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Image-Panne beim ADAC

Carla Bleiker21. Januar 2014

Der ADAC fälschte ein Abstimmungsergebnis. Jetzt wird Kritik an der Struktur des Automobilclubs laut: Wie kann ein Verein mit 19 Millionen Mitgliedern so viel Einfluss haben und gleichzeitig so intransparent sein?

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Ein ADAC Wagen mit einer zertrümmerten Hinterseite steht am Rande einer Autobahn - Foto: Jürgen Mahnke (dpa) pixel)
Bild: picture-alliance/dpa

So schnell kann es gehen: Innerhalb weniger Tage wurde der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V. (ADAC) vom gelben zum gefallenen Engel. Der Verein, den Mitglieder unter anderem um Hilfe bitten, wenn sie eine Autopanne haben, hat die Ergebnisse bei der Wahl zum deutschen Lieblingsauto manipuliert.

Beim Autopreis "Gelber Engel" ermittelt der ADAC seit 2005 durch eine Umfrage unter seinen Mitgliedern jedes Jahr das "Lieblingsauto der Deutschen". Gewonnen hat dieses Mal der VW Golf. Das gab die Umfrage auch wahrheitsgemäß wieder. Aber bei der Teilnehmerzahl hat ADAC-Kommunikationschef Michael Ramstetter ordentlich nachgeholfen. Im Dezember 2013 gab der ADAC an, dass 34.299 Stimmen für das Siegerauto eingegangen waren. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) haben aber nur 3409 Mitglieder für den VW Golf votiert. Die Beteiligung lag also zehn Mal niedriger als es Ramstetters gefälschte Zahlen vorgaben.

Deutschlands größter Verein

Der Kommunikationschef trat mit sofortiger Wirkung von seinen Posten zurück. Ramstetter, der außerdem Chefredakteur der ADAC-Zeitschrift "Motorwelt" war, sagte der SZ: "Ich habe Scheiße gebaut und die Zahlen geschönt. Daraus ziehe ich die Konsequenzen und übernehme die Verantwortung."

Der Rücktritt einer Einzelperson reiche aber nicht, kritisieren jetzt Experten. "Ich glaube, hier muss eine Organisationsreform überdacht werden", sagt Betriebswirtschaftsprofessor Manuel Theisen von der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität.

ADAC Abschleppwagen im Vordergrund, dahinter ein Auto mit einem Platten am Haken - Foto: Julian Stratenschulte (dpa)
Pannenhilfe vom ADAC: Vom gelben zum gefallenen EngelBild: picture-alliance/dpa

Das besondere am ADAC ist sein Vereinsstatus. Deutschland gilt als Land der Vereine, fast 600.000 von ihnen gibt es in der Bundesrepublik. Das Sprichwort "Wenn drei Deutsche zusammenkommen, gründen sie einen Verein" kommt also nicht von ungefähr.

Ein Verein ist ein Zusammenschluss von Menschen, die sich gemeinsam für eine Sache engagieren oder ein Hobby ausüben. Die Spannbreite reicht vom Fußball- bis zum Kaninchenzüchterverein. Im ADAC haben sich eben Autofahrer zusammengeschlossen - 19 Millionen von ihnen. Damit ist der ADAC der größte Verein Deutschlands.

Die gelben Engel als Retter in der Not

Am bekanntesten ist der Automobil-Club für seine Pannenhilfe. Das ist auch der Hauptgrund für die hohen Mitgliederzahlen. Wenn man als Mitglied auf der Autobahn liegenbleibt, ruft man den ADAC, der dann Mitarbeiter in den markanten gelben Autos (daher der Spitzname "gelbe Engel") zu Hilfe schickt. Mitglieder, die im Ausland einen Autounfall haben, werden zurück nach Deutschland transportiert. Außerdem testet der Verein die Qualität und Sicherheit von Autos, Reifen oder Kindersitzen.

Das sind aber längst nicht alle Felder, in denen sich der ADAC engagiert. Der Verein hat mehrere Tochtergesellschaften und verdient sein Geld zum Beispiel auch mit Leihwagen, Versicherungen und einem gemeinsamen Fernbus-Unternehmen mit der Deutschen Post.

"Es gibt ganz eindeutig Wirtschaftsbereiche, die mit dem Clubgedanken wenig bis gar nichts zu tun haben", sagt Wolfgang Meinig, Gründer der Forschungsstelle Automobilwirtschaft in Bamberg. "Mir ist es ein Rätsel, wie man einen ursprünglichen Verein so überfrachten kann."

Lobbyismus, aber für wen?

Andere Experten kritisieren die Intransparenz eines so großen Wirtschaftsteilnehmers - Aufsichtsräte oder unabhängige Kontrollen gibt es beim ADAC nicht. "Ein Verein ist nur seinen Mitgliedern Rechenschaft schuldig", sagt Betriebswirtschaftler Manuel Theisen. Ein Kegelclub muss schließlich auch keinem Außenstehenden seine Finanzen offenlegen. Aber 20 Kegler können bei regelmäßigen Treffen gemeinsam Entscheidungen treffen und über die Finanzen ihres kleinen Vereins selbst bestimmen. Das geht bei 19 Millionen Mitgliedern nicht.

Anton Hofreiter - Foto: Sven Hoppe (dpa)
Grünenfraktionschef Hofreiter: "Ich erwarte vom ADAC eine Reflektion"Bild: picture-alliance/dpa

"Ich erwarte vom ADAC eine Reflektion darüber, was die Mitglieder wirklich wollen und nicht einfach immer zu glauben, dass das, was der ADAC-Vorstand will, auch gleichzeitig der Wille der Mitglieder ist", fordert Anton Hofreiter, Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion.

Das Wort des Automobilclubs hat viel Gewicht in Deutschland, auch in Diskussionen über die Promillegrenze am Steuer oder das Tempolimit auf Autobahnen. Hofreiter sagt, er sei skeptisch, wenn er sehe, wie sich der Verein als Vertreter der deutschen Autofahrer in die Politik einmischt. "Wir haben häufig politische Lobbyarbeit erlebt mit der Behauptung 'Der ADAC will das und wir haben 19 Millionen Mitglieder'", so der Grüne im Mitteldeutschen Rundfunk. "Aber als dann mal jemand diese Mitglieder befragt hat, stellte man fest, die wollen da was ganz anderes."

Unabhängige Experten zur Kontrolle

Ob es langfristige Strukturveränderungen beim ADAC geben wird, steht in den Sternen. In den Stimmen-Skandal ums deutsche Lieblingsauto soll sich hingegen jetzt schon der Staatsanwalteingeschaltet haben. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München nannte Berichten zufolge Bestechung oder Vorteilsnahme als mögliche Tatbestände.

Autoexperte Meinig ist der Meinung, der ADAC solle sich bei kommenden Wettbewerben und Tests von unabhängigen Kontrolleuren auf die Finger schauen lassen. "Wer nämlich Noten verteilt oder Personen und Marken aufs Treppchen hieft, der muss höllisch aufpassen, dass er die Wahrheit sagt."