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Im Atomstreit mit Iran ist Mäßigung nötig

Peter Philipp11. August 2005

Die diplomatischen Bemühungen im Atomstreit mit Iran laufen wieder auf Hochtouren. Doch es fehlt an Beweisen, dass Iran tatsächlich nach Atomwaffen strebt, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

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Peter Philipp

Nicht die Gouverneure der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) in Wien geben mit ihrer Unschlüssigkeit gegenüber Iran ein Bild der Schwäche ab, sondern eher die drei europäischen Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die den Fall auf die Tagesordnung gesetzt haben: Nichts haben sie bisher auf den Tisch legen können um zu beweisen, dass die in Jerusalem und Washington verbreitete Behauptung zutrifft und Iran tatsächlich nach Atomwaffen strebt.

"Tatsächlich" - das würde handfeste Beweise voraussetzen und nicht unbelegbare Aussagen vermutlich dubioser iranischer Exilpolitiker. Solche Beweise aber gibt es nicht und kann es vielleicht auch nicht geben. Vermutungen und Mutmaßungen, wie sie in politischen Kreisen immer häufiger politische Entscheidungen bestimmen, reichen der IAEA aber nicht aus. Für die Atom-Inspektoren zählen nur Fakten - messbar, dokumentiert und über jeden Zweifel erhaben. Im Fall des Irak könnten sie sich gegen das Weiße Haus nicht durchsetzen, im Fall Irans scheinen die Wiener UN-Beamten bisher mehr Durchsetzungsvermögen zu besitzen.

Teuflischer Kreislauf von Behauptungen

Und das ist gut so, denn wohin käme man, wenn der teuflische Kreislauf von Behauptungen und Vorwürfen über Drohungen bis hin zur offenen Gewalt zur Norm würde. In Wien ist man - bisher - besonnener und zurückhaltender. So sehr, dass selbst im Weißen Haus inzwischen ein anderer - gemäßigter - Ton angeschlagen wird.

Die europäischen Iran-Unterhändler sollten sich dies zu Herzen nehmen: Natürlich deutet vieles darauf hin, dass Iran Atomforschung nicht nur zur Stromerzeugung betreibt. Gleichzeitig hat Iran aber bisher auch die meisten Auflagen des Nichtverbreitungsabkommens (NPT) erfüllt. Und das, was er bisher getan hat - und nun wieder in Isfahan tut -, ist nach dem NPT nicht verboten. Also: Es ist erlaubt. Und es ist eine gehörige Provokation für die Iraner - gleich welcher politischen Couleur - wenn nun die Europäer kommen und von Iran Dinge einfordern, zu denen sie aufgrund bestehender Verträge nicht verpflichtet sind. Und an die andere Staaten sich gar nicht zu halten brauchen, weil sie diesen Verträgen erst gar nicht beigetreten sind.

In Iran empfindet man die Angebote als Affront

Für viele Iraner kommt solch eine Forderung einem Rückfall in jene Zeiten gleich, in denen die regionale und auch iranische Politik in Europa und in den USA gemacht wurde und als dort über Aufstieg und Fall einheimischer Politiker entschieden wurde. Aus diesem Gefühl heraus empfindet man es auch als Affront, Teheran bessere Wirtschaftsbeziehungen als Gegenleistung für atomares Wohlverhalten anzubieten: Erste Nutznießer würden doch die Europäer sein.

Es mag ja etwas nach übertriebenem Nationalstolz aussehen, aber gerade die Iraner sind in diesen Fragen sehr empfindlich. Und es wäre wohl an der Zeit, dass man dies in Europa und in den USA versteht. Der Umgang mit Ländern wie Iran muss sich befreien von kolonialistischen Attitüden. Wobei nicht missverstanden werden sollte: Verstößt Iran gegen internationale Abkommen und Vereinbarungen, dann muss er dafür auch die Konsequenzen tragen. Ein solcher Verstoß muss aber bewiesen sein. Bisher ist er dies nicht.