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Hollandes griechisches Kalkül

Kersten Knipp14. Juli 2015

Am französischen Nationalfeiertag präsentiert sich François Hollande als Freund der Griechen und Gestalter Europas. Selbstlos ist diese Rolle nicht. Denn er schmiedet schon Allianzen für den Wahlkampf 2017.

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Alexis Tsipras und Francois Hollande (Foto: Getty Images/AFP/M. Bureau)
Bild: Getty Images/AFP/M. Bureau

Zum Nationalfeiertag am 14. Juli gab sich Frankreichs Präsident François Hollande betont europäisch. "Es nützt dem gesamten Kontinent", kommentierte er den Ausgang der Brüsseler Griechenland-Verhandlungen in einem Fersehinterview. "Der Gewinner ist Europa", lobte Hollande und lobte sich selbst gleich mit: "Ohne das französisch-deutsche Tandem hätte es keine Übereinkunft gegeben".

Dieses Tandem dürfte auch Hollande selbst erheblichen Schwung verleihen. "Die Franzosen schätzen es, wenn Frankreich seinen Rang aufrechterhält und die Führung übernimmt", zitiert die Zeitung Le Figaro ungenannt bleibende Vertraute des Präsidenten. Der Ausgang der europäischen Krise am Vorabend des französischen Nationalfeiertags hätte für den Präsidenten nicht besser kommen können, schreibt das Blatt. Denn der sei schon längst dabei, Bündnisse für die Präsidentenwahl 2017 zu schmieden.

Zwischen Sozialismus und Nationalstolz

Damit griff Hollande genau die Erwartungen auf, die Frankreichs Bevölkerung Umfragen zufolge an ihren Präsidenten stellen. Denn 59 Prozent der Franzosen sind der Ansicht, dass Frankreich sich bei den Verhandlungen gegenüber Deutschland nicht hinreichend durchgesetzt habe. Doch so einig sich die Franzosen in ihrer Einschätzung waren, so sehr unterschieden sie sich doch in den Motiven. "Die Wähler des (regierenden) Linksbündnisses verteidigen die Position des griechischen Premiers Alexis Tsipras", erklärte Frédéric Micheau vom Meinungsforschungsinstitut OpinionWay das Umfrageergebnis. "Für die rechten Wähler steht dagegen der internationale Status Frankreichs auf dem Spiel."

So ging es in der französischen Öffentlichkeit vor und während der Verhandlungen zwar um Griechenland - aber nicht nur. Ebenso ging es auch um Frankreichs Status und sein politisches Gewicht auf der internationalen Bühne.

Entsprechend fielen die Reaktionen nach dem Brüsseler Gipfel aus. Hollande habe "den Einfluss und die Interessen Frankeichs gestärkt", erklärte etwa der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im französischen Parlament, Bruno Le Roux. Auch andere sozialistische Abgeordnete äußerten sich anerkennend – zu anerkennend offenbar für den Geschmack der Tageszeitung Le Monde.

Nahe beim Volk: François Hollande während der Parade zum Nationalfeiertag, 14.07.2015 (Foto: AFP / Getty Images)
Bad in der Menge: Bei der Parade zum Nationalfeiertag gibt sich François Hollande volksnahBild: P. Rossignol/AFP/Getty Images

"Ruhm Hollande, dem Retter Griechenlands, Europas und Frankreichs", schreibt das Blatt in seiner Ausgabe vom 14. Juli mit ironischem Unterton - und vermutet im Weiteren, der griechischen Passion des Präsidenten lägen nicht nur selbstlose Motive zugrunde. Man müsse diese Reaktionen eher als Ausdruck innenpolitischer Überlegungen als einer ernsthaften Vorstellung von Europa lesen, so Le Monde.

Finanzielle Regeln und politische Erwägungen

Auffällig ist allerdings, dass eine auf deutscher Seite immer wieder gehegte Vermutung in der französischen Debatte dieser Tage kaum auftaucht: die Mutmaßung nämlich, Frankreich zeige sich gegenüber griechischen Regelverletzungen auch darum so verständnisvoll, weil es fürchte, selbst damit in Konflikt zu kommen.

"Die Sozialisten wollen nicht, dass in der Währungsunion finanzielle Regeln über politischen Erwägungen stehen", mutmaßt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Es widerstrebe den Sozialisten, dass schlechtes Haushalten einen Souveränitätsverlust nach sich ziehen solle.

Dieser Wunsch dürfte sich in Brüssel nicht restlos erfüllt haben. Auf jeden Fall, berichtet Le Monde, hätten die Sozialisten sich gehütet, allzu ausführlich über den Inhalt der nun mit Griechenland ausgehandelten Vereinbarungen zu sprechen. "Denn die besiegeln eher einen Sieg der harten deutschen als der geschmeidigen französischen Linie."

An der Seite der Henker?

Die französischen Linken wurde nicht müde, darauf hinzuweisen. Jean-Luc Mélenchon, Europaabgeordneter und Gründer des Parti de Gauche ("Partei der Linken"), drückte sich drastisch aus. Hollande habe sich zum "Helfer" Angela Merkels gemacht, stehe also "an der Seite der Henker." "Würden wir Frankreich regieren, hätten wir nicht zugelassen, dass die deutsche Regierung uns diktiert, wie wir uns zu verhalten haben", versicherte Mélenchon.

Doch wie Hollande kämpft auch Mélenchon mit den widersprüchlichen Signalen seiner Landsleute. Zwar sind laut Meinungsumfragen etwas über die Hälfte (56 Prozent) der Franzosen gegen einen Grexit. Fast ebenso viele (51 Prozent) waren kurz vor dem Brüsseler Gipfel aber auch dagegen, dass EU und Europäische Zentralbank den Griechen weitere Zugeständnisse machen.

Frankreich Partei Front National Marine Le Pen (Foto: DENIS CHARLET/AFP/Getty Images)
Profiliert sich mit Kritik an Europa: Marine Le PenBild: Getty Images/AFP/D. Charlet

Abstimmen mit Vorbehalt

Die einzige, die, von linken Aspirationen ungestört, aus diesem Widerspruch offen Kapital zu schlagen versucht, ist Marine Le Pen, Vorsitzende des rechtsextremen Front National. "Monsieur Hollande lügt", erklärte sie. "Ich sagte dies in der allerdeutlichsten Weise. Er belügt die Franzosen, wenn er sie glauben lässt, dass dieses Vorgehen (Griechenland in der Eurozone zu lassen, die Red.) für sie keinen Schaden haben wird."

Einen Tag nach dem Nationalfeiertag stimmen die französischen Abgeordneten über die in Brüssel erreichte Übereinkunft ab. Erwartet wird, dass es dabei weniger auf die Stimmen der Nationalen als auf die der Linken ankommen wird. Aber auch denen dürfte es nicht leicht fallen, dem nun erzielten Abkommen ihren Segen zu geben.