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Politik

Im Wochenendkurs zum Soldaten

Nina Werkhäuser
11. April 2018

Die Bundeswehr geht ungewöhnliche Wege, um ihre Personalreserven aufzufüllen: Von diesem Donnerstag an erhalten interessierte Zivilisten in Berlin eine militärische Grundausbildung. Schießübungen inklusive.

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Bundeswehr Ausbildung von Reservisten
Bild: Reservistenverband/Dennis Hallac

"Stillgestanden!" oder "Augen geradeaus!" heißt es von diesem Donnerstag an für 19 Zivilisten in der Berliner Julius-Leber-Kaserne. Zuerst werde sie eingekleidet, bekommen also eine Uniform, dann geht es los mit dem militärischen Unterricht. Die "Ungedienten", wie sie in der Bundeswehr genannt werden, sind zwischen 25 und 55 Jahre alt und berufstätig. Ganz freiwillig opfern sie insgesamt 13 Wochenenden für eine militärische Grundausbildung, die mit der regulären Grundausbildung der Soldaten vergleichbar ist. Auf dem Stundenplan stehen Schießübungen, Gefechts- und Wachdienst, ABC-Abwehr, erste Hilfe und rechtliche Fragen.

Zuerst ein Fitnesstest

Natalie Schneider, 32, kam über ihren Verlobten in Kontakt mit der Bundeswehr - und zögerte nicht lange, als sie Ausschreibung für den Kurs sah. Wie alle anderen Teilnehmer - sieben Frauen und 12 Männer - musste sie einen Fitnesstest absolvieren und wurde durch den Militärischen Abschirmdienst überprüft - genau wie "normale" Soldaten auch. Lernen will die Angestellte neben dem militärischen Knowhow auch "selbstsicheres Auftreten", wie sie etwas schüchtern erzählt. Außerdem freue sie sich auf die Kameradschaft in der Gruppe.

Deutschland Natalie Schneider
Kursteilnehmerin Natalie Schneider, Reservistin in speBild: DW/N. Werkhäuser

Einen Kurs, wie in Natalie Schneider ihn macht, gab es bisher nicht in Berlin. Hier bilden die Bundeswehr und der Reservistenverband erstmals gemeinsam "Ungediente" aus, um sie dann für die militärische Reserve zu gewinnen. "Ziel ist es, die aktive Truppe zu entlasten", erklärt Generalleutnant Peter Bohrer, der als stellvertretender Inspekteur der Streitkräftebasis zuständig für die Reservisten ist. Da die Bundeswehr in den vergangenen Jahren stark geschrumpft ist, scheiden weniger Soldaten aus dem aktiven Dienst aus und kommen als Reservisten infrage. Viele Posten sind unbesetzt. "Wir wollen neue, kreative Wege gehen", betont der General.

Stärkeres Interesse an der Bundeswehr

Hinzu kommt, dass Deutschland nicht mehr nur von Freunden umzingelt ist: Die angespannte sicherheitspolitische Lage seit der Annexion der Krim durch Russland trägt mit dazu bei, dass die Bundeswehr ihre Fühler in Richtung "Ungedienter" ausstreckt. Das beruht auf Gegenseitigkeit: In den vergangenen drei Jahren, berichtet der Präsident des Reservistenverbands, Oswin Veith, sei das Interesse an sicherheitspolitischen Themen in der Bevölkerung spürbar gewachsen. Auch an der Bundeswehr. Auf Veranstaltungen werde er gefragt: "Ich bin 45, kann ich da noch was machen?"

Bundeswehr Ausbildung von Reservisten
Auch eine Schießausbildung ist Teil des Programms, allerdings nur am Gewehr Bild: Reservistenverband/Dennis Hallac

So sei das Konzept einer militärischen Grundausbildung entstanden, die Berufstätige mit ihrem Job vereinbaren können. In Bayern und Baden-Württemberg bietet die Bundeswehr bereits ähnliche Kurse an und zieht eine positive Zwischenbilanz. Der Lehrgang in Berlin, für die Teilnehmer kostenlos, ist ein Pilotprojekt. Wenn er gut laufe, werde er fortgesetzt und bundesweit angeboten.

Aufgaben im Heimatschutz

Was genau erwartet die 19 Berliner Kursteilnehmer am Ende des Ausbildungsjahres mit insgesamt 178 Unterrichtsstunden? Eine ganz praktische Aufgabe könnte der Dienst in den "Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien" sein, die bei Naturkatastrophen oder Großereignissen zum Einsatz kommen. Für sie werden dringend Mannschaftssoldaten gesucht. Aber dabei muss es nicht unbedingt bleiben: Der Kurs in Berlin, so General Bohrer, könne durchaus auch der Grundstein für weitere Ausbildungen bei der Bundeswehr sein, etwa zum Feldwebel der Reserve oder zum Offizier der Reserve.

Brmen Ehrenzug der Bundeswehr
In der Reserve fehlen vor allem MannschaftssoldatenBild: Reservistenverband/Detlef Struckhof

Aber ist ein Zivilist, der bisher nie in Berührung mit der Bundeswehr kam und vielleicht über 40 ist, überhaupt geeignet für soldatische Aufgaben? Ausbilder Karsten Ahrens, selbst Oberstleutnant der Reserve, hat da keine Zweifel. "Stück für Stück, Lernziel für Lernziel" werde er die Inhalte vermitteln und bei Bedarf auch wiederholen. "Das wird ganz gemütlich vonstatten gehen, ohne dass ich die Stimme erheben muss", lächelt er. Als Erstes stehe das Thema "Innere Führung" auf dem Stundenplan, am Ende der Ausbildung dann ein feierliches Gelöbnis.

Und welche Pläne hat Teilnehmerin Natalie Schneider, die sich am Donnerstag erstmals "Jäger der Reserve" nennen darf, für die Zeit nach dem Kurs? Bisher noch keine: "Ich muss erst einmal herausfinden, ob das Militärische mir überhaupt liegt."