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Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina tritt zurück

1. Februar 2007

Nach nur einem Jahr im Amt ist klar: Christian Schwarz-Schilling tritt im Juni zurück. Wegen Erfolglosigkeit gehe er, melden bosnische Medien. Er selbst verweist auf einige positive Veränderungen im Land.

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Schwarz-Schilling beugt sich der KritikBild: AP

Christian Schwarz-Schilling war im Februar vergangenen Jahres mit dem Ziel nach Sarajewo gekommen, der letzte internationale Bosnien-Beauftragte zu werden. Er hatte schon zu Beginn seiner Amtszeit verkündet, er wolle am Ende seines Mandates das Amt des Hohen Repräsentanten auflösen und den bosnischen Politikern mehr Verantwortung übertragen. Jetzt muss er gehen, weil die Kritik an ihm sowohl in Bosnien als auch auf internationaler Ebene immer lauter wurde.

Auch der Leiter des Bosnien-Büros der Internationalen Crisis Group (ICG), Senad Slatina, meint, Schwarz-Schilling hätte die an ihn gerichteten Erwartungen nicht erfüllt: "Man kann seine Ankunft hier in Bosnien und Herzegowina als eine Art Etappe in der Geschichte des Landes betrachten, von der viel Instabilität ausgegangen ist. Es gab einfach viele Krisensituationen, wo eine Reaktion seinerseits von Nöten gewesen wäre, diese aber ausgeblieben ist. Und falls er doch reagiert hat, dann nur außergewöhnlich mild."

Reformprozess stagniert

Schwarz-Schilling selbst hingegen ist der Meinung, dass sich entgegen der Kritik viel im vergangenem Jahr verändert hat - zum Guten: "Die Mehrwertsteuer ist ein voller Erfolg. Es sind sehr viel mehr Steuern eingegangen, als erwartet wurde. Die Frage des Mitteleuropäischen Freihandelsabkommens CEFTA ist zu Gunsten von Bosnien und Herzegowina gelöst worden. In den Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen für eine eventuelle Mitgliedschaft in der EU hat die technische Seite der Verhandlungen hervorragend geklappt. Die bosnische Regierungsdelegation war überraschend gut. Die Europäische Kommission war angetan davon, mit welcher Professionalität diese Verhandlungen geführt worden sind."

Allerdings gibt Schwarz-Schilling zu, dass seine Tätigkeit das ganze Jahr vom innerbosnischen Wahlkampf überschattet gewesen sei. Deshalb hätten viele notwendigen Reformen nicht umgesetzt werden können: "Die Bosnier haben nichts getan, um die Agenda der Reformen wirklich voranzubringen. Ich habe letzten Mai eine Parlamentsrede gehalten, in der ich acht Gesetze genannt habe, und nicht ein einziges ist vom Parlament verabschiedet worden."

Vollmachten nicht eingesetzt

Die Kritik an Schwarz-Schillings Arbeit richtet sich vor allem gegen seinen Plan, die so genannten Bonner Befugnisse abzuschaffen. Diese Befugnisse geben dem internationalen Vertreter das Recht, bosnisch-herzegowinische Politiker abzusetzen und ihnen politische Tätigkeiten zu verbieten. Schwarz-Schilling, so die Kritik, habe diese Befugnisse für überflüssig befunden und nie genutzt. Dies habe den Vertretern der bosnischen Serben den nötigen Spielraum gegeben, die Teilung des Landes weiter voranzutreiben. So hat vor kurzem zum Beispiel der Premierminister der Republika Srpska, Milorad Dodik, wichtige Reformen verhindert und öffentlich damit gedroht, die Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina abzuspalten.

Schwarz-Schilling hätte von Anfang an eine ganz andere Strategie anwenden sollen, meint auch Balkanexperte Erich Rathfelder: "Er begann als ein Mensch, der Versöhnung vorantreiben wollte und gute Intentionen hatte. Meiner Ansicht nach aber hatte er die falsche Strategie, weil er von vorneherein gesagt hat, der Hohe Repräsentant sei dazu da, die Macht an die lokalen Institutionen zu übergeben." Die bosnischen Politiker könnten aber immer noch nicht die volle Verantwortung für die politische Zukunft des Landes übernehmen. Dies sei weiterhin die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, meint Ratfelder. "Wir - und damit meine ich die internationale Gemeinschaft - müssen den Job hier erst beenden. Das heißt, wir müssen die Verfassungsreform so aufbauen, dass sie überhaupt funktionsfähig ist. Wir sollten dies nicht Leuten überlassen, die in Strukturen stecken, die prinzipiell gegen eine Einheit von Bosnien und Herzegowina gerichtet sind."

Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und die USA – die Staaten im Rat zur Umsetzung des Bosnien-Friedens (PIC), der die Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton überwacht, werden Ende Februar entscheiden, ob das Büro des Hohen Repräsentanten in abgespeckter Form auch nach dem 30. Juni 2007 noch fortbestehen soll. Falls ja, dann wird es die Bonner Befugnisse auf jeden Fall weiter behalten.

Belma Fazlagic-Sestic
DW-RADIO/Bosnisch, 1.2.2007, Fokus Ost-Südost