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Ifo-Index: Aufschwung mit gebremsten Tempo

26. April 2021

Trotz drittem Lockdown ist die Stimmung in der Wirtschaft etwas besser geworden. Dabei machen Engpässe in der Lieferkette den Unternehmen zu schaffen. Gibt es eine Trendwende?

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Deutschland | Containerbrücke im Hamburger Hafen
Bild: Daniel Reinhardt/dpa/picture alliance

Die dritte Corona-Welle ist im vollen Gange, trotzdem hellt sich die Stimmung der Firmen in Deutschland leicht auf. Der Ifo-Geschäftsklimaindex kletterte zwar auf den höchsten Wert seit Juni 2019, das minimale Plus um 0,2 auf 96,8 Punkte fiel allerdings überraschend gering aus, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut am Montag zu seiner Umfrage unter 9000 Managern mitteilte. Es ist zudem der dritte Anstieg in Folge - was unter Fachleuten als konjunkturelle Trendwende gilt.

Einige Ökonomen hatten jedoch sogar mit 97,8 Punkten gerechnet. "Die dritte Infektionswelle und Engpässe bei Vorprodukten dämpfen die Erholung der deutschen Wirtschaft", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Manager beurteilten ihre Lage günstiger als zuletzt, blickten aber skeptischer auf die Geschäftsaussichten für die kommenden sechs Monate.

Engpässe in der Lieferkette schmerzen

Die Auftragslage der Industrie hat sich weiter verbessert, ebenso die Kapazitätsauslastung. "Die Industrie brummt", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. "Ihre Exporterwartungen sind weiter gestiegen, sie will auch mehr Leute einstellen." Der exportabhängige Sektor profitiert vom anziehenden Welthandel, wobei vor allem die Weichen in den beiden weltgrößten Volkswirtschaften USA und China auf Aufschwung stehen. Beide Länder sind auch die wichtigsten Abnehmer von Waren Made in Germany.

Allerdings erhielten die optimistischen Erwartungen einen Dämpfer. Massive Lieferkettenprobleme machen den Unternehmen im April zu schaffen. "45 Prozent der Industriefirmen klagen über Probleme - so viele wie nie zuvor." Engpässe gebe es etwa bei Halbleitern, aber auch mit vielen anderen Produkten und Vorprodukten. "Da ist Sand im Getriebe bei der Beschaffung, und zwar über fast alle Branchen hinweg," sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe Der Aufschwung gehe weiter, aber mit gebremstem Tempo.

Im Verarbeitenden Gewerbe verbesserte sich das Geschäftsklima dennoch auf den höchsten Wert seit Mai 2018. Die Kapazitätsauslastung konnte deutlich auf 86,2 Prozent zulegen und liegt damit erstmals seit knapp zwei Jahren wieder über dem langfristigen Durchschnitt.

Deutschland Leipzig | Autoindustrie & Corona | Porsche
Die Autoindustrie bekommt Engpässe bei Halbleitern und Mikrochips schmerzlich zu spürenBild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Margen werden kleiner

"Trotz guter Stimmung wird die Wirtschaft wohl weiter durchhängen, auch wegen Problemen bei den Lieferketten", sagte der Chefökonom vom Bankhaus Lampe, Alexander Krüger. "Entscheidend für den Konjunkturausblick bleiben rasche globale Impferfolge."

"Der Aufholprozess gerät etwas ins Stocken", urteilt Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. "Wahrscheinlich hat das mit der unsicheren Fortentwicklung der Pandemie zu tun und der Antwort der Politik darauf - Stichwort Osterruhe. So etwas wirkt nach, zumal auf die Erwartungen", glaubt Niklasch. Der Mangel an Mikrochips, unter dem Teile der Industrie leiden würden, zeige sich in immer mehr nicht abgearbeiteten Aufträgen. "Wir stecken also noch ein wenig im Morast fest. Nach wie vor erwarten wir jedoch, dass die Konjunktur mit dem Fortschritt der Impfungen vorankommt, insbesondere ab dem zweiten Halbjahr."

Die Liefer- und Transportengpässe würden nicht nur die Produktion behindern, sondern auch zu geringeren Gewinnmargen führen, sagt Andresas Scheuerle von der Deka Bank. "Laut der Umfrage bei den Einkaufsmanagern steigen derzeit die Einkaufspreise für Vorprodukte und Rohstoffe schneller an als die Verkaufspreise."

Dienstleister weniger optimistisch

Auch wenn gerade die Dienstleister oft unter den Corona-Beschränkungen leiden, einige profitieren aber auch von der Belebung im Verarbeitenden Gewerbe. "Die Logistik läuft im Schatten der Industrie sehr gut", sagte Wohlrabe. "Klassische Bereiche wie Gaststätten und Touristik leiden aber nach wie vor unter Corona-Beschränkungen." Im Handel zog das Geschäftsklima leicht an - nicht zuletzt wegen der besseren Lage etwa bei Autohändlern.

So trübte sich im Dienstleistungssektor die Stimmung wieder etwas ein. Die Firmen waren weniger zufrieden mit ihrer aktuellen Lage. "Auch der zuletzt aufkeimende Optimismus ist wieder verschwunden."

Deutschland - Geschlossen - Corona
Wegen des neue Infektionsschutzgesetzes des Bundes müssen regionale Öffnungsversuche wie in der Stadt Tübingen beendet werdenBild: Foerster/Eibner-Pressefoto/picture alliance

Mit Blick auf die kommenden Monate habe der Pessimismus wieder merklich zugenommen. Dabei gebe es auch Lichtblicke, wie Thomas Gitzel von der VP Bank sagt. Der Dienstleistungssektor könne auf Besserung hoffen, meint er. "Schon der heutige Impfgimpel könnte hierfür konkrete Anhaltspunkte geben. Kommt es zu Lockerungen für Geimpfte, könnte der gesamte Veranstaltungsbereich und das Hotel- und Gaststättengewerbe davon profitieren. Es ist also davon auszugehen, dass in den kommenden Monaten auch die Dienstleister in deutlich bessere Laune kommen."

Ökonomen trauen der deutschen Wirtschaft nach einem Corona-bedingten Rückgang zum Jahresauftakt 2021 für das laufende zweite Quartal spürbares Wachstum zu. Für das Gesamtjahr rechnen die führenden Forschungsinstitute mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 3,7 Prozent.

iw/hb (rtrs, dpa, afp)