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Im Reich von "Commander Wu"

Matthias von Hein1. Januar 2003

Zu Silvester wurde in Schanghai die Transrapidstrecke zwischen Flughafen und Stadtzentrum eingeweiht. Doch das Prestigeprojekt hat auch seine Schattenseiten. Matthias von Hein anaylsiert.

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"Einmal Flughafen - Pudong bitte!" - mit 400 Kilometern in der StundeBild: AP

Wann hat es das schon einmal gegeben? Ein deutscher Bundeskanzler reist zur Einweihung eines Industrieprojektes ausgerechnet in der ansonsten eher durch politischen Tiefschlaf gezeichneten Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr in ein fernes Land - nach China. Anders als bei den bislang drei vorausgegangenen China-Reisen Gerhard Schröders sind die Begegnungen mit der alten und der neuen Staatsspitze lediglich schmückendes Beiwerk.

Im Mittelpunkt der Kurzreise steht mit dem Transrapid ein Stück deutscher Hochtechnologie. Ein strahlender Gerhard Schröder wird Seite an Seite mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Zhu Rongji im Blitzlichtgewitter der Presse den Transrapid besteigen und in knapp 9 Minuten von Schanghais Flughafen in das neue Handelszentrum Pudong reisen, mit über 400 Kilometern in der Stunde.

"Commander Wu" befiehlt

Das Prestigeprojekt "Transrapid Schanghai" wird von beiden Seiten zu Recht als Erfolg verbucht werden. Bei aller berechtigten Freude sollte im Lärm der knallenden Sektkorken aber eines nicht vergessen werden: Dass die Magnetschwebebahn im Rekordtempo von knapp zwei Jahren aus dem Boden gestampft werden konnte, hat nicht allein mit dem enormen Fleiß und Können der chinesischen Partner zu tun, oder mit den Fähigkeiten der deutschen Ingenieure.

Es hat auch mit den undemokratischen Verhältnissen in China zu tun: Bei der Entscheidung über die Streckenführung gab es keine Anhörung der Betroffenen. Die im Zuge des Fahrwegbaus umgesiedelten Familien hatten keinerlei Möglichkeit, sich zur Wehr zu setzen. Und der legendäre chinesische Projektleiter Wu Xiangmin trägt nicht zu Unrecht den Spitznamen "Commander Wu" - schließlich lautet das zentrale Prinzip des Militärs Befehl und Gehorsam.

Die Gegner melden sich zu Wort

Am Anfang des Transrapidprojekts in Schanghai stand kein demokratischer Entscheidungsprozess. Der Bau des Transrapids in Schanghai war vor allem die einsame Entscheidung des technikbegeisterten chinesischen Ministerpräsidenten Zhu Rongji auf dem Höhepunkt seiner Macht. Doch die Ära Zhu nähert sich ihrem Ende: Im März 2003 muss Zhu sein Amt abgeben. So ist es kein Zufall, dass die sehr wohl vorhandenen Gegner der Magnetschwebebahn in China jetzt vermehrt aus der Deckung kommen.

Ihre Argumente ähneln dabei denen der Transrapidgegner in Deutschland: Zu teuer, nicht erprobt und nicht kompatibel mit alten Fahrwegen. Es ist deshalb fraglich, ob die deutsche Industrie trotz angekündigter Bereitschaft zum Technologietransfer tatsächlich die erhofften Anschlussaufträge beim Aufbau eines chinesischen Hochgeschwindigkeitsbahnnetzes erhalten wird. Um so mehr, als China einen eigenen Hochgeschwindigkeitszug auf Basis der klassischen Rad-Schiene-Technik entwickelt, der chinesischen Presseberichten zufolge vom Eisenbahnministerium favorisiert wird.