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HRW: Grenzschützer töten äthiopische Migranten

21. August 2023

Trotz Bürgerkrieg steuern afrikanische Migranten den Krisenstaat Jemen an, um von dort nach Saudi-Arabien zu gelangen. Laut Human Rights Watch wurden dabei Hunderte Menschen von saudischen Grenzschützern brutal getötet.

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Human Rights Watch | Logo
Bild: John MacDougall/AFP/Getty Images

Saudi-arabische Grenzschützer haben einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zufolge seit Anfang 2022 an der Grenze zum Jemen hunderte Migranten aus Äthiopien getötet. Der jetzt veröffentlichte Bericht stützt sich auf 38 Zeugeninterviews sowie Satellitenbilder und in Online-Netzwerken veröffentlichte Aufnahmen. Alleine aus den Zeugenaussagen gingen mindestens 28 "Vorfälle mit Schusswaffen" hervor - darunter Angriffe mit Mörsergeschossen.

Die Vorfälle ereigneten sich HRW zufolge zu einem großen Teil nach einer im April 2022 in Kraft getretenen Waffenruhe im jemenitischen Bürgerkrieg, in dem Saudi-Arabien Kriegspartei ist. Offizielle Vertreter Saudi-Arabiens ließen Anfragen der Nachrichtenagentur AFP zu den Vorwürfen bisher unbeantwortet, HRW zufolge antwortete Riad auch nicht auf entsprechende schriftliche Anfragen.

Schwere Vorwürfe gegen saudische Grenzbeamte

Bereits im vergangenen Jahr hatten UN-Experten über "besorgniserregende Vorwürfe" berichtet. Demnach hätten saudi-arabische Sicherheitskräfte an der Grenze zum Jemen in den ersten Monaten des Jahres 2022 etwa 430 Migranten getötet.

Schusswaffengebrauch aus nächster Nähe

In dem HRW-Bericht schildern Überlebende unter anderem von Schusswaffenangriffen aus nächster Nähe, bei denen saudi-arabische Grenzschützer äthiopische Migranten gefragt hätten, in welches Körperteil sie "am liebsten geschossen werden möchten". Aktuelle Untersuchungen von HRW deuten daraufhin, dass die Tötungen weiterhin stattfinden.

Saudi-Arabien | Fußball | Neymar
Mit dem Einkauf von Spitzenfußballern wie Neymar versucht Saudi-Arabien sein Image aufzupolieren Bild: Balkis Press/ABACA/picture alliance

Human-Rights-Forscherin Nadia Hardman erklärte zu dem Bericht, saudi-arabische Sicherheitskräfte töteten "Hunderte von Migranten und Asylsuchenden in diesem abgelegenen Grenzgebiet außerhalb der Sichtweite der übrigen Welt". Auch der Versuch Saudi-Arabiens, sein Image mit dem "milliardenschweren Aufkauf von Golfevents, Fußballclubs und großen Shows" aufzuwerten, dürfe "nicht von diesen schrecklichen Verbrechen ablenken".

Kritik an Außenpolitik der Bundesregierung

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger forderte mit dem Blick auf den Bericht einen Kurswechsel der Bundesregierung gegenüber Saudi-Arabien. "Wer von sich selbst behauptet, feministische Außenpolitik sei wichtig, macht sich unglaubwürdig, wenn man Staaten wie Saudi-Arabien mit Waffen unterstützt, die Menschen barbarisch an ihrer Grenze abschießen", sagte Bünger dem Fachinformationsdienst "Table Media".

Insbesondere die 2020 von der Bundesregierung getroffene Entscheidung, erneut saudi-arabische Grenzpolizisten durch die Bundespolizei ausbilden zu lassen, sei "ein großer Fehler" gewesen. Es müsse nun geklärt werden, "ob etwaig von Deutschland ausgebildete Kräfte an den Massenerschießungen und Menschenrechtsverletzungen beteiligt" gewesen seien. Diese Zusammenarbeit müsse ebenso wie Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien eingestellt werden.

Jemen
Ein Mann in den Trümmern nach einem Luftangriff auf die jemenitische Hauptstadt Sanaa (Archivbild)Bild: Mohammed Huwais/AFP/Getty Images

Baerbock drängt auf Auskunft

Außenministerin Annelena Baerbock hat inzwischen von der Regierung Saudi-Arabiens eine Stellungnahme zu dem Bericht verlangt, nach dem saudische Grenzschutzbeamte Hunderte äthiopische Migranten und Asylsuchende getötet haben sollen. Das Auswärtige Amt habe deutlich gemacht, dass es auch für die Zusammenarbeit sehr wichtig sei, dass es eine Antwort der saudischen Regierung gebe, sagte die Grünen-Politikerin.

Trotz des Bürgerkriegs kommen noch immer Migranten in den Jemen mit dem Ziel, ins benachbarte Saudi-Arabien zu gelangen. Schätzungen zufolge kommen weit mehr als 90 Prozent der Migranten auf der "gefährlichen Ostroute" - vom Horn von Afrika über den Golf von Aden durch den Jemen nach Saudi-Arabien - aus Äthiopien. Die Route wird HRW zufolge auch von Migranten aus Somalia, Eritrea und gelegentlich aus anderen ostafrikanischen Ländern genutzt.

In den vergangenen Jahren ist der Anteil der Frauen und Mädchen, die auf der Ostroute migrieren, gestiegen. Im Jemen herrscht seit Ende 2014 ein verheerender Konflikt zwischen der Regierung, den Huthi-Rebellen und deren Verbündeten. Saudi-Arabien kämpft im Jemen gegen die vom Iran unterstützten Huthis, die das Land 2014 überrannten und die weite Teile im Norden beherrschen. Die Vereinten Nationen betrachten den Konflikt im Jemen als eine humanitäre Katastrophe, die das Land an den Rand einer Hungersnot gebracht hat.

bri/as (afp, dpa)