

Das Straßenbild hat sich verändert

Guido Steinberg, Irak-Spezialist und Ex-Terrorismus-Experte im Bundeskanzleramt
Guido Steinberg

"Nicht nur statistisch betrachtet hat sich die Sicherheitslage in Bagdad deutlich verbessert", sagt Guido Steinberg von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik. Schiitische Milizen spielten kaum noch eine Rolle im Straßenbild. Auch die Mahdi-Miliz der schiitischen Sadr-Bewegung, der die Offensive eigentlich gelte, habe sich weitgehend zurückgezogen, resümiert der Irak-Experte. "Dennoch habe ich den Verdacht, dass das Ganze nicht sehr nachhaltig ist. Es bleibt die Frage, ob die Milizen nach der Offensive nicht zurückkehren."

Mit Terroristen gegen El Kaida

Iraks Regierung hofft derweil auf eine Zusammenarbeit mit aufständischen Gruppen gegen das Terrornetzwerk El Kaida. "Wir haben bereits Verbindungen und Kontakte mit führenden Gruppen hergestellt", sagte Saad Jusif al-Muttalibi dem britischen Rundfunksender BBC am Donnerstag. Der Direktor für internationale Angelegenheiten im Ministerium für Dialog und Versöhnung findet die Haltung allzu simpel, dass man mit Terroristen nicht verhandeln könne. "Wir sind fast soweit, dass die Aufständischen ihre Waffen niederlegen und sich unserem Kampf gegen El Kaida anschließen." Bei diesen Rebellen dürfte es sich um sunnitische Gruppen handeln. Die sunnitische Minderheit war einst unter Saddam Hussein an der Macht. Im Westen Iraks kämpfen seit September vergangenen Jahres vermehrt ausländische El-Kaida-Krieger gegen die sunnitischen Gruppen.

Aufständische Sunniten in Falludscha: Künftige Partner im Kampf gegen El Kaida?
Aufständische Sunniten in Falludscha: Künftige Partner im Kampf gegen El Kaida?Bild: AP

Politikwissenschaftler Steinberg hält die Verhandlungen mit den Rebellen zum Zeitpunkt der Sicherheitsoffensive für folgerichtig. Schon seit Frühjahr 2005 bemühe man sich um solche Gespräche, mit dem Ziel einer Spaltung von Dischhadisten und Nationalisten. "Doch diese Politik scheiterte, weil der Bürgerkrieg ausbrach. Bei einer Entwaffnung mussten sunnitische Kämpfer die Rache der schiitischen Milizen fürchten." Wenn sich die Amerikaner im Rahmen der Sicherheitsoffensive jetzt auch um schiitische Extremisten kümmerten, mache die Politik des Gesprächs wieder Sinn.

Sinnvolle Maßnahmen, die nichts ändern

Geben die jüngsten Entwicklungen Anlass zur Hoffnung? Guido Steinberg winkt ab: "Optimismus, den Begriff sollte man aus seinem Wortschatz streichen, wenn es um den Irak geht." Die Sicherheitsmaßnahmen der Amerikaner seien sinnvoll, kämen aber viel zu spät. Sie würden vor allem nichts daran ändern, dass die Konflikte innerhalb der irakischen Politik bestehen blieben. Ohne eine politische Integration der Sunniten werde es keine Lösung geben.

So sieht es auch Saleh al-Mutlak von der sunnitischen Nationalen Dialogfront. Das Land brauche nicht nur Sicherheitsmaßnahmen, sondern politische Einigungen. Gemeinsam mit 31 anderen Parteien und Bürgerbewegungen fordert er vorgezogene Neuwahlen, weil die Regierung des schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki nicht in der Lage sei, für Stabilität zu sorgen. Dies könne nur einer Regierung gelingen, die nicht von religiösen Parteien dominiert werde, und die sich von den Konflikten zwischen Sunniten und Schiiten fern halte.