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IEA: Die Zukunft wird elektrisch

14. November 2017

Wie entwickelt sich der Energiehunger der Welt, wie wird er in Zukunft gestillt und wie lässt sich dabei noch der Klimawandel begrenzen? Antworten gibt der Ausblick der Internationalen Energieagentur IEA.

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Symbolbild Erneuerbare Energien mehr Investitionen nötig
Bild: picture-alliance/dpa

Im aktuellen World Energie Outlook der Internationalen Energieagentur (IEA) geht es noch stärker als früher um die Frage, wie die Weltgemeinschaft ihre vielfältigen Herausforderungen meistern kann: den Klimawandel, die Luftverschmutzung und die  mangelhafte Energieversorgung in Entwicklungsländern.

Auf den ersten Blick scheinen diese Ziele nicht gleichzeitig realisierbar zu sein, denn je mehr einst arme Länder aufholen und ihren Energieverbrauch erhöhen, desto stärker scheinen Klimaziele und Umweltschutz gefährdet.

Nach Berechnungen der IEA wächst der Energiehunger der Welt - langsamer zwar als früher, aber doch kräftig. Im Jahr 2040 wird der globale Energieverbrauch um fast 30 Prozent größer sein als heute.

Ein zusätzliches Indien plus China

Das ist so, als müsste "ein zusätzliches Indien und ein zusätzliches China" mit Energie versorgt werden, heißt es im Bericht. Verbesserungen durch effizienteren Energieverbrauch sind dabei schon eingerechnet; ohne sie würde sich die globale Nachfrage sogar um 60 Prozent erhöhen.

Den größten Anteil an der zusätzlichen Energienachfrage hat nicht China, sondern Indien. Hier wird sich der Verbrauch mehr als verdoppeln.

In China legt die Nachfrage weniger drastisch zu, um rund 20 Prozent. Das liegt laut Bericht an der inzwischen weniger stark wachsenden Wirtschaft sowie der "Energierevolution" und dem "Kampf gegen die Luftverschmutzung", die Präsident Xi Jinping ausgerufenen hat.

Chinas Führung will die Wirtschaft des Landes grundlegend umgestalten und den Dienstleistungssektor aufwerten. Trotzdem werden Chinesen im Jahr 2040 pro Kopf mehr Energie verbrauchen als Bürger der Europäischen Union, so der Bericht.

Immerhin drei Regionen schaffen es, ihren zukünftigen Energieverbrauch gegenüber heute zu reduzieren: Europa, die USA und Japan.

Infografik zusätzlicher Energieverbrauch nach Regionen

Um den Energiehunger der Welt im Jahr 2040 zu stillen, werden laut IEA-Ausblick sämtliche Energiearten zulegen. Besonders stark wachsen erneuerbare Energien wie Wasserkraft, Biogas, Wind- und Solarkraft; sie decken rund 40 Prozent der zusätzlichen Nachfrage ab.

In den 2020er Jahren werden sie Kohle als Hauptquelle für die Stromerzeugung ablösen. "Gemessen an der installierten Kapazität wird Solarkraft das, was die Kohle in der Vergangenheit war", sagte Laura Cozzi, die bei der IEA den Energieausblick mitverantwortete. "Das wird eine große Revolution."

Trotzdem steigt der Kohle-Verbrauch, wenn auch nur leicht. Das liegt an gegensätzlichen Trends. In Europa bricht die Nachfrage ein (- 61 Prozent), auch in China (-13 Prozent) und den USA (-11 Prozent) ist sie rückläufig. Doch sie steigt in vielen Entwicklungsländern - allen voran in Indien, das 2040 mehr als doppelt so viel Kohle verbrauchen wird wie heute.

Dass es nicht noch mehr wird, ist den erneuerbaren Energien zu verdanken, sagt Cozzi. "Solarenergie und andere Eneuerbare werden in vielen Ländern zur günstigsten Art, Strom zu produzieren."

USA - Platzhirsch bei Öl- und Gas

Die Öl-Nachfrage wird bis 2040 um rund zehn Prozent steigen. Viel stärker aber - um 45 Prozent - zieht der Verbrauch von Erdgas an. Gas ist weniger umweltschädlich als Öl und lässt sich auch einsetzen, um Schwankungen in der Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen auszugleichen.

Bei den Erzeugerländern zeichnet sich eine grundlegende Verschiebung ab. "Die USA entwickeln sich zum unumstrittenen Führer bei der Öl- und Gasproduktion", sagt Cozzi. Das liegt vor allem am Fracking, jener aus Umweltschutzgründen umstrittenen, aber günstigen Methode, Öl und Gas auch aus zuvor unzugänglichen Gesteinsschichten zu fördern.

Dadurch gelingt es den USA, "ihre gesamte Öl- und Gasproduktion auf ein Niveau zu heben, dass 50 Prozent höher liegt als alles, was andere Länder je erreicht haben", heißt es im Bericht. Schon heute exportieren die USA Schiefergas, Mitte der 2020er Jahre werden sie laut Bericht wohl der weltgrößte Exporteur von Flüssiggas (LNG) werden. Dadurch entstehe "eine neue Gas-Ordnung" - weg von der traditionellen, starren Versorgung über Pipelines, hin zur flexiblen und globalen Lieferung per Schiff.

Erstmals nachhaltig

Das Haupt-Szenario der IEA, aus dem all diese Werte hervorgehen, berücksichtigt bestehende nationale Gesetze, aber auch angekündigte Ziele der Politik. Allerdings machen die Forscher deutlich, dass die hier skizzierten Entwicklungen nicht ausreichen, um das 2015 in Paris vereinbarte Klimaziel der Vereinten Nationen zu erreichen.

Daher haben sie für ihren diesjährigen Energieausblick erstmals ein "nachhaltiges Szenario" (Sustainable Development Scenario) entwickelt, in dem der Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzt, die Luftverschmutzung reduziert und die Energieversorgung auch in Entwicklungsländern sichergestellt wird.

Im nachhaltigen Szenario legen die erneuerbaren Energien stärker zu und haben im Jahr 2040 einen größeren Anteil am globalen Energiemix (rund 30 statt 20 Prozent). Dagegen würde sich der Anteil der Kohle mehr als halbieren, der des Öls ebenfalls deutlich sinken.

Infografik globaler Energiemix zwei Szenarien

Das liegt auch an den Annahmen über die Entwicklung der Elektromobilität. Die IEA geht davon aus, dass sich die Zahl der Autos auf der Welt bis 2040 auf zwei Milliarden verdoppelt. Im nachhaltigen Szenario werden davon 875 Millionen Autos elektrisch angetrieben - dreimal mehr als im Hauptszenario. Derzeit fahren laut Bericht erst zwei Millionen Elektroautos auf der Welt.

Nicht viel teurer

Für die IEA-Forscher steht fest, dass die Zukunft elektrisch wird - wegen des Verkehrs, wegen der steigenden Zahl an Smartphones, Klimaanlangen und anderen Geräten, aber auch wegen der Möglichkeit, entlegene Gebiete in Entwicklungsländern mit Strom zu versorgen, wie es die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen festlegen.

Angesichts der Vorteile des nachhaltigen Szenarios ist es erstaunlich, dass es gar nicht so viel teurer ist. "Die dafür nötigen Investitionen wären 15 Prozent höher als in unserem Hauptszenario", sagt Tim Gould, der den Energieausblick der IEA mitverantwortet. "Die entscheidende Botschaft ist: Die Weltgemeinschaft muss sich nicht zwischen Klimaschutz, Energiezugang für alle und Luftqualität entscheiden. Mit dem richtigen Ansatz können diese drei Ziele gemeinsam erreicht werden."

Allerdings scheinen die IEA-Forscher davon auszugehen, dass dies ohne Atomkraft nicht zu schaffen ist. Im nachhaltigen Szenario verdoppelt sich der Anteil der Atomenergie am globalen Energiemix bis 2040, während er im Hauptszenario nur wenig steigt.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.