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Im Kampf vereint?

Frank Sieren12. September 2014

China will die USA gegen die Extremisten der IS unterstützen. Washington sollte aber nicht zu viel erwarten, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Chinesische Soldaten bei der Parade (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images/L. Downing

Exakt 13 Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September sind die USA wieder auf der Suche nach einer Koalition der Willigen. Dieses Mal geht es nicht gegen Al Qaida, sondern gegen die noch brutaleren Extremisten der IS, die sich in Syrien und im Irak breit gemacht haben. Drei Jahre nachdem die Amerikaner ihre letzten Kampftruppen aus dem Irak wieder zurückgezogen haben, werden sie nun von der IS wieder in den Kampf gezwungen. Aus dem einfachen Grund, dass keine andere Armee das so gut kann. Die Amerikaner haben aber weniger Lust denn je auf einen Alleingang. Und je mehr Länder sich anschließen, desto deutlicher wird, wer die Weltmacht ist.

Zehn arabische Staaten wollen den USA in diesen Kampf schon zur Seite stehen. Und auch Frankreich und Großbritannien schließen Luftangriffe nicht aus. Und: Zumindest auf den ersten Blick sieht es nun so aus, als würde sich sogar China, der ernsthafteste Wettbewerber um den Weltmachtstatus, am Kampf gegen die Extremisten beteiligen. Auf ihrer Chinareise in dieser Woche fragte Barack Obamas Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice in Peking nach und erhielt gestern auch eine Antwort. Das chinesische Außenministerium signalisierte Unterstützungsbereitschaft. Dabei müsse jedoch das Völkerrecht ebenso geachtet werden wie die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der betroffenen Länder. So eine Aussage lässt natürlich viel Spielraum für Peking, sich nicht die Finger zu verbrennen.

China auch wirtschaftliche Interessen im Irak

Anderseits hat Peking allerdings auch ein eigenes Interesse. Zum einen geht es für Peking um wirtschaftliche Interessen: Denn nachdem die USA Saddam Hussein im Irak abgesetzt hatten, schnappten die Chinesen den US-Unternehmen mit deutlich günstigeren Angeboten die Förderrechte für ein Ölfeld nach dem anderen vor der Nase weg. Mittlerweile beherrschen die Chinesen rund 50 Prozent der Ölproduktion des Landes. Die drei mit Abstand größten Ölfelder – Rumaila, Halfaya und West-Kurna – werden von den Chinesen oder im Joint Venture mit nicht-amerikanischen Firmen betrieben. Und jetzt, da die IS-Truppen in vielen Städten ihre schwarze Flagge gehisst und Scharia-Gesetze eingeführt haben, wird auch Peking nervös, obwohl die meisten Ölfelder, an denen sie beteiligt sind, im Süden des Landes liegen, den die IS-Truppen noch nicht erreicht haben.

Schwerer wiegen als das Öl im Irak dürfte die Angst Pekings vor noch mehr Terrorismus im eigenen Land. Es vergeht kaum ein Monat, in dem es in Chinas Problemprovinz Xinjiang, im Westen des Landes, nicht einen neuen Terroranschlag gibt. Das sind zwar erst die Vorboten von IS, aber die Zeichen mehren sich, dass die Terroristen nicht an der chinesischen Grenze halt machen werden. China taucht in den Schriften der IS schon auf. Die Führung der IS hat China bereits an die Spitze einer Liste von Ländern gesetzt, in denen Muslime verfolgt werden. Und chinesische Terrorismusexperten sehen in den aus dem arabischen Raum zurückkehrenden islamistischen Kämpfern ein Sicherheitsrisiko für China, Russland und die zentralasiatischen Staaten.

Steigende Nervosität in chinesischen Führung

Und in Xinjiang, dessen Bewohner Ankara kulturell näher stehen, können sie gut untertauchen. Peking kann also nicht mehr zuschauen und abwarten, was passiert. Die Pekinger Führung wird nervöser, wie man an den Äußerungen von Staats- und Parteichef Xi Jinping merkt: „Die Terroristen müssen wie Ratten behandelt werden, die man zertreten möchte.“ Die Soldaten schwor er darauf ein, lieber im Training viel Schweiß zu verlieren, als Blut im Kampf. Und längst ist der Terrorismus nicht mehr nur das Problem einer Provinz sondern ist auch in die Großstädte weit im Osten vorgedrungen. Unterstützung für die Extremisten unter den Uiguren kommt wohl schon jetzt über die Grenze aus dem benachbarten Pakistan.

Doch trotz dieser ganz realen Gefahr dürfte es ausgeschlossen sein, dass China nun Seite an Seite mit den USA in einen Krieg gegen den Terror ziehen wird. Während die USA schon versprochen haben, ihre Luftschläge auch auf Syrien auszubreiten, ist ein solcher militärischer Eingriff für Peking nicht denkbar. China war schließlich stets gegen ein Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg und fürchtet nun, dass Obama die Angriffe gegen die IS auch nutzen könnte, um den Oppositionellen im Kampf gegen Machthaber Baschar al-Assad zur Seite zu springen. Peking hat genau beobachtet, dass die westlichen Eingriffe im Irak, in Afghanistan, in Libyen oder Ägypten nicht sehr erfolgreich waren. Ein Kommentar der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua in dieser Woche verdeutlicht, wie gering das Interesse der Chinesen ist, sich in Kampfhandlungen verwickeln zu lassen. Der Artikel stellt die explizite Frage, warum es immer mehr Terror auf der Welt gebe, obwohl die USA vor über einem Jahrzehnt in den Kampf gegen den Terror gezogen sind.

Auch China muss sich positionieren

Terroristen, so argumentiert der Bericht, seien auf der Welt immer größere Freiräume geschaffen worden, weil die USA zuerst die Regime von Saddam Hussein im Irak und dann von Muammar al-Gaddafi in Libyen verjagt hätten, und nun dabei seien, auch Assad in Syrien zu destabilisieren. Diese Argumentation ist nicht von der Hand zu weisen. 13 Jahre nach dem 11. September seien die USA immer noch nicht bereit zu reflektieren, was die realen Gründe für den Terror sind, heißt es dann noch weiter. Doch das ist leicht formuliert, wenn man sich entschieden hat, das Geschehen einstweilen vom Spielfeldrand zu kommentieren. China wird nicht umhin kommen, sich zu positionieren. Die Standardposition Pekings, Konflikte durch Verhandlungen zu lösen, erscheint in diesem Fall wenig hilfreich. Es sei denn, Peking hätte spezielle Kontakte zur IS. An Militärschlägen jedenfalls, bei denen China Seite an Seite mit den USA kämpft, hat Peking kein Interesse. Die würden ja nach den Spielregeln der Amerikaner laufen. Das will China nicht mehr akzeptieren.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.