1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Inneffiziente Kraftwerke müssen weg"

Richard A. Fuchs, Berlin 19. Juni 2015

Die Internationale Energieagentur macht vor dem Klimagipfel in Paris Druck: Die Emissionsziele reichen nicht, um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Was zu tun ist, das beschreibt ein Sonderbericht.

https://p.dw.com/p/1Fjg0
Kohlekraftwerk in Asien (Foto: REUTERS/Kim Kyung-Hoon)
Ein Kohlekraftwerk in AsienBild: Reuters/K. Kyung-Hoon

Es wird ernst. Diese Botschaft hatte Fatih Birol im Gepäck, als er in Berlin einen Sonderbericht des World Energy Outlooks zum Klimaschutz vorlegte. Der Chefökonom der Internationalen Energieagentur (IEA), der schon bald ihr Exekutivdirektor sein wird, ließ keinen Zweifel daran, dass es bei den Verhandlungen zum Weltklimavertrag in Paris im Dezember vor allem auf den Energiesektor ankommen wird. "Mehr als zwei Drittel aller weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus der Energiewirtschaft.", so Birol. Ein Weltklimavertrag, der das nicht berücksichtige, müsse scheitern.

Rückenwind für erfolgreiche Klimaverhandlungen

Doch die Voraussetzungen seien so gut wie noch nie, um in sechs Monaten in Paris tatsächlich zu einem verbindlichen Vertrag zu kommen. Und die Euphorie des Chefökonoms der Internationalen Energieagentur (IEA) hat Gründe: "Zum ersten Mal sehe ich", sagte Birol, "dass sowohl Industrie- wie auch Schwellenländer verbindliche Zusagen für Emissionsminderungsziele machen." Darunter Äthiopien, Gabun und Marokko, aber auch die USA, Russland, Mexiko, Kanada oder die Länder der Europäischen Union. Addiere man alle bisher gemachten Zusagen zusammen, so Birol, dann decke das bereits zwei Drittel aller weltweiten Treibhausgasemissionen ab.

Ein Hoffnungsschimmer für die Kummer-gewöhnte Klimaschutzbewegung, findet Birol: "Werden die Zusagen eingehalten, dann hätte das einen radikalen Umbau der Energiewirtschaft zur Folge." Wie dieser Umbau aussehen dürfte, das hat Birol ebenfalls bereits vor Augen: 60 Prozent aller Investitionen in neue Kraftwerke würden demnach in den nächsten fünfzehn Jahren in erneuerbare Energien fließen. Nur noch 40 Prozent in Kohle-, Öl-, Gas- oder Atomkraftwerke. Der Rohölverbrauch müsse zurückgehen, weil dann auch Autos und Trucks deutlich sparsamer sein müssten.

Der Chefökonom der IEA Fatih Birol (Foto:Hadi Mizban/AP/dapd)
Der Chefökonom der IEA mahnt zur Eile: Fatih BirolBild: AP

Und insbesondere der Kohle prophezeit der künftige IEA-Chef, beinahe in der Manier eines Umweltschützers, keine rosige Zukunft. "Der Kohleverbrauch in den OECD-Ländern, in den USA, Japan und Europa, wird um fast die Hälfte zurückgehen, und selbst in Indien und China soll er dann stagnieren." Logische Konsequenz: "Wenn Energieunternehmen annehmen, dass die weltweite Klimapolitik ihr Geschäftsmodell nicht verändern würde, dann irren sie sich gewaltig", glaubt Birol.

IEA legt Aktionsplan vor

Rainer Baake, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, wies darauf hin, dass trotz aller bisher gemachten Zusagen die weltweiten Klimaschutzziele noch immer verfehlt würden. "Selbst wenn alle Zusagen vollständig umgesetzt werden, würde dies nach den Berechnungen von Herrn Birol und seinem Team die Erderwärmung langfristig allenfalls auf 3,5 Grad begrenzen", so Baake. Die IEA stellte deshalb ein Bündel von Maßnahmen vor, wie das weltweite Wirtschaftswachstum bis 2020 wirksam vom Weltklima entkoppelt werden könne.

G7-Runde am Tisch in Elmau (Foto: REUTERS/Michaela Rehle)
Konsens beim G7-Gipfel: Eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft ist notwendig, um die Erderwärmung zu bremsen.Bild: Reuters/M. Rehle

Das erfordert einige Kreativität - hat sich der jährliche Ausstoß von CO2 gegenüber dem Jahr 1965 doch beinahe verdreifacht. Und erst im vergangenen Jahr verharrten die weltweiten CO2-Emissionen zum ersten Mal seit 40 Jahren auf gleichem Niveau - ohne das abzusehen ist, ob dies bereits eine Trendwende bedeutet.

Um eine solche Trendwende einzuläuten, raten die Energieexperten der IEA zu mutigen Schritten. Insbesondere wenig effiziente Kohlekraftwerke in weiten Teilen Asiens gelte es, möglichst schnell aus dem Verkehr zu ziehen. Jeden Tag gingen dort neue Kohlekraftwerke ans Netz, die weniger als 35 Prozent der Energie der verbrannten Kohle in Strom verwandelten - also höchst ineffizient seien. "Wenn man die Effizienz dieser Kraftwerke nur um zwei Prozent steigern könnte, dann würden dadurch ebenso viel Treibhausgasemissionen eingespart, wie die Europäische Union als Ganzes sich vorgenommen hat, bis 2030 weniger auszustoßen", so Birol.

Weiterhin gelte es, so die Energieexperten, die globalen Investitionen in erneuerbare Energien im Kraftwerkssektor von heute rund 270 Milliarden Dollar bis 2030 zu verdoppeln. Besonders kritisch sieht der von 29 Industriestaaten getragene Pariser Think Tank, dass es in vielen Industrienationen noch immer versteckte Subventionen für fossile Brennstoffe gäbe - mehr als 500 Billion Dollar insgesamt. "Diese Subventionen müssen ein Ende haben", sagte Birol. Und eine weitere kurzfristige Maßnahme, um viel CO2 einzusparen, sieht die IEA bei der Vermeidung von Methan, das beim Abbau von Öl- und Gasvorkommen entweicht. Bislang gelten hierbei in vielen Ländern laxe Regeln. "Bereits ein Prozent mehr Investitionen in diesem Bereich könnte dies verhindern", so Birol.

Wirtschaftswachstum und Treibhausgasausstoß entkoppeln

Der deutsche Klimaökonom und Mitglied des Weltklimarates IPCC, Professor Ottmar Edenhofer, begrüßte Birols Aktionsplan. Insbesondere sein flammendes Bekenntnis für einen Teilausstieg aus der Kohleverstromung sieht er als besonders wichtig an. Nur mit einem ambitionierten Weltklimavertrag könne die derzeit beobachtbare Renaissance der Kohle gebremst werden, ist sich Edenhofer sicher. Und nur mit weniger Kohle sei es möglich, die weltweiten Emissionen - wie vom Weltklimarat gefordert - bis 2050 um bis zu 70 Prozent gegenüber 2010 zu senken. CO2 brauche deshalb einen Preis, so Edenhofer.

Klimaökonom Ottmar Edenhofer (Foto: DW/I. Quaile)
Ottmar Edenhofer will einen Minium-Preis für CO2Bild: DW/I. Quaile

Und geht es nach ihm ganz persönlich, dann müsste das klimaschädliche Treibhausgas in den Verhandlungen in Paris erstmals einen Minimum-Preis bekommen. Das könnte ein starkes Signal an Investoren sein, so Edenhofer, dass die internationale Klimaschutzpolitik unumkehrbar sei.