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#HowGreenAmI: Leben ohne Palmöl

Klaus Esterluss
2. Februar 2017

Palmöl steckt praktisch überall drin, sei es im Essen, in Kosmetik oder Benzin. Und nicht immer ist das offensichtlich. Also habe ich mir Hilfe geholt, um diesen allgegenwärtigen Stoff besser zu verstehen.

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DW Eco Palmöl Esterluß
Bild: DW/K. Esterluß

Am Anfang, muss ich zugeben, bin ich naiv an das Thema herangegangen. "Palmöl, klar", habe ich gedacht, "das habe ich schon mal gehört, das kommt von der Ölpalme. Vielleicht ist es so etwas wie Kokosfett, vielleicht Olivenöl, damit kann man kochen." Und ich habe angenommen, dass ich relativ schnell einiges über dieses Fett herausfinden würde. Darauf verzichten sollte kein Problem werden. Genau das hatte ich mir zur Aufgabe gemacht. Wo kann das schon überall drin sein?

Ein paar Tage später, ich hatte einige Artikel gelesen, hatte Webseiten von Umweltschutzorganisationen durchwühlt und bei "Youtube" verschiedene Videos zum Thema gesehen, saß ich reichlich überrascht vor meinem Bildschirm. Was hatte ich mir da eingebrockt? Das Zeug war ja überall drin. Im Essen. Und zwar nicht nur in "Nutella", sondern eben auch in trockenen Salzbrezeln, Tütensuppen, Schokoriegeln, Keksen, Müsli oder Margarine. Kosmetik war auch voll davon. Und weil Palmöl oft in Tierfutter verwendet wird, war jedes Wiener Würstchen, das ich kaufen würde, vermutlich auch, zumindest indirekt, ein Palmöl-Produkt. Und was sollte das mit dem Benzin? Ich war davon ausgegangen, dass da vor allem Raps drin war, aber nein. Auch hier: Palmöl.

"Ich brauche jemanden, der mir hilft, das Öl besser zu verstehen", dachte ich. Denn zu allem Überfluss fand ich heraus, dass es so etwas wie "grünes Palmöl" geben muss, eine zertifizierte, vielleicht nachhaltige Variante von Palmöl. Aber war das dann gut, durfte ich das ohne nachzudenken benutzen? Offensichtlich nicht, stand in etlichen Quellen. Denn "grün" sei oft nichts anderes als ein Deckmantel für versteckte Umweltzerstörung. Denn für Palmöl wird Regenwald in gigantischem Ausmaß abgeholzt, um Platz zu machen für Monokulturen, die den riesigen Bedarf weltweit decken sollen. Riesig, natürlich, weil Palmöl überall drin ist.

Montag

Ich habe angefangen, meinen Haushalt auf den Kopf zu stellen. Ich wollte wissen, wo ich überall ein Umweltsünder war. Aber wirklich jedes Produkt ansehen und alle Zutatenlisten verstehen? Na viel Glück. Da stand selten mal "Palmöl", da standen Fachbegriffe, fremdsprachliche, komplizierte Bezeichnungen für etwas, das alles mögliche heißen konnte. Im besten Fall stand da "pflanzliche Fette".

Allerdings hatte ich Glück: Beim Lesen über Palmöl war ich auf eine App gestoßen, von der ich hoffte, dass sie helfen könnte: "Codecheck". Scannt man mit dieser App die Strichcodes von Produkten, dann spuckt sie Informationen zu Inhaltsstoffen aus. So auch zu Palmöl.

Dienstag

Kern der "Codecheck"-App ist eine Datenbank, die User selbst füllen können, die aber auch regelmäßig mit Daten von Umweltschutzgruppen gefüttert wird, hat mir Franziska Grammes erklärt. Außerdem habe ich erfahren, wie das Bewertungssystem funktioniert, mit dem die User erkennen können, ob ihnen ein bestimmtes Produkt gut tut, oder nicht:

Zu meiner Überraschung habe ich in so gut wie keinem Lebensmittel in meinem Haushalt Palmöl gefunden. Kosmetika waren allerdings häufiger betroffen.

"Codecheck" unterscheidet auch zwischen gutem und schlechtem Palmöl. Gut bedeutet in dem Fall zertifiziert. Diese Zertifizierung stellt den größten Streitpunkt in der Diskussion ums Palmöl dar. Es gibt verschiedene Wege zur Bewertung. Alle wollen beweisen, dass Öl nachhaltig produziert wird. Den perfekten Weg gibt es aber vermutlich nicht, denn zu viele Parameter haben einen Einfluss auf die Produktion: Wird das Palmöl in einer Monokultur gewonnen oder bleibt der Regenwald stehen? Welcher Dünger wird in welchem Ausmaß genutzt? Kommen Pestizide zum Einsatz? Gelten unterschiedliche Standards bei der Produktion für verschiedene Märkte? Und was haben die Landwirte davon? Können sie von ihrem Produkt leben?

Der bekannteste und gleichzeitig umstrittenste Ansatz ist die Zertifizierung nach dem "RSPO", dem "Roundtable on Sustainable Palm Oil". Dieser Runde Tisch wurde von der Umweltschutzorganisation "WWF" initiiert, ihm vertrauen die größten Player im Markt, auch Supermarktketten gehören dazu. Palmöl, das nach dem "RSPO" zertifiziert wurde, soll bestimmte Voraussetzungen erfüllen, sagt der "WWF".

Mittwoch

Kritiker allerdings sehen die Voraussetzungen als zu lasch an. Ja, optimal ist das alles bis jetzt noch nicht, gibt auch Ilka Petersen vom "WWF" in unserem Gespräch zu. Sie ist bei der Organisation die Expertin, wenn es um Palmöl geht. Aber, sagt sie, der Standard ist ein wichtiger Schritt, auf dem man aufbauen kann. Luft nach oben sei aber noch.

Der Bedarf an Palmöl hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. In jedem zweiten Produkt in einem durchschnittlichen deutschen Supermarkt ist es zu finden. Dabei sind Deutschland und Europa gar nicht mal die Hauptverwerter. Indien und Indonesien brauchen das meiste Palmöl im Jahr, 10,4 Millionen Tonnen bzw. 9,1 Millionen Tonnen. Die gesamte EU verwendet da weniger, knapp 6,5 Millionen Tonnen.

"Aber könnte man nicht einfach das Palmöl in Europa weglassen und durch ein einheimisches Öl ersetzen?", frage ich. So einfach sei das nicht, antwortet Ilka Petersen. Dafür haben wir hier einfach nicht genug Platz.

Donnerstag

Das ist eine Aussage, die Sven Selbert von den Umweltschützern von "Robin Wood" nicht so stehen lassen kann. Der Tropenwald-Experte der Organisation hat mir während unseres Gesprächs beschrieben, wie ein Wechsel zu Raps doch funktionieren könnte. Knackpunkt sei der massive Einsatz von Dünger beim Anbau von Ölpalmen. Nur so sei ein hoher Ertrag von vier Tonnen pro Hektar überhaupt möglich. Lässt man dieses Hilfsmittel weg, schrumpft der Ertrag auf das Niveau von Raps und damit wäre ein Austausch denkbar. Um für ausreichend freie Flächen zu sorgen, müsse man aufhören, wertvolles Öl als Bio-Kraftstoff zu verfeuern. Der Platz, der für diesen Anbau verwendet wird, könne auch dafür genutzt werden Alternativen zu Palmöl anzubauen.

Beim Benzin bin ich offenbar ganz gut dabei. Weil ich kaum Auto fahre, verbrauche ich auch kein Palmöl im Benzin. Dafür geht ein Gros des Palmöls in Europa drauf. Auch darum sind die Mengen, die wir derzeit an Palmöl verbrauchen, so unvorstellbar hoch. Völlig unmöglich, das alles nachhaltig zertifiziert zu produzieren.

Ein weiteres Problem, sagt "Robin Wood", sind unterschiedliche Standards. Was beispielsweise in Europa gilt, gilt nicht automatisch auch in anderen Regionen der Welt. Stattdessen würden dieselben Hersteller ihr Palmöl für den europäischen Markt nachhaltig produzieren, das für Märkte im Rest der Welt aber weiterhin nicht. Und der Rest der Welt verbraucht wesentlich mehr Palmöl als Europa.

Für mein Projekt stellt "Robin Wood" die Gegenstimme zum "WWF" dar. Am Ende aber ziehen beide Organisationen am selben Strang. Für beide geht es im Grunde darum, Palmöl umweltverträglicher zu gestalten. Auch wenn die eine die andere Organisation kritisiert, sagen beide, dass es an uns Verbrauchern ist, nun aktiv zu werden. Wenn wir auf Alternativen bestehen, wenn wir palmölfreie Produkte kaufen, und wenn wir den Erzeugern klar machen, dass wir Naturschutz ernst nehmen, dann kann sich auch etwas ändern.

Freitag

Und da kommt für mein Experiment schließlich noch Martina Bacher ins Boot. Sie betreibt die Webseite "Umweltblick.de" und hat einen Einkaufsführer zusammengestellt, der Verbrauchern ein Druckmittel gegen den Mainstream an die Hand gibt, also Alternativen zum Palmöl.

Seit Ende 2014 muss Palmöl in Deutschland auf Lebensmitteln gekennzeichnet werden, sagt Martina Bacher. Auf Kosmetika und Reinigungsmitteln allerdings nicht. Auch deshalb hat sie den Einkaufsführer erarbeitet und hält ihn aktuell. Er soll eine Art Leitfaden für den Weg durch den Dschungel der Inhaltsstoffe sein.

Mit diesem Gespräch schließt sich mein Kreis. Ich habe nicht komplett ohne Palmöl gelebt, ich habe mir bewusst gemacht, was ich da mache, welche Produkte ich kaufe und worauf ich achten sollte. Ich habe gelernt, dass es schwer ist, Palmöl zu erkennen, weil nicht überall Palmöl drauf steht, wo es drin ist. Ich habe gelernt, dass es durchaus Bestrebungen gibt, dem so gefragten Öl einen Schub in eine nachhaltige Zukunft zu geben. Natürlich ist dieser Weg lang und steinig und wahrscheinlich hängt zu viel vom Gewinn ab, den Palmöl heute für Unternehmen verspricht. Ich habe aber auch gelernt, dass ich nicht viel falsch mache. Ich fahre wenig Auto, ich koche viele frische Gerichte selbst und weiß also, was da drin ist und es ist sicher kein Palmöl. Ich achte bei Kosmetik darauf, wenig aus gängigen Drogerien zu verwenden und ich verbrauche wenig Fleisch. Aber ganz ohne Palmöl? Nein. Aber vielleicht muss es auch nicht völlig palmölfrei sein. Wir, als Verbraucher, müssen uns bewusst machen, welchen Einfluss unser Konsumverhalten auf die Natur hat. Entsprechend müssen wir uns anpassen. Und wenn wir wollen, dass es weniger Monokulturen gibt, dass weniger Urwald für Palmöl abgeholzt wird, dann dürfen wir es einfach nicht kaufen.

Und dabei helfen Informationen und Impulse, die mir meine Gesprächspartner gegeben haben, ein sehr gutes Stück weiter.