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Homeoffice - gekommen, um zu bleiben?

Kristie Pladson
7. März 2021

Die Arbeit von Zuhause wird für die Mitarbeiter von Goldman Sachs nicht Normalzustand bleiben, wenn die Pandemie vorbei ist. Das hat der Chef der Bank deutlich gemacht. In anderen Unternehmen aber sieht das anders aus...

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Homeoffice - Arbeitsplatz in der Coronakrise
Bild: Imago/U. Grabowsky

Als Kelly Sutamto* 2019 wegen des Jobs ihres Mannes von Deutschland nach China zog, musste die indonesische Grafikdesignerin eine Sondergenehmigung ihres deutschen Arbeitgebers einholen, um ihre Arbeit im Homeoffice aus der Ferne erledigen zu können. Zwei Jahre und eine Pandemie später ist Sutamto zurück in Deutschland und arbeitet immer noch von zu Hause aus. Jetzt machen das auch alle anderen in ihrem Büro.

"Da ich schon vor der Pandemie von zu Hause aus gearbeitet habe, hat sich meine Situation nicht wirklich verändert", erzählt sie der DW. Aber es sei viel einfacher geworden, "jetzt, wo alle in der gleichen Situation sind".

Als sich das Coronavirus im Frühjahr 2020 rund um den Globus ausbreitete, dachten viele anfangs, dass das Arbeiten im Homeoffice nicht lange dauern würde. Aber jetzt, wo das Virus ein Jahr später immer noch die gleiche große Gefahr darstellt, fragen sich Manager und Mitarbeiter, ob sich die Art und Weise, wie wir arbeiten, nicht womöglich grundlegend verändert hat.

Deutschland Home Office mit Kleinkind
Homeoffice, als Doppelbelastung ...Bild: picture-alliance/dpa-tmn/C. Klose

Eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens Gartner unter 800 Personalchefs weltweit im vergangenen Frühjahr ergab, dass 88 Prozent der Unternehmen ihre Mitarbeiter wegen des Risikos, sich mit COVID-19 anzustecken, dazu ermutigt oder verpflichtet hatten, von zu Hause aus zu arbeiten. Viele tun dies auch heute noch.

Keine neue Normalität

Sutamto ist froh wegen der Zeit, die sie spart, weil sie nicht mehr pendeln muss und zähe persönliche Besprechungen durch E-Mail und Online-Konferenzen ersetzt werden. Aber es gibt auch Schattenseiten. Bei komplexen Projekten sind virtuelle Meetings viel umständlicher als physische Treffen zum Brainstorming oder um einfach nur ein paar Ideen aufs Papier zu bringen. Sie vermisst auch den sozialen Austausch mit ihrem Team. Die digitalen Happy Hours, die ihre Firma organisiert, um die Stimmung zu heben, sind meist eher unangenehm, sagt sie.

Solche Schattenseiten mag der Chef von Goldman Sachs, David Solomon, im Sinn gehabt haben, als er die Idee verwarf, die Mitarbeiter der Investmentbank könnten auch nach dem Ende der Pandemie weiter vor allem von zu Hause aus arbeiten. "Es ist keine neue Normalität", sagte Solomon vergangene Woche auf einer Konferenz. "Es ist eine Ausnahmesituation, die wir so schnell wie möglich korrigieren werden."

Goldman Sachs-Chef David Solomon
Goldman Sachs-Chef David SolomonBild: Getty Images/P. Morigi

Ganz anders als Solomon sehen das Unternehmen wie Microsoft, Twitter und Facebook; sie gehen davon aus, dass die Büroarbeit außerhalb des Büros für einen Großteil ihrer Mitarbeiter oder womöglich alle eine dauerhafte Option werden könnte.

Wie sieht sie also aus, die Zukunft der Büroarbeit? Das Coronavirus hat die Richtung, mit der sich Büroarbeit schon vor der Pandemie entwickelte, nicht verändert, meint Kaitlyn Frank, Marketing-Direktorin bei Crossfuze, einem US-Unternehmen, das Geschäftskunden bei der digitalen Transformation unterstützt.

"Ich denke, durch die Krise ist diese Transformation für die Menschen sehr real geworden und sie sind gezwungen, Technologien schneller zu übernehmen und bessere Arbeitsabläufe zu finden, um effektives Arbeiten von zu Hause aus zu ermöglichen", sagt sie der DW.

Infografik Anteil Homeoffice Deutschland DE

Eine Frage des Vertrauens

Heimarbeit kann gut funktionieren, wenn ein Team gesund ist und die Menschen sich gegenseitig helfen und unterstützen, sagt Professor Guido Friebel vom Lehrstuhl für Personalwesen an der Goethe-Universität in Frankfurt. Wenn nicht, besteht die Gefahr, dass die Menschen vereinsamen oder gestresst werden. "Es wäre falsch zu glauben, dass man sich weniger um die Menschen kümmern muss, nur weil sie von zu Hause aus arbeiten", sagt er der DW. "Man muss sich wahrscheinlich eher mehr um sie kümmern." Wenn man in einem Büro ein Problem hat, sagt Friebel, kann man nach nebenan gehen und seinen Kollegen bitten, es zu lösen. Wenn man von zu Hause aus arbeitet, ist das komplizierter.

Die Technologie, um Probleme zu lösen und den Mitarbeitern zu helfen, von überall aus effektiv zu arbeiten, gibt es schon seit Jahren, betont Kaitlyn Frank. "Das heißt, egal, ob die Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten oder im Büro oder an einem Strand in Tahiti, die Art und Weise, wie die Menschen den Großteil ihrer Arbeit erledigen, ist im Wesentlichen dieselbe."

Trotzdem gefällt vielen Managern der Gedanke nicht, dass ihre Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten. Der Grund? Eine Frage des Vertrauens. "Menschen, die ihren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, von zu Hause aus zu arbeiten, tun dies entweder, weil sie keine andere Wahl haben, oder weil sie grundsätzlich glauben, dass diese Möglichkeit nicht missbraucht wird", sagt Friebel. "Und die Forschung zeigt, dass sie es in der Regel nicht missbraucht wird. Aber viele Manager sehen das nicht."

Eine Frage der Unternehmenskultur

In Unternehmen wie Goldman Sachs, in denen die Mitarbeiter regelmäßig lange Arbeitszeiten haben und unter Zeitdruck stehen, sei oft laufende Koordination nötig, sagt Friebel. "Sobald man von zu Hause aus arbeitet, gibt es immer Sachen, die nicht eingeplant sind", erklärt er: "Ihr Internet funktioniert vielleicht nicht. Ihre Kinder weinen."

"Ich glaube, dass man auf lange oder mittlere Sicht durch Homeoffice mehr zurückbekommt, als man verliert; aber für solche, mit wenig Spielraum gesteuerten Schiffe ist das eine schwierige Sache", fügt er hinzu. Die Crossfuze-Managerin Frank dagegen sagt, dass sie sich eigentlich keine bestimmte Büroarbeit vorstellen kann, die nicht aus der Ferne erledigt werden könnte. "Es ist nicht wie in einem Krankenhaus oder einem Restaurant, wo es physische Interaktionen gibt", sagt sie. "Alles ist sowieso digital."

Workstation Home-Office im Urlaub  Hotel
... und Homeoffice als Entlastung (am Strand in Pacific Beach) Bild: Frank Duenzl/dpa/picture alliance

"Die Menschen sind heterogen", sagt Friebel. "Manche Leute lieben es, von zu Hause aus zu arbeiten. Andere mögen es weniger. Fast niemand möchte nur von zu Hause aus arbeiten." Man dürfe nicht vergessen, dass der Arbeitsplatz ein sozialer Raum sei und soziale Nähe ein Bedürfnis sei, das die Menschen befriedigen, wenn sie ins Büro gehen, fügt er hinzu. Aus diesem Grund glaubt er nicht, dass die Arbeit von zu Hause aus das physische Büro vollständig ersetzen wird. "Aber es wird die Menge an Arbeit, die in Büros erledigt wird, reduzieren und es wird die Arbeit, die von zu Hause aus erledigt wird, erhöhen."

Die Chance, zu wählen

Wenn das richtig sein sollte, werden Unternehmen wie Goldman Sachs, die sich dem Trend widersetzen, womöglich feststellen, dass es doch Kosten verursacht, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Büro zu halten. "Es wird für sie schwieriger werden, eine bestimmte Art von talentierten Leuten zu finden und an sich zu binden", sagt Frank. "Allein schon geografisch gesehen beschränkt man sich auf einen Talentpool, der in den Städten ansässig ist, in denen sich die Firma befindet."

Letztlich werden sich die Unternehmen entscheiden müssen, glaubt Kaitlyn Frank, wie viel Wert sie wirklich darauf legen, ihre Mitarbeiter im Büro zu halten, wenn sie erkennen, dass ihnen dadurch Möglichkeiten entgehen könnten. "Der Punkt ist doch, dass die Möglichkeiten, das Arbeiten von zu Hause aus zu verbessern, nicht mehr verschwinden werden; die Arbeitsabläufe und die Technologie, die während COVID eingeführt wurden, die werden bleiben", sagt sie. "Jetzt haben Unternehmen die Möglichkeit, die Art von Belegschaft damit zu fördern, die sie brauchen – wie auch immer die für sie aussehen mag."

*Name zum Schutz der Identität geändert

Aus dem Englischen adaptiert von Andreas Rostek-Buetti.