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Das Volk mochte ihn

31. Mai 2010

Bundespräsident Köhler hatte sich einen Ruf als kritischer Begleiter der Berliner Regierungspolitik erworben. Außerdem beschäftigt ihn die wachsende Kluft zwischen armen und reichen Ländern.

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Porträt Horst Köhler
Rücktritt nach fünf JahrenBild: AP

Er wirkte mitunter linkisch, war kein guter Redner und machte keinen Hehl daraus, dass er bei vielen Fragen selbst um Antworten rang. Doch das Volk mochte ihn. Horst Köhler war jahrelang der beliebteste Politiker Deutschlands. Er habe sich die Herzen der Menschen erobert, und zwar durch seine offene Art auf Leute zuzugehen und auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen, sagte Kanzlerin Merkel vor seiner Wiederwahl 2009. Zu seinen umstrittenen Äußerungen über den Zusammenhang von militärischer Macht und den Wirtschaftsinteressen Deutschlands wollte sie sich zuletzt nicht äußern.

Ziemlich nah dem Bürgerpräsidenten

Bundespräsident Köhler bei einem Fest für kleine Forscher (Foto: AP)
Bundespräsident Köhler bei einem Fest für kleine ForscherBild: AP

Köhler schob keine Bugwelle der Bedeutung vor sich her und war wirklich neugierig auf die Menschen, denen er begegnete. Viele Bundespräsidenten erklärten es zu ihrem Ziel, ein Bürgerpräsident zu sein, Köhler kam diesem Ideal auf seine Art ziemlich nahe. Der Seiteneinsteiger in die große Politik hatte den Ruf einer "ehrlichen Haut", seine gelegentliche Kritik am abgehobenen Berliner Politikbetrieb kam gut an.

Köhlers Familie stammt aus Bessarabien, er wurde während der Flucht seiner Eltern in Polen geboren, kam Mitte der 1950er-Jahre ins damalige Westdeutschland. Als einziges von acht Geschwisterkindern ging er zur Universität, studierte Volkswirtschaft. Seine Karriere führte ihn bis auf den Chefsessel des Internationalen Währungsfonds.

"So etwas tut man nicht"

Der 66-Jährige, von einigen anfangs als "Sparkassendirektor" belächelt, hatte in seiner ersten Amtszeit nicht nur im Volk einen hohen Beliebtheitsgrad erreicht. Auch professionelle Beobachter stellten eine Wandlung fest, die das neoliberale Etikett der Anfangszeit verblassen ließ.

Bundespräsident Horst Köhler und seine Frau Eva vor dem Reichstag in Berlin (Foto: DPA)
Bundespräsident Horst Köhler und seine Frau Eva vor dem Reichstag in BerlinBild: picture-alliance/ dpa

In mehreren Reden hatte Köhler erkennen lassen, dass ihm die wachsende Kluft zwischen arm und reich in der Welt nicht nur Sorgen wegen ihrer destabilisierenden Effekte für die internationale Ordnung machte. Sondern dass ihm die Gier von Managern auch persönlich auf den Wecker ging. "So etwas tut man nicht", sagte Köhler dazu. Ein Satz, den ihm mancher angesichts seines Rücktritts vorhalten könnte, der die Politik in eine schwierige Situation bringt.

Gelegentliche Zwischenrufe möglich

Als junger Mann gründete Horst Köhler mit seiner Frau Eva und Freunden einen "Dritte-Welt-Laden" in der Nähe von Tübingen. Als Bundespräsident hat er die Folgen der Globalisierung für die unterentwickelten Länder mehrmals kritisch unter die Lupe genommen. Der Norden müsse stärker auf die Interessen des Südens eingehen. Und für ihn entscheide sich die Menschlichkeit der Welt am Schicksal Afrikas, bekannte er. Nach seiner Wiederwahl im Mai 2009 vermissten viele seine Stimme in wichtigen Debatten.

Sein Rücktritt erfolgte wenige Tage vor einem weiteren geplanten Afrika-Besuch, bei dem er Entwicklungsprojekte in Burkina Faso besuchen wollte.

Autor: Bernd Gräßler
Redaktion: Kay-Alexander Scholz