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Im Zweifelsfall Mitt

4. November 2011

In einem Jahr finden in den USA Präsidentschaftswahlen statt. Amtsinhaber Barack Obama muss um seine Wiederwahl kämpfen. Doch wen die Republikaner als seinen Herausforderer nominieren, ist noch unklar.

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Mitt Romney spricht während einer Wahlkampfveranstaltung (Foto: AP)
Das kleinste Übel? Mitt Romney könnte Präsidentschaftkandidat der Republikaner werdenBild: AP

Präsident Obama hat keinen leichten Stand. Angesichts einer Arbeitslosenquote von neun Prozent und einer stotternden Wirtschaft sind seine Zustimmungswerte auf einen Tiefststand gesunken. Unter seiner Präsidentschaft wurde die Kreditwürdigkeit der USA zum ersten Mal in der Geschichte herabgestuft. Mit seinem Mittelkurs, der als Führungsschwäche aufgefasst wird, hat er gleichzeitig progressive Wähler frustriert, Wechselwähler verprellt und den Konservativen zuletzt mit der Debatte um die Schuldenobergrenze einen Prestigesieg verschafft.

Nur Jimmy Carter schnitt zu diesem Zeitpunkt in der Beurteilung seiner Amtsführung noch schlechter ab. Auch Obamas internationales Ansehen hat gelitten, nicht zuletzt wegen eines Nahost-Friedensprozess, der in Trümmern liegt. Würde heute der US-Präsident gewählt, Obama wäre alles andere als ein klarer Favorit. Eine Tatsache gibt es allerdings, die ihn derzeit der Präsidentschaftswahl gelassen entgehen sehen lässt: Das unübersichtliche Feld derjenigen, die sich um den Platz des Herausforderers bewerben.

Herman Cain, der charismatische Geschäftsmann…

Derzeitiger Favorit in der Gunst der konservativen Wähler ist Herman Cain, der 66-jährige ehemalige Präsident und Geschäftsführer einer Pizzakette. Er wuchs in Atlanta, Georgia, auf in einfachen Verhältnissen geboren und kokettiert damit, dass er noch nie in seinem Leben ein politisches Amt innehatte. Sein Markenzeichen: die Abschaffung des derzeitigen Steuersystems. "Wir ersetzen es mit meinem 9-9-9-Plan", erklärt Cain bei jeder Gelegenheit sein auf den ersten Blick simples Konzept. "Neun Prozent Unternehmenssteuer, neun Prozent Einkommenssteuer und neun Prozent Verkaufssteuer."

Kritiker, die darauf hinweisen, dass sein Plan Milliarden Löcher in den Staatshaushalt reißen würde, bügelt er ab mit dem Hinweis, dass die anziehende Wirtschaft dieses Defizit schon wettmachen würde. Auch die Tatsache, dass der Plan vor allem für weniger Verdienende eine Steuererhöhung bedeutet, wischt er vom Tisch. Die Kritiker würden den Plan eben nicht verstehen, argumentiert er.

…kämpft um seinen Ruf

Auf Fragen nach seinen außenpolitischen Vorstellungen kokettiert Herman Cain gerne mit Unwissenheit - und kommt dennoch bei den Wählerinnen und Wählern gut an. Seinem Wahlkampfteam jedoch gilt als unterbesetzt. Bisher überzeugte Cain mehr durch seine Persönlichkeit als durch gute Organisation. Derzeit hat Herman Cain außerdem gerade mit seiner Vergangenheit zu kämpfen.

In den neunziger Jahren, als er eine führende Position in der Nationalen Restaurant-Vereinigung inne hatte, soll er mindestens zwei Frauen sexuell belästigt haben. In den USA kann das von anzüglichen Bemerkungen bis zu Handgreiflichkeiten alles bedeuten. In Cains Fall ist noch nicht klar, was passiert ist, die Parteien sind an eine Schweigepflicht gebunden. Fest steht offenbar, dass die Frauen Abfindungssummen in mittlerer fünfstelliger Höhe erhalten haben. Cains Popularität hat dies bisher nicht geschadet, sein Wahlkampfteam ließ mitteilen, dass seit den ersten Berichten über die Geschichte Spenden von mehr als 1 Million Dollar eingegangen sind.

Rick Perry, der volksnahe Gouverneur…

Es ist noch nicht lange her, da lag ein anderer Republikaner in der Gunst der Konservativen vorne: Rick Perry, Gouverneur von Texas, der Nachfolger des früheren Präsidenten George W. Bush. Der gebürtige Texaner gibt sich gerne hemdsärmelig und lässt sich beim Jagen fotografieren. "Präsident Obamas Festhalten an der immer gleichen steuer-, regierungs- und regelungsfreundlichen Politik hat unsere Nation verraten", argumentiert er und verweist auf seine Erfolge: "Amerika braucht einen neuen Führer, der Erfolge nachweisen kann bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und einer robusten Wirtschaftspolitik."

Seit Juni 2009, so Perry, seien 40 Prozent aller Arbeitsplätze in den USA in Texas geschaffen worden. Er lässt unerwähnt, dass die Arbeitslosenquote in der gleichen Zeit in Texas dennoch gestiegen ist, weil die Zahl der neuen Jobs nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten konnte.

…kommt im Fernsehen nicht gut rüber

Rick Perry bei einer Rede (Foto: AP)
Rick Perry hat sich durch schlechte Fernsehauftritte ins Abseits manövriertBild: dapd

Neben dem cleveren Einsatz von Zahlen und Statistiken, das im US-Wahlkampf zur Standardprozedur gehört, hat Gouverneur Perry aber aus Sicht der Konservativen Wähler wesentlich gravierendere Image-Probleme. Er begann seine politische Karriere als Mitglied der demokratischen Partei und setzte sich in Texas in die Nesseln, als er 2007 anordnete, dass alle elf- und zwölfjährigen Mädchen gegen HP-Viren geimpft werden sollen. Die Viren sind sexuell übertragbar und können zu Gebärmutterhalskrebs führen. Vor allem für Republikaner, die Enthaltsamkeit vor der Ehe predigen, ein politischer Skandal. Doch auch die Texanischen Demokraten wurden hellhörig, als Beziehungen aus Perrys Umfeld zum Hersteller des Impfstoffs bekannt wurden. Die Gouverneursanordnung wurde mit großer Mehrheit wieder vom Tisch gefegt.

Perrys Zustimmung, dass Kinder von illegalen Einwanderern, die eine texanische Universität besuchen, die gleichen geringeren Gebühren bezahlen wie legale Einwohner des Bundesstaates, passt ebensowenig ins republikanische Konzept wie seine Ablehnung eines durchgängigen Grenzzauns zu Mexiko. Nach ein paar schlechten Auftritten bei den Fernsehdebatten mit seinen Konkurrenten verlor der die Gunst der konservativen Wähler.

Bachmann, Gingrich und die anderen

Ebenfalls nur kurz glühte der Stern von Michelle Bachmann, der Kongressabgeordneten aus Minnesota. Sie ist der Liebling der sogenannten Tea Party, der ultrakonservativen Wählerinnen und Wähler. Doch mit ihren ultra-extremen Ansichten - sie will das Bildungsministerium genauso schließen wie die Umweltbehörde, Iran und China die Stirn bieten und den Obersten Gerichtshof in die Schranken weisen - hätte sie gegen Präsident Obama keine Chance und ist auf die hinteren Plätze der Wählergunst abgerutscht.

Dort tummeln sich auch die anderen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur, wie zum Beispiel Newt Gingrich.

Der ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses erscheint zwar in den häufigen Fernsehdebatten oft als der einzig Vernünftige im Raum, der seine Konkurrenten daran erinnert, dass sie sich weniger gegenseitig als vielmehr gemeinsam Barack Obama angreifen sollten, und er hat durchaus Fans. Echte Chancen werden ihm aber nicht eingeräumt. Auch Jon Huntsman, bis vor kurzem noch Präsident Obamas Botschafter in China, und Rick Santorum, ehemaliger Senator aus Pennsylvania, sowie dem Kongressabgeordneten Ron Paul aus Texas werden keine Chancen eingeräumt, obgleich vor allem Paul, der zum dritten Mal antritt, treue Fans hat.

Mitt Romney schlägt sich solide...

Der ständige Wechsel der Kandidaten in der Gunst der konservativen Wähler zeigt, dass sie nicht wirklich zufrieden sind mit dem Kandidatenfeld. Man wünscht sich eine Reinkarnation von Ronald Reagan, der inzwischen wie ein Heiliger verehrt wird, wobei die Details seiner pragmatischen Politik gerne ausgeblendet werden. Mangels eines zweiten Reagan läuft im Moment aber alles auf Mitt Romney zu, den ehemaligen Gouverneur von Massachusetts.

Die Romney-Anhängerin Jane Lawler-Sabitske (Foto: DW)
Jane Lawler-Sabitske aus Springfield, Virginia, hat Mitt Romney schon im letzten Präsidentschaftswahlkampf unterstütztBild: DW

Romney liegt selten in den Umfragen vorn, oft an zweiter Stelle, dafür aber konstant, und hat bisher in den Fernsehdebatten eine gute Figur gemacht. Vor vier Jahren hat er das Rennen um die Kandidatur verloren, damals war er vor allem zu hölzern. Seitdem ist er lockerer geworden, spontaner und auch ein bisschen aggressiver. Seine Anhänger sind ihm treu geblieben, wie Jane Lawler-Sabitske, die zu einem seiner Wahlkampfauftritte in Fairfax, Virginia, gekommen ist. Romney sei auf vielen Feldern zuhause, nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft, sagt sie und schwärmt: "Er ist ein Problem-Löser und genau das brauchen wir".

…aber ist kein Kandidat der Herzen

Als ehemaliger Geschäftsmann hat Mitt Romney das Geld für eine solide Kampagne, er wird außerdem vom republikanischen Establishment unterstützt. In seinen Auftritten spricht Romney vor allem darüber, wie er die US-Wirtschaft wieder in Schwung bringen will. Er verspricht eine neue Energiepolitik, freien Handel. Amerika soll die treibende globale Wirtschaftskraft werden. Denn auch das macht er klar: "Dieses Jahrhundert muss ein amerikanisches Jahrhundert werden." Und das bedeutet: "die haben USA die stärkste Wirtschaft und das stärkste Militär der Welt" und führen "die freie Welt an und die freie Welt führt den Rest der Welt."

Doch Romneys frühere politische Ansichten machen ihm zu schaffen. Als Gouverneur hat er in seinem Bundesstaat eine staatliche Krankenversicherung durchgesetzt, die als Vorbild für die landesweite Krankenversicherung der jetzigen US-Regierung gilt - und die die Republikaner am liebsten sofort rückgängig machen würden. Auch beim Thema Abtreibung hat er eine Kehrwendung vollzogen. Ein weiteres Problem: Immer wieder wird Romneys Glauben ins Spiel gebracht. Wie Jon Huntsman ist er Mormone - eine Religion, die vielen christlich-evangelikalen Republikanern suspekt ist.

Dennoch: er hebt sich ab von dem übrigen Bewerberfeld, weil er einen soliden Wahlkampf führt, die richtigen Töne trifft, und vor allem, weil er bisher keinen Fehler gemacht hat. Und: weil ihm die größten Chancen gegen den amtierenden Präsidenten eingeräumt werden.

Autor: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Rob Mudge