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Patricia von Berg12. April 2007

Wenn an einem schönen, sonnigen Tag in einem Washingtoner Vorort Kinder draußen spielen, gibt es dafür nur eine Erklärung: Ihre Eltern müssen Ausländer sein.

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Bild: DW

Als ich zum ersten Mal in Bethesda, einem Washingtoner Vorort, aus dem Taxi steige, komme ich mir vor wie Bambi. Um mich herum springen Eichhörnchen, kleine Vögel, ein Hase sitzt im nachbarlichen Vorgarten. Es sieht aus wie die pure Idylle. Der perfekte Ort um Kinder großzuziehen. Doch nach einigen Tagen frage ich mich, ob es in meiner Nachbarschaft überhaupt Kinder gibt. Denn das Wetter in Washington ist traumhaft - schön warm, keine Wolke am Himmel. Aber von spielenden Kindern auf der Straße keine Spur.

Entführungen, Gewalttaten, Verfolgungsjagden

Ich beschließe, der Sache auf den Grund zu gehen und frage meine Vermieter. „Oh doch, die Familie nebenan hat zwei, die Nachbarn gegenüber haben drei Kinder. Überhaupt gibt es ziemlich viele hier in der Gegend.“ Na gut, aber wo? Nach der Schule, die bis zum Nachmittag dauert, steigen die Kinder in den Schulbus oder werden von den Eltern abgeholt. Der Bus hält oft direkt vor dem Haus. Wenn nicht, wird der Nachwuchs direkt von der Schule oder zumindest der Bushaltestelle abgeholt. Auch wenn es sich nur um 100 Meter handelt.

Die Angst vor Kindesentführungen spielt eine große Rolle. Jährlich werden 800.000 Kinder in den USA vermisst gemeldet. Auch die Nachrichten ermuntern nicht gerade dazu, die Kids unbeaufsichtigt zu lassen. Täglich flackern Bilder von Gewalttaten und Verfolgungsjagden über den Bildschirm. Selbst ausländische Botschaften geben dementsprechende Ratschläge. Zum Beispiel die Webseite des Auswärtigen Amtes: „Grundsätzlich gilt, dass Kinder unter 8 Jahren nie, Kinder unter 12 oder 13 Jahren nur kürzeste Zeit unbeaufsichtigt gelassen werden sollten.“ Sonst drohen empfindliche Strafen.

Revolutionäre Kindheit

Doch was unternehmen die Kinder nach der Schule? Da sie also nicht unbeaufsichtigt sein dürfen, müssen sie zum Sport, Klavier- oder Ballettunterricht gefahren werden. Meine Mutter hätte sich gefreut ! Möchten die Eltern nicht über ein Jahrzehnt als Taxifahrer dienen, muss eine Nanny oder ein Au-pair-Mädchen her. Im Rückblick erscheint mir meine deutsche Kindheit geradezu revolutionär. Ich bin schon zur Grundschule mit dem Fahrrad gefahren.

Wenn die Kinder nach Hause kommen, stellt das Fernsehen oft die Freizeitbeschäftigung Nummer eins dar. Egal, ob die Sonne scheint oder nicht. Angeblich verbringen in den USA laut einer Studie schon zweijährige Kinder im Durchschnitt zwei Stunden am Tag vor dem Fernseher. Bei Teenagern sollen es bereits sieben Stunden sein. Vor kurzem sah ich übrigens doch noch zwei Mädchen auf der Straße spielen. Also, alles nicht wahr? Meine Vermieterin hatte die Erklärung: „Das sind Franzosen.“