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Immer am Drücker

Shikiba Babori (rri)8. Oktober 2008

Nur wenige Frauen in Afghanistan führen ein selbstbestimmtes Leben. Eine, die es geschafft hat, ist die Pressefotografin Farzana Wahidy. Auch westliche Medien vertrauen auf den Blick der nun preisgekrönten Journalistin.

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Mädchen malt auf einem Blatt (23.5.07, Kabul - Afghanistan, Quelle: AP)
Frauen im Fokus: Wahidys Bild der 12-jährigen Norzia, die einmal eine Malerin werden möchteBild: AP
Männer und Frauen einer Familie sitzen zusammen (1.7.07, Jalalabad - Afghanistan, Quelle: AP)
Alltag im afghanischen JalalabadBild: AP

Stolz erzählt Farzana Wahidy von dem Foto, mit dem sie erstmals Aufsehen erregte. Es hängt heute in der Schule für Fotografie in Kabul. Darauf ist eine enge Gasse zu sehen und der Rücken eines alten Mannes, der die traditionelle Männertracht trägt: Eine weite Hose und darüber ein langes Hemd, auf seinem Kopf ein Turban. Der Mann schiebt eine Schubkarre vor sich her. Ein Gemäuer rechts und links der Gasse säumt den Weg, der im Nirgendwo zu enden scheint. "Das Foto habe ich in der Altstadt von Kabul gemacht. Meinem Lehrer hat es damals sehr gut gefallen. Er zeigte es jedem, der unsere Schule besuchte", sagt die 25-Jährige.

Krieg und Unterdrückung haben nicht nur ihre Kindheit geprägt, sondern gehören bis heute zum Alltag der jungen Fotografin. Die Situation der afghanischen Frauen ist prekär, nur wenige sind finanziell unabhängig. Dessen ungeachtet kommt Wahidy seit ihrem 13. Lebensjahr für ihren eigenen Unterhalt und den ihrer drei jüngeren Geschwister auf sowie deren Erziehung. Ihre Mutter ist früh gestorben. Der Vater war in Kriegsgefangenschaft und hat bis heute keine Arbeit gefunden. Daher war es Wahidy immer sehr wichtig, auf eigenen Füßen zu stehen. Sie scheute keine Mühen und arbeitete bereits neben der Schule. Der Beruf der Fotografin ergab sich für sie aber eher zufällig: "Früher hat mich Fotografie überhaupt nicht interessiert. Ich wollte Journalistin werden. Durch Reportagen wollte ich der Welt die Situation der Menschen in Afghanistan vor Augen führen. Aber vor allem hoffte ich, frei und unabhängig zu sein."

"Hauptsache Journalist"

Verschleierte Frau, neben ihr ein Kind, dessen Kopf verdeckt ist (8.45.07, Kabul - Afghanistan, Quelle: AP)
Eine Frau bettelt in Kabul, ihr Sohn schläft neben ihrBild: AP

Doch durch Kollegen hörte sie eines Tages von Kursen zur Ausbildung von Fotojournalisten. "Ich war damals in der neunten Klasse. Als ich den Beruf Fotojournalist hörte, dachte ich 'Oh prima, da kommt ja das Wort Journalist drin vor!' " Die damals gerade 17-Jährige bewarb sich. Weil sie befürchtete zu jung zu sein, änderte sie ihr Alter im Pass – und wurde so auf einmal fünf Jahre "älter". "Es dauerte noch zwei Wochen, bis ich durch die Zeitung das Ergebnis erfuhr", sagt Wahidy. "Ja, ich hatte tatsächlich alles bestanden."

Farzana Wahidy arbeitet heute als Fotografin für die Nachrichtenagentur Associated Press. Dass Frauen überhaupt diesen Beruf in Afghanistan ausüben, ist allerdings alles andere als selbstverständlich. Oft muss sie für ihre Aufträge in die Provinzen reisen und ist dabei ganz auf sich selbst gestellt. Es gehört Mut dazu, sich in einem von Männern dominierten Land als Frau alleine fortzubewegen. Hinzu kommt die schlechte Infrastruktur Afghanistans. Es gibt kaum öffentliche Verkehrsmittel außerhalb der größeren Städte. Die Straßen sind selten asphaltiert und überall lauern Minen. Doch Wahidy ist von ihrer Arbeit so überzeugt, dass sie diese Gefahren auf sich nimmt.

Eingeholt von Kindheitserinnerungen

Mehrere verschleierte Frauen gehen hintereinander eine Straße entlang, am Rand Häuser (28.6.07, Kabul - Afghanistan, Quelle: AP)
Straßenszene in KabulBild: AP

Dabei ist sie nicht nur körperlichen Bedrohungen ausgesetzt, sondern stößt auch psychisch an die Grenze ihrer Belastbarkeit. "Es belastet mich immer, wenn ich an Orten arbeite, wo ein Anschlag verübt wurde. Ich werde immer wieder von den Ängsten aus meiner Kindheit eingeholt. Wie die Bomben fielen und die Menschen panisch durch die Gegend liefen. Natürlich mache ich meine Arbeit, aber danach bin ich immer sehr niedergeschlagen."

Farzana Wahidys Arbeitsalltag unterscheidet sich zunächst kaum von dem ihrer ausländischen Kollegen. Der Tag beginnt mit journalistischen Routinearbeiten im Büro: E-Mails checken, Themen recherchieren, sich mit Auftraggebern abstimmen. Die Auftragslage ist gut, die 25-Jährige hat viel zu tun, denn die internationalen Agenturen sind angewiesen auf Fotografen vor Ort.

Vorurteile und ein Preis

Mehrere Männer in schwarzen Anzügen (12.8.07, Kabul - Afghanistan, Quelle: AP)
Auch die Mächtigen hat Wahidy immer wieder im Fokus. Hier Pakistans Ex-Präsident MusharrafBild: AP

Farzana Wahidy war schon immer selbstbewusst und zielstrebig. Und sie scheut sich nicht vor der Konfrontation mit uneinsichtigen Männern, denen sie tagtäglich begegnet. "Ich treffe Männer, die froh sind, wenn sie eine Frau sehen, die so arbeitet", berichtet sie. Es gebe aber auch welche, denen das gar nicht gefällt. "Dann fangen die oft die alte Leier an, dass Frauen doch nichts in der Öffentlichkeit zu suchen hätten, geschweige denn mit einer Kamera und so weiter und so fort." Doch Wahidy lässt sich davon nach eigenem Bekunden nicht irritieren. "Ich finde, ich kann alles machen, was ich möchte!"

Soldaten in Wüstenlandschaft (29.1.08, Kabul - Afghanistan, Quelle: AP)
Wahidy wirft einen Blick auf deutsche BundeswehrsoldatenBild: AP

Zudem weiß Farzana Wahidy genau, wie sie durch die universale Sprache der Bilder eine Geschichte erzählen kann. Internationale Bestätigung erhielt sie Anfang Oktober beim "All Roads Film Festival" in Washington. Beim Wettbewerb der Zeitschrift National Geographic wurde sie für ihre Fotodokumentation "Die Geschichte der afghanischen Frauen" ausgezeichnet. Der Wettbewerb unterstützt Filmemacher und Fotografen aus indigenen Völkern und ethnischen Minderheiten dabei, Alltag und Wandel ihrer Kultur zu dokumentieren.

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