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"Immer mit der Ruhe!"

Udo Bauer12. August 2002

Wer glaubt, ganz Amerika würde dem Präsidenten mit Begeisterung in einen Krieg gegen Irak folgen, der sieht sich getäuscht. Die politischen Talkshows in den vergangenen Tagen waren für Überraschungen gut.

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Viele Politiker auf Capitol Hill stellen eine militärische Option grundsätzlich in Frage. Ausgerechnet Richard Armey hatte die Diskussion losgetreten und die rhetorische Bremse gezogen. Der einflussreiche Rechtsausleger und republikanischer Fraktionsführer im Repräsentantenhaus hatte in der vergangenen Woche gesagt, dass er noch keinen ausreichenden Grund für einen Krieg sehe. Er war damit seinem Parteifreund George W. Bush ganz schön in die Parade gefahren. Offenbar hat diese Kritik am Säbelrasseln des 'Commander in Chief' andere Politiker ermutigt, am Wochenende nachzulegen. Senator Carl Levin, immerhin der Vorsitzende des Militärausschusses, hatte sogar den Mut zu behaupten, dass die bisherige Eindämmungspolitik, also die Sanktionen in Verbindung mit den Flugverbotszonen im Irak, "ganz gut funktioniert."

Kein Selbstmörder

Er, Levin, könne sich nicht vorstellen, dass Irak wirklich eine Massenvernichtungswaffe einsetzen würde, weil Saddam ja wisse, dass das sein Todesurteil sei. Zitat: "Er ist ein Überlebenskünstler, kein Selbstmordattentäter." Das war harter Tobak für die Amerikaner, die fest daran glauben, dass der Diktator von Bagdad ein "Madman" ist, ein Verrückter, dem Rationalität absolut fremd ist. Genau auf dieser Prämisse beruht die Argumentation für einen Krieg gegen Irak. Die Rede ist ja von einem Präventivschlag, und das ist ein Schlag, der etwas verhindern soll, nämlich den Einsatz von irakischen Massenvernichtungswaffen.

Aufruf zur Besonnenheit

Dann meldete sich noch die demokratische Senatorin Barbara Boxer mit einem Plädoyer für einen "systematischen Weg" zu Wort. Das ist zunächst einmal der Versuch, auf diplomatischem Wege die Rückkehr der Waffeninspektoren zu erreichen, gefolgt von einer Bestandsaufnahme des tatsächlichen Ausmaßes der Bedrohung. "Immer mit der Ruhe," mahnte die Senatorin. Die Diskussion um Sinn oder Unsinn eines Kriegsgangs hat in den USA noch nicht einmal richtig begonnen. Der Kongress ist in der Sommerpause, und die endet erst Anfang September. Danach werden Anhörungen stattfinden, in denen sich die Parlamentarier von den Protagonisten der Regierung die wirklich interessanten Fragen beantworten lassen. Nicht ausgeschlossen, dass Kriegsbefürworter wie Rumsfeld, Wolfowitz, Cheney und Co. dort im Kongress auf ziemlich heißen Stühlen sitzen werden.

Viele offene Fragen

Über den Krieg ist bisher viel geredet worden, dass er teuer wird, dass er verlustreich wird, und, und, und. Bisher aber hat sich aber noch niemand in der Bush-Administration dazu geäußert, was nach einem gewonnenen Krieg im Irak passieren muss. Dass es möglicherweise eine jahrzehntelange Friedensmission geben muss, gepaart mit einem Wiederaufbauprogramm, das alle Bereiche des Staates umfasst. Den Irak auf diese Weise zur weltweit ersten arabischen Demokratie zu machen, das wird womöglich eine größere Kraftanstrengung, als es der Krieg ist, warnen Experten. Und es wird wahrscheinlich auch teurer. Wenn all diese offenen Fragen einmal beantwortet sind, dann wird sich unter Umständen auch so mancher Falke in Washington bemühen, seine Kriegsrhetorik ein wenig zu zügeln. Warten wir es ab.