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Göttlicher Humor

Marc von Lüpke-Schwarz14. Juli 2013

Der Glaube ist für viele Menschen eine ernste Angelegenheit. Doch darf man über Religion auch Witze machen? Man darf, sagt der Hamburger Theologe Hinrich Westphal.

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Eine Gruppe Nonnen in Madrid Foto: AFP
Bild: Christophe Simon/AFP/Getty Images

Kennen Sie den folgenden Witz? "Zwei katholische Priester unterhalten sich: Ob wir es noch erleben, dass der Zölibat aufgehoben wird? Wir nicht, aber unsere Kinder!" Einige Menschen werden bei diesem Witz herzhaft lachen, andere sich vielleicht fragen: Darf man sich über Religion lustig machen?

Ja, sagt der Hamburger Theologe und Journalist Hinrich C. G. Westphal in seinem Buch "Heiter bis heilig", in dem er viele der besten religiösen Witze gesammelt hat. "Der christliche Pfarrer muss fröhlich sein", zitiert Westphal den englischen Baptistenpastor Charles Haddon Spurgeon, einen der bekanntesten Prediger des 19. Jahrhunderts. Humor und Witze machen das Leben leichter und bieten den Menschen die Möglichkeit, auch das Abstrakte oder gar das etwas Unheimliche einer Religion fassbar zu machen. Ganz besonders den Tod, wie Westphal mit einem Beispiel illustriert: "Pfarrer Weigelt erschrickt, als er in der Zeitung seine eigene Todesanzeige entdeckt. Er ruft den Bischof an und macht ihn darauf aufmerksam. Der zeigt sich geschockt: Lieber Bruder, um Himmels Willen, sagen Sie mir: Von wo rufen Sie nur an?"

Lachen in der Bibel

Kein Mensch weiß allerdings, ob die biblische Gestalt Jesus Christus jemals gelacht hat. Das Neue Testament schweigt sich hierüber aus. Jesus zeigt immer wieder Gefühle wie Trauer und Freude, aber ein Lachen ist nicht überliefert. Wer Fundstellen zum Lachen und Humor im "Buch der Bücher" sucht, wird im Alten Testament fündig. Hier ist es zum Beispiel Sara, die Frau des Stammvaters Abraham. Die lacht spontan los, als ihr verkündet wird, dass sie im hohen Alter von rund 90 Jahren noch ein Kind gebären werde - auch wenn sie das später leugnet.

Porträt von Hinrich C.G. Westphal (Foto: Ralf Tibusek / Brunnen Verlag ÜBER Marc von Lüpke)
Hinrich C.G. WestphalBild: Brunnen Verlag

Insgesamt betrachtet ist die Bibel ein Buch, das die Geschichte Gottes mit den Menschen erzählt. Dass der Humor dabei keinen besonderen Stellenwert bekommt, liegt nahe. Allerdings kann die Phantasie des Lesers an zahlreichen Stellen zumindest Situationskomik erahnen. Man stelle sich das verdutzte Gesicht des Propheten Bileam vor, als die Eselin, auf der er reitet, plötzlich zu sprechen beginnt.

Lachen in den Kirchen

Witz und Humor waren lange Zeit verpönt in den Kirchen, obwohl der Witz von der Kanzel in gewisser Weise Tradition hat. "Der christliche Humor ist Ostern zuhause", sagt Hinrich Westphal. Das "Osterlachen" war eine feste Institution in der mittelalterlichen Welt. Wenn im Ostergottesdienst der Ruf erschallte "Der Herr ist auferstanden!", lachte die Gemeinde los. Der Grund: Die Auferstehung Jesu wurde mit Erleichterung und grenzenloser Freude begrüßt.

Gleichzeitig spiegelte sich im "Osterlachen" aber auch Schadenfreude. Tod und Teufel waren durch die Auferstehung überwunden – und die Gemeinde lachte sie kräftig aus. "Es ist das Lachen der Welt über den besiegten Tod", meint Hinrich Westphal. Die Pfarrer des Mittelalters erzählten ihrer Gemeinde in der Osterpredigt Witze und lustige Anekdoten, bis sich die Gläubigen vor Lachen bogen. Im Laufe der Zeit übertrieb es allerdings so mancher Gottesmann. Als die Witze immer zotiger wurden, wurde das "Osterlachen" von übergeordneten Stellen nicht mehr geduldet. Das Lachen in den Kirchen verstummte zwar nicht allerorten, wurde aber sehr viel seltener.

Päpstlicher Humor

"Möge Gott Euch vergeben für das, was Ihr getan habt!" Der frisch gewählte Papst Franziskus weiß anscheinend, wie man die nervöse Anspannung nach einer Papstwahl löst. Diese Worte soll er nach seiner Wahl im März 2013 zu den Kardinälen gesagt haben - womit er anscheinend herzliche Lacher erntete. Die katholische Glaubenspraxis wird in vielen religiösen Witzen, nicht nur bezüglich des Zölibats, aufs Korn genommen. Auch die Marienverehrung war und ist für manche Heiterkeit gut: "An einem Wallfahrtsort rennt ein junger Mann aufgeregt durch die Menge. 'Jetzt kann ich laufen!', ruft er lautstark. Eine Nonne spricht ihn erwartungsvoll an: Hat die Madonna auch an dir ein Wunder geschehen lassen? Nee, mir hat man das Fahrrad geklaut!"

Papst Franziskus in Rom (Foto: AFP/Getty Images)
Franziskus - ein Papst mit HumorBild: Getty Images

Aber Protestanten werden nicht weniger auf die Schippe genommen: "Im evangelischen Kindergarten fragt eine Erzieherin: Liebe Kinder, es ist braun, hat einen langen, buschigen Schwanz und springt munter von Ast zu Ast. Was mag das wohl sein? Ein kleiner Berliner Junge meldet sich: Normal müsste det'n Eichhörnchen sein, aber wie ick den Laden hier kenne, ist det sicher wieda det liebe Jesulein." Womit humorvoll zum Ausdruck kommt, dass in manchen kirchlichen Institutionen vielleicht etwas übertrieben wird in der Art und Weise christlicher Verkündung.

Sich selbst einen Spiegel vorhalten

Hinrich Westphal möchte mit seinem Buch auch gegen das Vorurteil antreten, "Gottes Bodenpersonal" , also Pfarrerinnen und Pfarrer, sei ein durchweg humorloser Haufen. "Ich erlebe es jetzt häufiger, dass mich Kollegen und Kolleginnen anrufen, ob ich nicht einen guten Witz auf Lager habe." Damit sollen anschließend die Predigten und Ansprachen gewürzt und damit aufgelockert werden. Was aber macht den Humor so wichtig für die Religion? "Christen neigen bisweilen dazu, moralisch oder gesetzlich zu werden", meint Hinrich Westphal. Ein guter Witz, der den Menschen einen Spiegel vorhält und zurück auf den Boden der Tatsachen holt, sei da das beste Gegenmittel, weiß er aus eigener praktischer Erfahrung.

Buchcover Hinrich C.G. Westphal "Heiter bis heilig" (Foto: Ralf Tibusek / Brunnen Verlag ÜBER Marc von Lüpke)

Lachen ist göttlich

Religiöse Witze sollen dabei keineswegs die Gefühle von Gläubigen verletzen. Hinrich Westphal zitiert den Theologen Helmut Thielecke: "Der Christ macht sich nur über das Vorletzte lustig, während das Letzte ihm unantastbar und heilig bleibt." Und auch die beliebte Romanfigur "Pater Brown" des englischen Schriftstellers G.K. Chesterton kommt bei Westphal als Beleg für die Humorfähigkeit der Religion zu Wort: "Humor ist nichts anderes als eine Erscheinungsform der Religion - nur wer über den Dingen steht, kann sie belächeln." Und in diesem Sinne ist Lachen etwas zutiefst Göttliches, auch und gerade, wenn man sich über Religion amüsiert.

Zum Weiterlesen:
Hinrich C. G. Westphal: Heiter bis heilig, Brunnen Verlag, Gießen 2013, 80 Seiten