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Filmstart: Im Labyrinth des Schweigens

Jochen Kürten (mit dpa)6. November 2014

Ein Kinofilm erzählt jetzt die Vorgeschichte des Auschwitz-Prozesses. Giulio Ricciarelli stellt einen Staatsanwalt in den Mittelpunkt - und die Frage: Warum haben sich die Deutschen erst so spät mit Auschwitz befasst?

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Im Labyrinth des Schweigens - Filmszene (Foto: Heike Ulrich / CWP Film)
Bild: picture-alliance/dpa/H. Ulrich

Manchmal muss erst das Kino kommen, um auch ein größeres Publikum mit einem schwierigen historischen Thema zu konfrontieren. Natürlich sind die Auschwitz-Prozesse, bei denen 1963-1968 in Frankfurt zunächst mehrere Dutzend Angeklagte wegen ihrer Taten in dem Konzentrationslager vor Gericht standen, bekannt.

Und auch der Name Fritz Bauer, damals Generalstaatsanwalt und treibende Kraft hinter der Aufarbeitung der Verbrechen durch die Nationalsozialisten, ist Historikern und interessierten Zeitgenossen geläufig. Und doch: Für viele Menschen dürfte der Film "Im Labyrinth des Schweigens" die erste Begegnung mit diesem wichtigen Abschnitt bundesrepublikanischer Zeitgeschichte sein.

Im Labyrinth des Schweigens - Filmszene (Foto: Heike Ulrich / CWP Film)
Im Labyrinth der Akten: der junge Staatsanwalt Johann Radmann (Alexander Fehling)Bild: picture-alliance/dpa/H. Ulrich

Fehling: "Heute ist Auschwitz ein Begriff"

Er habe nicht von den Frankfurter Prozessen gewusst, gesteht selbst Hauptdarsteller Alexander Fehling ein, der im Film "Im Labyrinth des Schweigens" einen jungen Staatsanwalt spielt: "Ich muss gestehen, dass ich sie auch nicht kannte. Wenn man an Prozesse denkt, die mit Auschwitz zu tun hatten, denkt man an die Nürnberger Prozesse. So ging es mir auch." Das seien aber die Prozesse der Alliierten gewesen, sagt Fehling, in Frankfurt habe es sich ja dagegen um die innerdeutschen Prozesse gehandelt. "Dass ich - wie so viele - davon nichts wusste, lässt tief blicken", räumt Fehling selbstkritisch ein.

Regisseur Giulio Ricciarelli (Foto: Ursula Düren/dpa)
Regisseur Giulio RicciarelliBild: picture-alliance/dpa/U. Düren

Auch er habe keinen persönlichen Bezug zum Thema gehabt, sagt der deutsch-italienische Schauspieler und Regisseur Ricciarelli, sei aber sofort fasziniert gewesen, als das Sujet an ihn herangetragen wurde: "Ich fand die Geschichte unglaublich. Vor allem konnte ich nicht glauben, dass viele Deutsche Ende der 1950er Jahre noch nie etwas von Auschwitz gehört hatten."

Als junger Mensch habe er durch den Geschichtsunterricht, durch diverse Filme und Besuche von KZ-Gedenkstätten immer den Eindruck gehabt, die Nazizeit sei in Deutschland nach 1945 ordentlich aufgearbeitet worden: "Doch die Wahrheit ist: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde erst einmal jahrelang so gut wie nichts aufgearbeitet - und stattdessen versucht, die dunkle Vergangenheit totzuschweigen."

Mischung aus Fiktion und realen Ereignissen

Dieses "Totschweigen" ist nun zum Thema des Films "Im Labyrinth des Schweigens" geworden. Mit einer Mischung aus Fiktion und authentischen Ereignissen erzählt Ricciarelli die Vorgeschichte des ersten Auschwitz-Prozesses. Den jungen von Alexander Fehling verkörperten Staatsanwalt hat es so nicht gegeben. Es waren vielmehr mehrere Juristen, die sich damals mit dem Thema befassten.

Filmstill Fritz Bauer – Tod auf Raten von Ilona Ziok (Foto: CV Films 2010)
Fritz Bauer in Ilona Zioks Doku "Fritz Bauer - Tod auf Raten"Bild: CV Films 2010

Sie alle führten das aus, was der im Film - unter seinem richtigen Namen auftretende - Fritz Bauer anstieß: "Dem deutschen Volk die Augen öffnen für das, was geschehen war, und ihm einprägen, wie man sich zu benehmen hat", so hatte es der damalige Generalstaatsanwalt einmal selbst ausgedrückt.

Bauer war seinerzeit höchst umstritten in der jungen Bundesrepublik. Die meisten Deutschen, mitten im Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Landes, wollten sich damals nicht mit Themen wie Schuld und Juden-Vernichtung auseinandersetzen. Wirtschaftswunder statt Vergangenheitsbewältigung lautete die Devise. Fritz Bauer war Jude, zudem Homosexuell, ein Einzelgänger, der die Deutschen mit seinen Anliegen "in ihrer Ruhe nur störte".

Im Labyrinth des Schweigens - Filmszene (Foto: Heike Ulrich / CWP Film)
Den ersten Anstoß, sich mit Auschwitz zu befassen, kam von der Presse: Thomas Gnielka als Reporter Andre SzymanskiBild: picture-alliance/dpa/H. Ulrich

Auch das zeigt der Film, dessen Verdienst es ist - unabhängig vom künstlerischen Gelingen des Werks - das Thema für ein großes Publikum aufgearbeitet zu haben. Über Fritz Bauer und die Auschwitz-Prozesse konnte man sich schon früher informieren. Es gab historische Bücher, Biografien und Dokumentationen wie den beeindruckenden Film "Fritz Bauer - Tod auf Raten" von Regisseurin Ilona Ziok. Doch für viele, vor allem jüngere Menschen, dürfte der Spielfilm "Im Labyrinth des Schweigens" mit seinem populären Hauptdarsteller die erste Begegnung mit dem Thema sein.