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Im Gespräch: Neue Sehkraft mit Netzhautchip

Videoassistenten5. Februar 2012

Prof. Eberhart Zrenner, Universitäts-Augenklinik Tübingen, Leiter des Forschungsprojekts Subretinales Implantat spricht mit Projekt Zukunft über die neuen Augenprothesen.

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DW: Sie haben das Know-how entwickelt, sind der Vater des Seh-Chips. Was ist denn daraus geworden? Die ersten Patienten haben ja schon dauerhaft das Implantat.

Eberhard Zrenner: Es gibt inzwischen 11 Patienten, die das auf Dauer implantiert bekommen haben. Die gehen auf der Straße rum, abends gucken sie Schaufenster oder auch Gesichter und Buchstaben an.

Dass heißt, die können relativ normal sehen?

Nein. Das ist schon eine andere Art des Sehens. Das Fenster ist relativ klein, durch das sie in die Welt gucken können. Ich würde sagen, es ist eine Art Passbild-Portrait. Und die Gegenstände sind schwarz-weiß und noch etwas unscharf. Wir arbeiten daran. Aber Patienten haben durchaus berichtet -nicht alle- dass sie zum Beispiel sehen können, wenn ich lache, also auch die Schatten zwischen den Zähnen und den Gesichtsschnitt und auch die Frisur wahrnehmen. Man wird nicht ganz leicht Personen unterscheiden können, aber doch zumindest sehen, dass es eine Person ist

Können denn Ihre ersten Patienten jetzt dauerhaft sehen?

Nein, die haben den neuen Chip noch nicht wieder implantiert bekommen. Die hatten ja damals noch Kabel gebunden, da kam ja etwas aus dem Körper raus. Das musste dann wieder entfernt werden, weil man nicht auf Dauer ein Kabel aus dem Kopf kommen lassen kann. Aber jetzt ist ja alles im Kopf, das heißt, es ist eine kleine Spule unter der Haut und da werden einfach das Signal und die Energie dort rein gesendet.

Sie haben 16 Jahre lang an diesem Chip gearbeitet, nicht immer hat alles funktioniert, es gab immer wieder Rückschläge. Wie geht man damit um?

Ich glaube, der wichtigste Punkt ist, dass man den Fehler analysiert und dann versucht, dieses Problem konkret zu lösen. Das kann ein Materialproblem oder ein chirurgisches Problem sein. Es ist ja wirklich alles neu, was dort passiert ist. Es kann auch an der Elektrik liegen. Wir haben Schritt für Schritt vom ersten Patienten, bei dem ja nur senkrechte und waagerechte Balken möglich waren, bis heute zur Gesichtserkennung, oder auch mal Buchstabenerkennung, diese Punkte gelöst.

Sie arbeiten jetzt mit Amerikanern zusammen. Warum? Was können die, was Sie nicht können?

Die können im Moment noch nicht in Richtung subretinale Chips in Amerika implantieren. Die haben dort eine andere Version. Die haben dort eine Firma, die epiretinale Chips macht, also auf die Netzhaut. Der Unterschied ist, dass die eine Kamera brauchen, die von außen am Kopf fest gemacht wird, so dass der Patient den Kopf bewegen muss. Bei uns ist ja alles im Auge. Auch die Augenbewegung, das Finden von Gegenständen wird ja durch Augenbewegung gemacht. Aber vor allem helfen uns die Kollegen in Baltimore vom Wills Eye Hospital auch die Zulassung für amerikanische Patienten zu bekommen. Das ist ja dann anders als in Europa.

Was macht denn ganz generell die Entwicklung künstlicher Augen so schwierig?

Wir haben ja beispielsweise im Herzschrittmacher nur ein Signal, was jede Sekunde oder so dort ans Herz weiter gegeben werden muss. Im Ohr ist es auch nur ein Signal in der Zeit. Beim Auge müssen wir ja für ein Bild, tausende von Signalen gleichzeitig an verschiedenen Nervenzellen übermitteln und das macht es so schwierig.

Wann können sie denn zu frieden sein mit dem, was ihr Chip kann?

Wenn Patienten selbstständig in der Stadt spazieren gehen können. Manche können das schon abends jedenfalls, wenn die Laternen ihnen helfen. Oder auch ihre Finger sehen können. Und was auch schon ganz gut funktioniert, ist die Wahrnehmung von Messer, Gabel, Teller und Tasse und auch Buchstaben, wenn sie groß genug sind. Ein Patient erzählte, dass er ein Restaurant gefunden hat oder den ADAC. Das ist natürlich einfach, die großen Buchstaben zu lesen.

(Interview: Daniela Levy)