Imageverlust für Saakaschwili
26. Mai 2011Rund 1000 Menschen hatten in der Nacht zum Donnerstag (26.05.2011) gegen den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili demonstriert und seinen Rücktritt gefordert. Sondereinheiten des Innenministeriums gingen auf die Demonstranten los. Die Bilanz: zwei Tote und mindestens 37 Verletzte. Medien sprechen von rund 90 Festnahmen.
DW-WORLD.DE: Frau Kempe, Saakaschwili hat offenbar angeordnet, Demonstrationen auch mit Gewalt aufzulösen. War der Einsatz von Gummiknüppeln, Tränengas und Wasserwerfern wirklich nötig?
Iris Kempe: Das muss man untersuchen. Aber ich würde die ganz kritische Frage stellen: War diese Gewalt nötig, hätte man nicht andere Strategien gehabt? Was ist passiert? Das kann man nicht einfach so stehen lassen.
Bedeutet das einen Imageverlust für Saakaschwili?
Das ist ein wahnsinniger Imageverlust. Saakaschwili muss sich jetzt wirklich anstrengen, um sein Image wieder zu kitten. Der Kratzer am georgischen Unabhängigkeitstag ist tief. Man muss sich auch fragen, wer hinter den Protesten steckt. Was wollten die Demonstranten? Die Meinung über Saakaschwili ist in der breiteren georgischen Öffentlichkeit nicht besonders gut. Es gibt viel Kritik, die sich vor allem festmacht an Fehlern in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, aber auch an den Schwierigkeiten mit Abchasien und Südossetien. Nino Burdschanadse, die Führungsperson dieser Proteste der außerparlamentarischen Opposition, ist eigentlich genauso unbeliebt. Sie versammelt keine großen Massen hinter sich. Die Forderung war sehr singulär: Saakaschwili soll zurücktreten. Es ist überhaupt nicht zu sehen, welche Programmatik sie hat. Eine Sache, die sehr im Hintergrund bleibt, ist, welche Rolle Russland bei der Unterstützung Burdschanadses spielt. Das ist auch eine kritische Frage.
Früher wurde Saakaschwili oft nach Europa eingeladen. Jetzt sieht es aus, als sei er dort unerwünscht. Kann man von einer Isolation sprechen?
Es ist keine ausgesprochene, manifestierte Isolation, aber das Interesse an Georgien ist aufgrund verschiedener Faktoren schwach. Aus deutscher Perspektive beispielsweise will man traditionell gute Beziehungen zu Russland haben und sich diese nicht verscherzen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Auch das wirtschaftliche Interesse ist insgesamt gering. Georgien ist für Investoren ein kleiner Markt.
Wie wird sich die Lage in Georgien weiter entwickeln?
Nächstes Jahr sind Parlamentswahlen, im Jahr darauf sind Präsidentschaftswahlen. Die Spannungen könnten zunehmen. Und dann ist da die Frage einer Verfassungsänderung: wird Saakaschwili Premierminister oder nicht? Also das Putin-Szenario. Bislang haben sich die Proteste auf Tiflis beschränkt, es waren keine landesweiten Massenproteste. Aber ich rechne auch weiterhin mit Protesten, die eskalieren können.
Das Interview führte Viacheslav Yurin
Redaktion: Markian Ostaptschuk