1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Im Spiegel der Geschichte: Der Pulitzer-Preis

Rick Fulker
15. April 2018

Die Geschichte des Pulitzer-Preises ist so vielfältig wie die der Oscars. Er wird in mehreren Kategorien vergeben und gilt als renommierteste Journalismus-Auszeichnung weltweit. Ein Rückblick auf vergangene Preisträger.

https://p.dw.com/p/2w4l6
Pulitzer Preis Medaille
Bild: Imago/Xinhua

Die Geschichte gibt zu denken: Um die Verkaufszahlen zu steigern, griff ein Zeitungsverleger im 19. Jahrhundert auf sensationelle, teils erfundene Meldungen zurück. Er gilt heute als Erfinder der "Yellow Press" - der Klatsch- und Sensationspresse. Zusammen mit seinem Erzrivalen, dem Verleger William Randolph Hearst, schürte er eine fremdenfeindliche Stimmung, die mit zur Kriegslust in der amerikanischen Bevölkerung beigetragen haben könnte - und damit zum Spanisch-Amerikanischen Krieg im Jahr 1898.

Dieser Verleger hieß Joseph Pulitzer, Namensgeber der renommiertesten Preise der USA, die seit 1917 im April jedes Jahres in einer unscheinbaren Universitätsbibliothek in New York verliehen werden. Anerkannt werden hervorragende Leistungen in den Sparten Musik, Poesie, Literatur - und vor allem Journalismus. Pulitzer, der im Alter von nur 64 Jahren starb, ließ aus seinem Nachlass eine journalistische Fakultät und den berühmten Pulitzer-Preis ins Leben rufen - vielleicht auch, um seinen Ruf zu retten.

Dieses Urgestein des amerikanischen Journalismus war jedoch mehr als nur der Sensation zugetan. Er war ein unerbittlicher Kämpfer für die Wahrheit und kämpfte Zeit seines Lebens gegen korrupte Politiker. "Die Macht, die Zukunft der Republik zu gestalten, liegt in den Händen von Journalisten zukünftiger Generationen", schrieb er einmal.

Joseph Pulitzer
Inbegriff des amerikanischen Journalismus: Joseph PulitzerBild: picture-alliance/newscom/Picture History

Als Verleger des "St. Louis Post-Dispatch" und der "New York World" machte er diese Organe zu den meist gelesenen Zeitungen des Landes nach einer nur scheinbar einfachen Formel: "Lege die Geschichte dem Leser in aller Knappheit vor, damit er sie liest; mit Klarheit, damit er sie schätzt; in einprägsamen Bildern, damit er sich an sie erinnern kann; und akkurat, damit er sich an ihr orientieren kann."

Deutschland von innen und Kapitalismuskritik

Im Jahr 1917 ging der erste Pulitzer-Preis in der Kategorie Reportage an Herbert Bayard Swope, Autor einer Reihe von Artikeln, die im Vorjahr in der "New York World" unter dem Titel "Inside the German Empire" (Im deutschen Reich) erschienen waren. Swope, der in den frühen Jahren des Ersten Weltkriegs aus Deutschland berichtet hatte, wurde später Chefredakteur der Zeitung. Sein Rat an Journalisten: "Ich kann euch kein garantiertes Rezept für den Erfolg geben, für das Scheitern aber wohl: Versuche bloß, jedem jederzeit zu gefallen."

Herbert Bayard Swope
Der erste Pulitzer-Preis-gekrönte Reporter: Herbert Bayard SwopeBild: Imago/United Archives International

1924 erhielt Robert Frost einen Pulitzer-Preis für seinen vierten Gedicht-Band. In "New Hampshire: A Poem with Notes and Grace Notes" (New Hampshire: Ein Gedicht mit Noten und Verzierungen) geht es um das Alltagsleben in Neuengland. "In einem vollkommenen Gedicht findet das Gefühl den Gedanken, und der Gedanke findet die Worte", schrieb Frost, der weitere drei Pulitzer-Preise gewinnen sollte. Ein Satz von ihm klingt wie ein Kommentar an die "alternativen Fakten" der Neuzeit: "Der Wandel, den wir im Leben meinen festzustellen, liegt an Wahrheiten, die angesagt sind oder aus der Mode fallen", schrieb er in einem Brief im Jahr 1916.

Schriftsteller John Steinbeck
John Steinbecks "Früchte des Zorns" gehört zu den meistdiskutierten amerikanischen Romanen des 20. JahrhundertsBild: Getty Images/Hulton Archive

1940 wurde John Steinbeck für "The Grapes of Wrath" (Früchte des Zorns) ausgezeichnet. In dem Roman geht es um eine Beschreibung der verzweifelten Situation der Bauern in den 1930er-Jahren. Steinbeck sagte einmal: "Ich wollte die gierigen Bastarde, die dafür verantwortlich sind, mit Scham belegen". Er bezog sich auf die große Wirtschaftskrise. Als bittere Anklage an den entfesselten Kapitalismus heißt es im Roman: "Wenn man besitzt, ist man ewig im 'Ich' eingefroren und ewig vom 'Wir' abgetrennt."

Präsidenten und Präsidentensturz

1957 erhielt John F. Kennedy einen Pulitzer-Preis für sein Buch "Profiles in Courage" (Zivilcourage) aus dem Jahr 1955. Darin porträtierte er acht frühere US-Senatoren, die Widerständen zum Trotz an ihren Überzeugungen festhielten. Damals war Kennedy selbst ein junger Senator, später sollte er zum 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden. In denkbar großem Kontrast zu Donald Trump, dem 45. Präsidenten, der Journalisten als "niedrigste Lebensform" und als "Feinde des amerikanischen Volkes" beschimpft, erkannte Kennedy - wenn auch mit widerwilligem Unterton - ihre wichtige Rolle an: "Auch wenn es uns nie gefällt, gibt es keinen Zweifel daran: Wir könnten unsere Arbeit in einer freien Gesellschaft ohne ein sehr, sehr aktives Pressewesen überhaupt nicht verrichten", schrieb Kennedy. Ebenfalls war er der Überzeugung, dass ein Politiker Orientierung bei Kunst und Kultur suchen sollte: "Macht macht arrogant, dafür erinnert die Dichtung an die Grenzen des Menschen. Denn die grundlegende menschliche Wahrheit, die als Prüfstein unserer Urteile dienen soll, wird in der Kunst festgelegt."

US-Präsident John F. Kennedy
Kennedy war ein leidenschaftlicher Zeitungsleser, auch wenn ihm nicht alles darin gefielBild: Reuters/JFK Presidential Library and Museum

1973 ging der Pulitzer-Preis in der Sparte "Dienst an der Öffentlichkeit" an die "Washington Post". Deren junge Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward hatten die Hintergründe der Watergate-Affäre aufgedeckt, und der Skandal sollte zum Rücktritt des US-Präsidenten Richard Nixon führen. Woodward, der als meist gefeierter Journalist unserer Zeit gilt, ist Mitherausgeber der Washington Post und hat 18 Sachbücher geschrieben. Bernstein, auch als Autor aktiv, ist ein erbitterter Kritiker der "Medienkrise" und der "Idiotenkultur" der Neuzeit.

Eindeutig Fake News

1981 war Janet Cooke die erste afroamerikanische Frau, die einen Pulitzer-Preis gewann - aufgrund ihres Porträts eines achtjährigen schwarzen Heroinsüchtigen namens Jimmy, der in der Stadt Washington lebte. Die detailreich beschriebene Geschichte war so schrecklich, dass sie im ganzen Land eine Welle der Empörung auslöste. Es gab jedoch einen Haken: Cooke hatte den Jungen frei erfunden, und die zuständigen Redakteure bei der Washington Post hatten es versäumt, die Quellen nachzuprüfen. Nachdem der Skandal aufflog, gab Cooke den Preis zurück und verließ ihren Job. Das Ansehen der Zeitung - und das des Journalismus' überhaupt - war schwer angekratzt.

Bob Woodward bei einem Essen im Weißen Haus
Immer skeptisch hinter die Kulisse blickend: Bob WoodwardBild: Picture-Alliance/dpa/C. Owen

1999 wurde Maureen Dowd in der Sparte "Kommentar" für ihre Kolumnen in der New York Times über die Lewinsky-Affäre des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton ausgezeichnet. "Das ist kein Grund für die Amtsenthebung", schrieb sie, "doch für die Scheidung sehr wohl." Dowd ist für ihre scharfzüngigen, manchmal schwarzen humoristischen Darstellungen von Politikern und anderen Machtmenschen bekannt. Auch ihre Landsleute schont sie nicht: "Dass man für Amerika den außerordentlichen Status immer reklamiert, heißt nicht, dass Amerikaner außerordentlich sind."

Maureen Dowd
Für ihren Sarkasmus gefürchtet: Maureen DowdBild: Getty Images/M. Winkelmeyer

Vitale Kunst und lebendiger Journalismus

2005 ging ein Pulitzer an den amerikanischen Komponisten Steven Stucky. Anerkannt wurde sein Zweites Orchesterkonzert, das ein Kritiker in der "Los Angeles Times" als "bunte, Freude spendende Partitur" beschrieb. Anders als bei vielen anderen abstrakten oder atonalen Musikwerken des 20. und 21. Jahrhunderts sind Stuckys Werke "greifbar" - um seine eigene Beschreibung zu verwenden. Der Komponist, der 2016 im Alter von 66 Jahren verstarb, nahm in seinem umfangreichen Schaffen oft auf geschichtliche Ereignisse Bezug. "Take Him, Earth" (Nimm Ihn, Erde) ist ein Chorwerk des Jahres 2012 zum 50. Jahrestag der Ermordung John F. Kennedys, und "Silent Spring" (Der stumme Frühling) aus dem Jahr 2011 wurde von dem berühmten Buch über Umweltthemen inspiriert, das die Biologin Rachel Carson ein halbes Jahrhundert früher geschrieben hatte.

Steven Stucky Komponist USA
Steven Stucky schrieb "greifbare" MusikBild: Hoebermann/Berkeley Symphony

2017 gehörte das "International Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ) zu den Gewinnern - aufgrund der Panama Papers, die die Steuerflucht vieler Politiker und Millionäre dokumentierten. Zu der Arbeitsgemeinschaft gehörte auch die Süddeutsche Zeitung aus Deutschland, die anfangs 11,5 Millionen Geheimdokumente erhalten hatte. Über ein Jahr lang arbeiteten 300 Reporter aus 76 Ländern an der Auswertung des Materials. Obwohl nur US-Medien und US-Journalisten einen Pulitzerpreis gewinnen dürfen, wurde das beispiellose internationale Projekt durch den Preis anerkannt. "Heute werden wir angegriffen und werden seltener", sagte der ICIJ-Chefredakteur Michael Hudson über die journalistische Zunft. "Wir leben weiter, haben erlebt, wie Kollegen entlassen werden und wie Zeitungen Konkurs melden. Dann kommt Präsident Trump und erklärt uns zu Volksfeinden. Aber tot sind wir auch noch nicht. Und das wird den Menschen weltweit durch die Panama Papers ganz offensichtlich."

Die Pulitzer-Preisträger 2018 werden am 16. April verkündet.