1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Holpriger Start in die EU-Ratspräsidentschaft

8. Januar 2010

Spanien will während seiner EU-Ratspräsidentschaft für die Idee einer europäischen "Wirtschaftsregierung" werben. Doch zum Start des EU-Vorsitzes muss Spaniens Regierungschef Zapatero erstmal eine Peinlichkeit erklären.

https://p.dw.com/p/LOQG
Ein grüblerischer Zapatero im Portrait (Foto: AP)
Angespannt: Für Spaniens Ministerpräsident Zapatero läuft es gerade nicht rundBild: AP

Statt Ministerpräsident José Luis Rodrigues Zapatero begrüßte dieser Tage ausgerechnet Mr. Bean die Besucher der offiziellen Internetseite des spanischen EU-Vorsitzes. Computer-Hacker hatten das System ausgehebelt und kurzzeitig die vom britischen Komiker Rowan Atkinson gespielte Witzfigur auf der Homepage platziert.

Portrait von Zapatero und Mr. Bean (Foto: AP)
Gewisse Ähnlichkeiten sind nicht wegzudiskutieren: Zapatero und Mr. BeanBild: AP/picture alliance/dpa/DW-Fotomontage

Spanien schäumte: Kritik und Spott waren die Folge. Wie konnte so etwas passieren, wo Madrid doch gut zwölf Millionen Euro unter anderem für Sicherheit und Wartung der Seite ausgibt, fragte die Presse kritisch. "Selbst ein Anfänger hätte die von den Hackern genutzte Schwachstelle erkennen können", kommentierte die spanische Expertin María Rosa Díez den PR-Gau. Die Panne passt ins Bild: Obwohl die spanische EU-Präsidentschaft offiziell erst am heutigen Freitag (08.01.2010) beginnt, ächzt die europäische Öffentlichkeit hinter vorgehaltener Hand bereits über den holprigen Start der Iberer.

Zapatero will Wachstum fördern

Zapatero hat Strafmaßnahmen für jene EU-Staaten in Aussicht gestellt, die nicht genug für das Wachstum ihrer Wirtschaft tun. Auf einer Pressekonferenz in Madrid nannte er als Beispiel etwa Kürzungen von Subventionen aus dem Haushalt der Europäischen Union. Die Debatte darüber solle auf einem EU-Gipfeltreffen am 11. Februar in Brüssel geführt werden.

Auf Skepsis stößt Madrid mit dem erklärten Ziel, der EU während seines Vorsitzes den entscheidenden Impuls zu geben, die noch schwelende Wirtschaftskrise hinter sich zu lassen. Schließlich ist Spanien mit einer Rekordarbeitslosenquote von rund 19 Prozent und einer erwarteten Neuverschuldung von rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) einer der am schwersten von der Rezession gebeutelten EU-Staaten. "Den anderen Regierungschefs muss Zapatero vorkommen wie ein Lehrer, der zwar nicht lesen kann, aber trotzdem eine Schule aufmacht", stichelte der spanische Oppositionschef Mariano Rajoy gegen Zapateros Plan.

Für seine Ankündigungen erntet Zapatero aber nicht nur im eigenen Land Hohn und Spott. "Ein stolperndes Spanien muss die EU führen", kommentierte auch die "Financial Times" die spanischen Pläne. Das angesehene Londoner Blatt fällt ein vernichtendes Urteil: Das Programm sei "bemerkenswert nichtssagend".

Experten oder Veteranen?

Ein lächelnder Solbes im Portrait (Foto: AP)
Er hat gut lachen: Pedro Solbes ist ebenfalls Mitglied in Zapateros "Rat der Weisen"Bild: AP

Ein "Rat der Weisen" soll der spanischen EU-Ratspräsidentschaft bei der Suche nach Auswegen aus der Wirtschaftskrise helfen. In die Expertengruppe haben die Spanier unter anderem den früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors (84) berufen. Ebenfalls dazu gehören demnach der ehemalige spanische Regierungschef Felipe González (67) und Spaniens Ex-Wirtschafts- und Finanzminister Pedro Solbes (67).

Doch auch dieser Schritt Zapateros wird im politischen Madrid kontrovers diskutiert: "Mehr als um Weise handelt es sich um Veteranen", spottete die Zeitung "ABC" über die Besetzung des Expertengremiums. Einige Beobachter meinen: Wenn diese Expertengruppe wirklich etwas bewirken solle, hätte sie zudem viel früher zu Rate gezogen werden müssen.

Ohrfeige aus Havanna

Auch auf dem diplomatischen Parkett fehlte Spanien in den vergangenen Tagen das Glück: Eines der großen außenpolitischen Ziele ist eine Annäherung der EU an Kuba. Madrid tritt vehement für die Abschaffung des sogenannten Gemeinsamen Standpunktes ein, der seit 1996 die Kuba-Politik von Fortschritten des Castro-Regimes bei der Demokratisierung sowie bei den Bürger- und Menschenrechten abhängig macht. Madrid bot den Kubanern einen Dialog ohne Vorbedingungen an. Doch Havanna regierte kühl: Anfang der Woche verweigerten die kubanischen Behörden dem spanischen EU-Abgeordneten Luis Yáñez und seiner Frau die Einreise - aus Furcht, sie könnten sich mit Dissidenten treffen, wie es heißt.

Für das Paar war der geplante Karibik-Urlaub auf Kuba dahin, und die Kritiker der ohnehin von anderen EU-Staaten argwöhnisch betrachteten Initiative Spaniens hatten ein Argument mehr. Die spanische Presse feixte: "Eine Ohrfeige" sei dies für den spanischen Außenminister Miguel Angel Moratinos gewesen, befand die Zeitung "El Mundo". Zusätzliche Kritik hagelte es, als Moratinos trotzdem seine Absicht bekräftigte, das Verhältnis der EU zu Kuba zu verbessern.

Van Rompuy im Portrait (Foto: AP)
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy dokumentiert politische StärkeBild: AP

Machtkampf hinter den Kulissen

Zudem schwelt hinter den Kulissen ein Machtkampf: Der neue ständige Ratspräsident Herman Van Rompuy hat für den 11. Februar einen Krisengipfel über eine neue EU-Wirtschaftsstrategie angekündigt - in Brüssel. Der Belgier demonstrierte damit, dass mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages er und nicht Zapatero als turnusmäßiger Vorsitzender das Sagen in der Union hat. Das wird die beiden nicht daran hindern, sich zum offiziellen Auftakt der spanischen Ratspräsidentschaft an diesem Freitag gegenseitig für ihr Engagement für Europa zu loben. Doch den Experten ist klar: Hinter den Kulissen läuft ein Gezerre um die Macht in der EU.

Autor: Marcus Bölz (AFP, dpa)
Redaktion: Oliver Samson

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen