1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Katastrophe

Immer mehr Details zu Atomunfall in Russland

11. August 2019

Bislang war von offizieller Seite nur von einer Explosion bei einem Raktentriebwerk-Test die Rede. Nun geben die Behörden zu: Das Unglück auf einem Militärstützpunkt bei Sewerodwinsk hatte einen "atomaren Charakter".

https://p.dw.com/p/3Njwi
Russland Moskau | Rosatom auf der Russian Energy Week 2017
Logo der russischen Atombehörde RosatomBild: picture-alliance/dpa/Sputnik/E. Biyatov

Mit mehrtägiger Verzögerung haben die russischen Behörden Einzelheiten zu dem atomaren Unfall preisgegeben, der sich am vergangenen Donnerstag auf einem Militärstützpunkt am Weißen Meer ereignete. Auf dem Testgelände Nyonoska, rund 30 Kilometer von der Stadt Sewerodwinsk entfernt, hatte es eine Explosion auf einer Plattform im Meer gegeben.

Nach den nun vorliegenden Informationen kamen bei dem Vorfall fünf, wenn nicht sogar sieben Menschen ums Leben. Zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium zwei Tote und sechs Verletzte bestätigt. Den Angaben zufolge gab es außerdem eine atomare Verstrahlung von bis zu 2,0 Microsievert pro Stunde. Dieser Wert hielt laut Angaben des örtlichen Katastrophenschutzes für eine halbe Stunde an. Der reguläre Höchstwert beträgt 0,6 Microsievert pro Stunde.

Eintrag über Strahlenwerte gelöscht

Auch nach den neuen Erklärungen von Verteidigungsministerium, Atombehörde Rosatom und russischer Armee bleiben einige Fragen ungeklärt. So stellten die Behörden nicht klar, ob die von Rosatom bestätigten fünf Todesfälle eigener Mitarbeiter um zwei Todesfälle von "Spezialisten" ergänzt werden müssen, die kurz nach dem Unglück von der Armee bekanntgegeben wurden.

Russland Stadt Sewerodwinsk Luftaufnahme
Sewerodwinsk (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/S. Bobylev

Obwohl russische Medien bereits am Tag des Unfalls von einer erhöhten Strahlung berichtet hatten, gaben die Moskauer Behörden den Austritt von Radioaktivität erst zwei Tage später bekannt. Zwar hatten die lokalen Behörden in Sewerodwinsk schon am Donnerstag auf der städtischen Homepage von einem "kurzen Anstieg des Strahlenniveaus" berichtet. Dieser Eintrag war im Laufe des Tages allerdings wieder gelöscht worden. In der 190.000 Einwohner-Stadt Sewerodwinsk setzten danach Panikkäufe von Jod-Präparaten ein.

"Nicht vergleichbar mit Reaktorunfall"

Inzwischen teilte Rosatom mit, Mitarbeiter seien damit beauftragt gewesen, die "isotopische Energiequelle" für eine Rakete zu betreiben, die auf der Plattform getestet wurde. Nach Einschätzung des US-Instituts für Internationale Studien in Middlebury dürfte es sich dabei um eine atomar betriebene Rakete von Typ 9M730 Burewestnik handeln. Diese Rakete, die im Februar erstmals vom russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgestellt wurde, wird im NATO-Jargon auch als SSC-X-9 Skyfall bezeichnet.

Nach Angaben des Instituts für Nuklearforschung in Moskau werden isotopische Energiequellen vor allem in der Raumfahrt genutzt. Sie stellten für die Nutzer normalerweise keine Gefahr dar. Die von ihnen ausgehende Radioaktivität sei "absolut nicht vergleichbar mit der von ernsthaften Unfällen in Reaktoren".

Ukraine Tourismus in Tschernobyl
Strahlenmessung vor dem Sarkophag der Reaktor-Ruine in Tschernobyl Bild: DW/K. Dambach

In der früheren Sowjetunion ereignete sich 1986 das Atomunglück von Tschernobyl. Die Behörden versuchten damals, das Ausmaß der Katastrophe zu verschleiern, das sich als schwerster Atomunfall in der Geschichte herausstellte. 30 Menschen starben bei der Explosion in Tschernobyl, Hunderte an den Spätfolgen. In weiten Teilen der damaligen Sowjetunion und Europas wurde über längere Zeit erhöhte radioaktive Strahlung gemessen.

cw/hf (afp, dpa)