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Huang: "Chinas Wirtschaft auf gutem Kurs"

Yuhan Zhu20. Januar 2015

Das Wirtschaftswachstum in China war 2014 so schwach wie seit 24 Jahren nicht mehr. Es lag bei "nur" 7,4 Prozent. Ein gutes Zeichen, sagte der Pekinger Wirtschaftsprofessor Huang Weiping der Deutschen Welle.

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Investoren vor Bildschirmen mit Börseninformationen in Schanghai (Foto: Reuters/Aly Song)
Chinas Wirtschaft wuchs 2014 um 7,4 Prozent, 0,1 Prozentpunkt weniger als erwartetBild: REUTERS/Aly Song

Deutsche Welle: China hat 2014 das offizielle Ziel für das Wirtschaftswachstum verfehlt. Es fehlten 0,1 Prozent. Woran lag das?

Huang: Es ist noch zu früh, um die genauen Ursachen zu kennen. Aber die sind auch zweitrangig. Zum einen ist die Berechnungsgrundlage aufgrund des rasanten Wachstums immer größer geworden. China kann nicht dauerhaft dasselbe hohe Wachstum hervorbringen. Zum zweiten wäre es durchaus möglich gewesen, die Vorgabe der Zentralregierung von 7,5 Prozent zu erfüllen. Man hätte zum Beispiel weiterhin die Investitionen verstärken können. Aber von diesem nicht nachhaltigen Konzept will die Regierung wegkommen, auch im Interesse der ganzen Welt. Wir wollen einen Strukturwandel unserer Volkswirtschaft erreichen, dazu passt nicht die Fixierung auf hohe Wachstumsraten.

Deswegen wird heute in China von der "neuen Normalität" gesprochen. Was bedeutet das?

Der Begriff "neue Normalität" war ursprünglich eine amerikanische Erfindung aus den Krisenjahren 2008/09. Zuerst wurde er von der US-Beratungsgesellschaft Pimco im Asset-Management verwendet. Gemeint waren Verlangsamung des Wachstums, Anstieg der Arbeitslosenquote und hohe Staatsverschuldung. Was Staatspräsident Xi Jinping mit der "neuen Normalität" meint, ist etwas anderes, nämlich: Das Tempo des Wachstums soll in China von "hoch" auf "mäßig hoch" reduziert werden, die Wirtschaftsstruktur, genauer gesagt die Struktur der Nachfrage, soll optimiert werden, und das neue Wachstum soll nicht durch Investitionen generiert werden, sondern durch Innovation.

Vor allem der Abschwung auf dem Immobilienmarkt scheint auf das Wachstum zu drücken. Wie beurteilen Sie die Situation?

Wegen der Schwäche bei der Binnennachfrage und beim Export hatten bisher Investitionen das hohe Wachstum getrieben. Zu den Investitionen gehören auch Immobilienprojekte, die nicht nur als Konsumgut dem Wohnzweck dienen, sondern auch als spekulative Investitionen. In Zukunft werden Investitionen in die Infrastruktur weiterhin Wachstum generieren. Die Überkapazitäten in der Industrie sind allgemein bekannt, und beim Immobilienmarkt ist die Spitze überschritten. Das heißt, auch hier ist mit weniger Wachstum ist zu rechnen. Im Umkehrschluss muss verstärkt in die Sektoren Dienstleistung und Landwirtschaft investiert werden.

"Familienfoto" vom APEC-Gipfel 2014 in Peking (Foto: picture-alliance/dpa/Sergei Ilnitsky)
Auf dem APEC-Gipfel 2014 in Peking sprach Staatspräsident Xi von der "neuen Normalität"Bild: picture-alliance/dpa/Sergei Ilnitsky

Die Herausforderung dabei ist, dass Stimulierung des ersten und des dritten Sektors (Landwirtschaft und Dienstleistungen) den Abschwung auf dem Immobilienmarkt und in der Industrie wettmachen müssen. Jedenfalls ist die Tatsache, dass trotz schwieriger Rahmenbedingungen eine Wachstumsrate von 7,4 Prozent erreicht wurde, ein Grund, stolz zu sein.

Ist Ihrer Meinung nach ein "mäßig hohes" Wachstum für die nächsten Jahre weiterhin möglich?

Das sollte kein großes Problem sein. Wenn wir den Abschlussbericht des 18. Parteitags der KP Chinas von 2012 zitieren, der eine Verdoppelung des Pro-Kopf-Einkommens und des Bruttoinlandsproduktes von 2010 bis 2020 vorsah, reicht rechnerisch eine jährliche Wachstumsrate von 7,2 Prozent. Die Ergebnisse in den letzten Jahren lagen deutlich darüber. Selbst wenn China in den kommenden Jahren keine 7,2 Prozent schafft, können die von der Partei vorgegebenen politischen Ziele dennoch erfüllt werden. Und ich denke, dass eine Wachstumsrate von sieben Prozent unschwer zu erreichen und auch angemessen ist.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt für China nur 6,8 Prozent für 2015 und 6,3 Prozent für 2016 voraus. Was ist Ihre Einschätzung?

Der IWF erstellt jedes Jahr solche Prognosen, die jedes Jahr von den tatsächlichen Ergebnissen abweichen. Mit dem Grundtenor, dass sich das Wachstum verlangsamen wird, bin ich einverstanden. Ob wir wirklich ein Niveau um sechs Prozent haben werden, darüber kann jeder seine Meinung haben. Hundertprozentig sicher wird keiner von uns sein.

Huang Weiping ist Wirtschaftsprofessor an der Renmin-Universität in Peking.