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Im Gespräch: Prof. Detlev Ganten, Präsident World Health Summit

26. Oktober 2010

"Wir können uns die High Tech Medizin selbst nicht leisten."

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Prof. Detlev Ganten, Präsident World Health Summit (Bild: DW-TV)

DW-TV: Sprechende Schädel, sprechende Wirbelsäulen im OP – das ist schon ein bisschen Science Fiction. Wir sprechen mit dem Präsidenten der internationalen Veranstaltung, Prof. Detlev Ganten. Herr Ganten, diese Hightech-Medizin, die ist ja gut für Wohlhabende, aber was machen die anderen? Wer kann sich das noch leisten?

Detlev Ganten: Das können wir uns selber eigentlich schon nicht mehr leisten, denn wir sehen, da klafft eine Schere, zwischen dem, was wissenschaftlich möglich ist und dem, was bezahlbar ist. Im Übrigen, auch die Patienten wollen ja nicht alle nur Hightech-Medizin, sie wollen die ärztliche Fürsorge, den direkten Patientenkontakt.

Die Schere, von der Sie gesprochen haben, die geht ja in der Tat immer weiter auseinander. Wenn man sich mal anschaut, was weltweit ausgegeben werden kann für medizinische Versorgung, dann kriegt man schon einen Schreck. In einem der ärmsten Länder der Welt, da sind es gerade einmal 7Euro pro Kopf und Jahr, in den USA hingegen sind es 5500 Euro. Im Klartext heißt das, die einen bekommen Hightech-Medizin, die anderen können sich noch nicht einmal die allernötigsten Medikamente leisten. Wie kann man das ändern?

Grafik zu: Gesundheitsausgaben pro Kopf (Bild: DW-TV)

Ja, das ist die große Frage der Verteilungsgerechtigkeit, die ist ungelöst. In der Tat geht es fast immer weiter, wir machen immer mehr. Wir dürfen aber auch nicht versuchen, diese Hightech-Medizin einfach zu exportieren. Das geht nicht, weil es am Schluss nicht bezahlbar ist. Wir behandeln etwa 300 Millionen Europäer, 300 Millionen Amerikaner und 100 Millionen Japaner und Privilegierte in anderen Länder - das heißt etwa eine Milliarde, anderthalb Milliarden - nach dem Stand der Wissenschaft und die restlichen - etwa sechs Milliarden - Menschen werden nicht so behandelt, wie es die Wissenschaft eigentlich erlaubt. Das ist das ganz große Problem, darüber sprechen wir hier bei dem World Health Summit. Es gibt keine Patentlösung, aber eines ist sicher: Wir können nicht Hightech exportieren, wir können nicht gewissermaßen die Märkte für uns eröffnen, sondern wir müssen uns den Bedingungen anpassen. Die einfache Antwort ist: Bildung, Bildung, Bildung. Das ist die beste Voraussetzung für Prävention, Vorbeugung vor Krankheiten, damit wir Hightech-Medizin nicht brauchen, jedenfalls nicht in dem Maße.

Wir wollen auch gleich noch ein bisschen versuchen zu klären, was man eigentlich tun kann. Wenn man an Entwicklungsländer denkt, dann denkt man an Krankheiten wie Malaria, man denkt an Tuberkulose, man denkt an AIDS. Man denkt aber nicht an, zum Beispiel, Diabetes. Das ist eine Volkskrankheit, die sich immer mehr ausweitet…

Ja, wir exportieren eben nicht nur unsere Industrie, an der wir verdienen, sondern wir exportieren auch unseren Lebensstil, wir exportieren die Zuckerbomben und die süßen Getränke und Lebensstile, die natürlich nicht der Biologie und nicht den Lebensbedingungen in diesen Ländern entsprechen und das führt zu Zivilisationskrankheiten, die die wir hier haben, die bei uns etwa 80% der Unkosten ausmachen. Das wird jetzt in diese Länder exportiert, das müssen wir vermeiden, und darum haben wir genau diese intensiven Diskussionen, und zwar über alle Bereiche hinweg. Das betrifft die Politik, das betrifft die Medizin und das betrifft alle anderen Bereiche - Landwirtschaft und alles das, was die Länder in ihren Entwicklungen bestimmt.

Detlev Ganten, im afrikanischen Mali hat ein Kind, das Diabetes hat, eine Lebenserwartung von etwa anderthalb Jahren. In Deutschland könnte es ein weitgehend normales Leben führen. Was können und was müssen die Industrieländer da tun?

Wir müssen natürlich medizinische Versorgung dort auch ermöglichen. Wir dürfen aber nicht überall die Hightech-Medizin importieren oder exportieren, sondern wir müssen Vorbeugemaßnahmen in diesen Ländern wirksam etablieren. Da gibt es eine Menge zu tun.

Was kann der World Health Summit tun?

Der World Health Summit kann nicht die Weltgesundheit in die Welt hineintragen, aber er kann dazu beitragen, dass alle Kräfte - Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft - zusammen arbeiten, um das höchste Gut aller Menschen, Gesundheit voranzubringen.

Wenn Sie könnten, wie Sie wollten, wenn Sie keine Grenzen hätten: Was würden Sie tun?

Zunächst mal ist ein Wunsch schon erfüllt, den World Health Summit zusammen zu bringen. Wichtige Leute aus allen Bereichen treffen sich hier. Wenn wir dann noch erreichen, dass sie wirklich gut zusammen arbeiten, das wäre mein zweiter großer Wunsch erfüllt. Es gibt noch zu viele isolierte Interessengruppen, die nicht ausreichend miteinander kooperieren. Das zu ändern ist, glaube ich, das große Ziel.

Wenn wir ein bisschen in die Zukunft blicken, wie, würden Sie sagen, wird globale Gesundheit aussehen?

Das Wichtigste für Gesundheit ist Bildung, Bildung, Bildung. Und dann folgt eigentlich alles andere, dann werden wir Prävention betreiben können, weil wir rational, mit dem was die Umwelt uns bietet, für unsere Gesundheit umgehen können.

Detlev Ganten, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

Interview: Daniela Levy

Redaktion: Alex Reitinger