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Hochaktuell: Ausstellung Keith Haring in Essen

Jochen Kürten
21. August 2020

Der amerikanische Pop-Art-Künstler starb vor drei Jahrzehnten mit 31. Doch Keith Harings Werk wirkt frisch und erstaunlich aktuell. Wie ist das zu erklären?

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Keith Haring posiert mit Hut und greift sich an die Hutkrempe
Keith Haring ein Monat vor seinem Tod im Februar 1990Bild: picture-alliance/dpa/Elsner

Jede Ausstellung eines verstorbenen Künstlers wird ja heutzutage gern mit den Worten beworben, dass gerade dieser Künstler uns heute noch viel zu sagen habe, dass gerade dessen Werk noch ungemein modern ist. Das erscheint oft übertrieben und geht in vielen Fällen wohl auf die Marketingstrategien der Museums- und Ausstellungsmacher zurück.

Doch bei  Keith Haring möchte man direkt ausrufen: Ja, das stimmt, Haring ist cool, aktuell, scheint geradezu in der heutigen Zeit verhaftet. Wie kann das gehen? Keith Haring starb vor rund drei Jahrzehnten, im Februar 1990 in New York City an den Folgen seiner Aids-Erkrankung. Damals war kaum eine Heilung möglich, Haring war eines der vielen Opfer der Krankheit.

Keith Harings Kunst ist zeitlos - sie würde auch ins neue Jahrtausend passen

Was direkt schon zu einem Anknüpfungspunkt führt: Leben in Zeiten einer globalen, noch unbesiegten Krankheit. Die Ausstellung  "Keith Haring" im Essener Folkwang-Museum sollte eigentlich im Mai starten, Corona machte das unmöglich. Jetzt, mit ein paar Monaten Verspätung, öffnet die Kunst-Schau ihre Pforten und zeigt rund 200 Werke des Künstlers Keith Haring. Leben in Zeiten einer sich weltweit ausbreitenden Krankheit, damals war es in der Folge einer Infektion mit HIV Aids, heute ist es COVID-19.

Vielfarbiges Keith Haring-Bild mit Männchen, das aus einer Tür tritt
Das war einmal ein Werk mit Titel: "National Coming Out Day" von 1988Bild: Keith Haring Foundation

Haring, der ein paar Jahre vor seinem Tod erfuhr, dass er HIV positiv war, ging offen damit um. Mit seiner persönlichen Situation, aber auch und vor allem mit dem Umgang der Menschen und der Gesellschaft mit Aids. Das wurde damals nicht selten verschwiegen beziehungsweise als Homosexuellen-Krankheit verbrämt. Das Thema war anfangs an vielen Orten ein Tabu und auch noch später entwickelte sich der Umgang mit Aids wenig aufklärerisch und offen.

Harings Figuren dürften heute mit Maske auftreten

Haring stellte sich dagegen. Und auch heute fällt es nicht allzu schwer, sich vorzustellen, wie dieser Amerikaner mit der Corona-Pandemie umgehen würde. Man sieht die Zeichnungen geradezu vor sich: Masken, Abstand, Hygiene - mit einfachen, klaren wie eindeutigen Zeichen, Formeln und Motiven. Und dabei ganz direkt und ohne Umschweife: Keith Haring wäre ein begnadeter künstlerischer Aktivist in Corona-Zeiten gewesen.

Andy Warhol und Keith Haring posieren vor einem Bild Harings
Sie waren Kollegen und Freunde: Andy Warhol (l.) und Keith Haring 1986Bild: picture-alliance/dpa/Keystone

Das führt zum zweiten Punkt der Aktualität: die Zeichen, das Einfache, das Klare. Keith Harings Motive, seine Entwürfe und Bilder, ob im Atelier entstanden oder im öffentlichen Raum, waren so einfach wie eindeutig - und doch vielfach interpretierbar. Das würde heute genauso gut funktionieren wie damals. Nicht zuletzt deshalb hat Harings Kunst etwas geradezu Klassisches.

Abstrakte Kunst bei Haring - auch im öffentlichen Raum

Harings abstrakte wie gegenständliche Kunst hat die Zeiten gut überstanden. Jede Wette: Auch die Jugend von heute kann mit diesem Künstler, der die 80er Jahre mitprägte, etwas anfangen. Das war Harings große Kunst: Kunst so zu gestalten, das sie etwas Zeitloses bekommt, etwas, das die Jahrzehnte scheinbar mühelos überwindet. Ein Künstler wie Banksy, dessen Bilder gerade immer wieder Aufsehen erregen und der ja auch ein Meister der Bespielung des öffentlichen Raums ist, hat dagegen geradezu etwas Altbackenes in seiner moralischen Unmissverständlichkeit. Haring wirkt da wesentlich moderner.

Rot-Schwarz-Weißes-Keith Haring-Bild mit abstrakten Formen, in denen aber auch Figuren zu erkennen sind
Seine Bilder waren so einfach wie tiefgründigBild: Keith Haring Foundation

Schließlich Punkt Drei in Sachen Aktualität: "Als Sprachrohr seiner Generation reagierte Haring mit seinen Werken auf drängende Themen seiner Zeit wie politische Diktaturen, Rassismus, Homophobie, Drogensucht, Aids, Kapitalismus und Umweltzerstörung", schreiben die Kuratoren des Folkwang-Museums. Das könnte man fast Eins-zu-Eins ins Hier und Heute transportieren.

Haring würde heute gegen Trump ätzen

Politische Engstirnigkeit, Rassismus und Homophobie, dazu Globalisierung und global explodierende Krankheiten - Keith Haring müsste sich (leider) gar nicht so großartig umstellen, wenn er heute als Künstler auftreten würde. Auch das hat seinen Grund. Haring war ein Kind der konservativ geprägten Ronald-Reagan-Zeit. Heute würde er vermutlich gegen die Lügen und Unsinnigkeiten eines Donald Trump auftreten. Da wäre er mit seiner Kunst unbedingt an der richtigen Stelle.

Die Ausstellung "Keith Haring" im Folkwang-Museum Essen ist bis zum 29. November zu besichtigen.