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"Ich bin ich"

18. Januar 2010

Über Nacht wurde aus der Studentin Agnieszka Malczak eine Bundestagsabgeordnete der GRÜNEN. Kein Grund sich zu verstellen: die 24-Jährige bleibt sich selbst treu – ob auf Studentenpartys oder im Bundestag.

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Agnieszka Malczak, Abgeordnete im Bundestag Bündnis 90 / Die Grünen (Pressefoto)
Agnieszka Malczak, Studentin und BundestagabgeordneteBild: Luca Siermann

Das Café Chagall, einige Meter vom Hauptgebäude der Berliner Humboldt-Universität entfernt, ist gut gefüllt. Es ist acht Uhr abends, Kerzen tauchen das gewölbeartige Café in ein angenehmes Licht. An den Holztischen sitzen Studierende und trinken Bier. Agnieszka Malczak hingegen hat sich ein Ginger Ale bestellt. Ihr Arbeitstag ist noch nicht vorbei, gleich wartet noch eine weitere Sitzung auf sie.

"Die Zeit des Ausschlafens ist jetzt definitiv vorbei", sagt die 24-Jährige ohne eine Spur von Selbstmitleid. "Der größte Unterschied zum Studium ist sicherlich, dass ich jetzt einfach unendlich viele Termine habe, die auch noch unglaublich dicht aufeinander getaktet sind." Einfach einmal einen Tag zu Hause bleiben, ist da nicht drin. "Manchmal habe ich mir die ein oder andere Vorlesung gespart und den Stoff dann zu Hause nachgeholt. Aber im Bundestag ist absolute Anwesenheitspflicht."

Traumjob Bundestagsabgeordnete

Äußerlich ist ihr der neue Job als Bundestagsabgeordnete nicht anzusehen. Agnieszka Malczak hat lange, rot-wellige Haare, trägt einen Rock und Stiefel mit flachen Absätzen. Unter den studierenden Cafébesuchern fällt sie nicht weiter auf. Wohl kaum jemand ahnt, dass er oder sie neben einer Bundestagsabgeordneten sitzt. Schließlich ist sie ja auch noch eine von ihnen: Seit 2004 studiert sie Politikwissenschaft, Philosophie und Öffentliches Recht auf Magister in Tübingen.

Agnieszka Malczak Abgeordnete im Bundestag(Foto: Bundestagsfraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN)
Rote Haare, Lippenpiercing: Agnieszka Malczak entspricht nicht gerade dem Klischee einer Politikerin.Bild: BTF Grüne

Zeitgleich mit Studienbeginn ist die gebürtige Polin aber auch aktives Mitglied der GRÜNEN geworden. Natürlich war es immer ihr Traum, irgendwann einmal Bundestagsabgeordnete zu werden, um so auf höchster politischer Ebene für ihre Überzeugungen zu kämpfen. Dass er mit der letzten Wahl so schnell in Erfüllung gegangen ist, hat sie sehr überrascht. Um drei Prozent hatten die GRÜNEN in ihrem Wahlkreis Ravensburg zugelegt und damit Agnieszka Malczak als Repräsentantin nach Berlin gewählt.

Alles eine Frage der Organisation

Auch wenn sich ihre Tagesabläufe jetzt stark geändert haben, die politische Arbeit hat die Studentin schon von Anfang an begleitet. "Zeitgleich mit meinem Studium bin ich immer schon politisch aktiv gewesen. Ich habe mir einmal ausgerechnet, dass ich wöchentlich locker auf 30-40 Stunden gekommen bin, die ich in die Politik investiert habe."

Das typische Studentenleben hätte sie aber nicht verpasst, betont Malczak. "Alles eine Frage der Organisation", lächelt sie. Mit den unterschiedlichen Lebens- und Arbeitswelten als Studentin und Bundestagsabgeordnete hat sie kein Problem. "Natürlich sind die Leute anders, die einem begegnen", gibt sie zu. Aber sie fühle sich in keiner Weise schizophren. Sie habe eher das Gefühl, immer ein und dieselbe zu sein, "egal ob ich mit meinen Freunden vom Studium unterwegs bin oder mit den Fraktionskollegen."

Allein in der Wohnung

Myfest in Berlin-Kreuzberg (Foto: dpa)
Die Abgeordnete lebt im multikulturellen Kreuzberg.Bild: dpa

Dazu gehört sicherlich auch, dass sie sich bewusst für eine Abgeordneten-Wohnung im multikulturellen Stadtteil Kreuzberg und nicht etwa im Regierungsviertel entschieden hat. Dennoch ist ihre Wohnsituation nun eine ganz andere als während ihrer Studienjahre in Tübingen. "Dort habe ich in einer Wohngemeinschaft mit acht anderen Studenten gelebt", erzählt sie. "Das war leicht alternativ, aber mit einem sehr großen Zusammengehörigkeitsgefühl."

Es sei nicht leicht für sie gewesen, dort auszuziehen, bekennt Malczak. Den Unterschied bemerkt sie besonders deutlich, wenn ihr Freund, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter auch für die GRÜNEN im Bundestag arbeitet, auf Dienstreise ist. "Das ist ein merkwürdiges Gefühl. Plötzlich sitze ich ganz allein in der Wohnung. Daran muss ich mich erst einmal gewöhnen."

Erst die Politik, dann das Studium

Und natürlich auch an ihr Doppelleben als Abgeordnete und Studierende. Zum Glück, sagt sie, hat sie bereits alle Seminare und Vorlesungen hinter sich, so dass sie sich erst einmal voll auf ihre neue Herausforderung konzentrieren kann. In der Sommerpause des Bundestages will sie sich dann "in der Bibliothek einschließen" und ihre Abschlussarbeit schreiben.

In einem Punkt jedoch ist aus ihrem Doppelleben bereits schon ein Leben geworden: Während des Studiums hat sich Agnieszka Malczak viel mit Friedens- und Konfliktforschung beschäftigt. Und als Bundestagsabgeordnete ernannten sie die GRÜNEN zur Sprecherin für Abrüstungspolitik.

Autorin: Nadine Wojcik

Redaktion: Sabine Damaschke