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Hoyzer: Die Apokalypse des Sports?

Hanspeter Detmer 4. Februar 2005

Die Ausmaße des Fußball-Skandals, der seit dem 22. Januar Deutschland in Atem hält, sind immer noch nicht abzuschätzen. Kommentator Hanspeter Detmer sieht den showträchtigen Hochleistungssport weltweit in Gefahr.

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Auf einer Gartenparty offenbarte im Juni 1971 der Südfrüchtehändler und Präsident des Vereins Kickers Offenbach, Horst Gregorio Canellas, ein weit verzweigtes Netz von Betrügereien in der deutschen Fußball-Bundesliga. Speziell im Fußball brach daraufhin der Glaube an Fairness, Ehrlichkeit, Regeltreue wie ein Kartenhaus zusammen.

Daran erinnert man sich in diesen Tagen, in denen der deutsche Fußball erneut mit einem Skandal in die Schlagzeilen gerät. Verglichen mit dem, was die Staatsanwalt jedoch bislang als Spitze des aktuellen Betrugs-Eisbergs offengelegt hat, war der Bundesliga-Skandal von 1970/71 eher eine Schurkenkomödie. Ihre Akteure damals waren eitelsüchtige Vereinspräsidenten, raffgierige fußballspielende Gauner mit besten Kontakten zur zwielichtigen Halbwelt sowie dümmliche Kulissenschieber. Für ein paar Mark warfen sie die Moral des Sports über Bord.

Der Name Robert Hoyzer steht für eine neue Skandal-Dimension, die offenbar am wenigsten der Deutsche Fußball-Bund einzuschätzen vermochte. Anfangs versuchte der DFB den jüngsten Skandal noch als Einzelverfehlung des Schiedsrichters Hoyzer herunterzuspielen. Von Tag zu Tag aber kommen die staatlichen Justizbehörden in Deutschland als Ergebnis zahlreicher Razzien zu der Erkenntnis, dass es sich wahrscheinlich um einen groß angelegten Kriminalfall handelt. Es muss offenbar damit gerechnet werden, dass mafiös eingefädelte betrügerische Wettsysteme im Spiel sind. Aus der Vergangenheit - so im Galopprennsport geschehen - weiß man, dass Wettsysteme oft für die Geldwäsche aus Geschäften weit schlimmerer krimineller Aktivitäten dienen.

Wenn die augenblicklichen Befürchtung bestätigt werden sollte, ist der gesamte showträchtige Höchstleistungssport in allergrößter Gefahr, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. Bislang hat es der Sport weitgehend verstanden, Unregelmäßigkeiten und Verfehlungen in seinen Reihen auf internationaler wie auch auf nationalen Ebenen in Eigenverantwortung seiner Sportgerichtsbarkeit zu ahnden.

Da aber immer größere kriminelle Energien eingesetzt werden, mit denen sportliche Ergebnisse auch zum wirtschaftlichen Schaden von unterlegenen Athleten, von Veranstaltern oder von mit guter Absicht am Wettspiel beteiligenden Sportfans manipuliert werden, drängt sich die Frage nach dem Ende der Selbstreinigungskräfte innerhalb des Sportsystems automatisch auf.

Frankreich hat nach dem großen Dopingskandal bei der Tour de France längst die Konsequenzen gezogen und Dopingverstöße staatlichen Sanktionen unterworfen. Und unter führenden Dopingexperten gibt es bereits viele, die spätestens nach Bekanntwerden der US-amerikanischen BALCO-Affäre sowie der Fluchtposse der beiden Griechen Kenteris und Thanou unmittelbar vor Eröffnung der Olympischen Spiele weniger von Sportbetrug sondern eher von kriminellem Vergehen sprechen. Der Gedanke, dass zwischen Dopingmissbrauch und Wettbetrug eine Brücke zu schlagen ist, kann nicht von der Hand gewiesen werden.

Der Fall Hoyzer ist in Deutschland aufgetreten. Das System aber kann weltweit wirken und zerstören. Dem Sport der Rekorde, der Superlative, der Faszination droht der Kollaps, wenn zunehmend kriminelle Elemente in ihn eindringen. Auch die vielen Dopingfälle und fragwürdigen Schiedsrichter-Entscheidungen in Athen rücken plötzlich ins Zwielicht. Olympia - nur noch Zirkus? Hoffentlich wird der Name Hoyzer nicht auch noch zum Synonym für die Apokalypse des Sports.