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Immigrant als Informant?

Sven Pöhle17. Mai 2014

Die Hauptstelle für Befragungswesen sammelte jahrzehntelang Informationen von Asylbewerbern in Deutschland. Ende Juni soll die Behörde zwar abgeschafft werden, das Aushorchen der Flüchtlinge hört damit aber nicht auf.

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Hauptstelle für Befragungswesen in Berlin (Foto: imago/Stefan Zeitz)
Bild: imago/Stefan Zeitz

Im Sommer geht mit der Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) ein Stück deutscher Geheimdienstgeschichte zu Ende. Mehr als 50 Jahre lang existierte die dem Bundesnachrichtendienst (BND) zugeordnete Behörde weitgehend unbekannt. Nachdem im vergangenen November allerdings publik geworden war, dass Geheimdienste dort systematisch Asylbewerber aushorchen, kündigte die Bundesregierung kurze Zeit später das Ende der Behörde an.

Ende der Behörde bedeutet kein Ende der Befragungspraxis

Derzeit arbeiten noch rund 40 Mitarbeiter bei der HBW, erklärte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im April. Es sei beabsichtigt, die HBW zum 30. Juni 2014 aufzulösen, teilte der Bundesnachrichtendienst auf Anfrage der DW mit.

"Statt die Behördenpraxis zu hinterfragen und zu ändern, wird hier ein plumpes Ablenkungsmanöver veranstaltet", kritisiert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Jan Korte, in einer Stellungnahme für die DW. "Der BND bringt einfach neue Türschilder an, und Menschen in Notsituationen werden weiterhin ausgenutzt."

Denn die Befragung von Asylbewerbern endet mit der Abwicklung der Hauptstelle für Befragungswesen nicht. Die deutschen Nachrichtendienste können wohl auch in Zukunft Informationen von Asylbewerbern in Deutschland abschöpfen. So steht es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Demnach übermittelt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zudem weiterhin Informationen aus Asylverfahren an den Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Flüchtlinge im Grenzdurchgangslager Friedland (Foto: Swen Pförtner/dpa)
Gegenleistungen für Informationen erhielten die Asylbewerber laut Bundesregierung nichtBild: picture-alliance/dpa

So lange eine Befragung von Asylbewerbern durch die Geheimdienste offen geschehe, habe er keine Einwände, sagt der auf Ausländerrecht spezialisierte Rechtsanwalt Victor Pfaff, der Gründungsmitglied der Organisation "Pro Asyl" ist. Problematisch sei es, "wenn der Asylantragssteller im Glauben gelassen wird, es geht ausschließlich um die Frage, ob er als Flüchtling anerkannt werden muss oder nicht und aufgefordert wird, offen und wahrheitsgemäß Angaben zu machen." Denn wenn die persönliche Anhörung im Asylverfahren genutzt werde, um geheimdienstliche Erkenntnisse abzuschöpfen, sei dies ein Missbrauch des Verfahrens. "Der Asylantragssteller muss sich darauf verlassen können, dass das, was er sagt, nicht weitergegeben und ausschließlich zur Überprüfung seines Asylgesuchs verwendet wird," so Pfaff. Die Praxis habe allerdings gezeigt, dass sehr schnell eine Anerkennung ausgesprochen und ein Reiseausweis für Flüchtlinge ausgestellt wird, wenn der Antragssteller geheimdienstlich relevante Informationen mitteilen konnte.

Umstrittene Weitergabe von Erkenntnissen an alliierte Geheimdienste

Diese Informationen wurden auch mit befreundeten Geheimdiensten geteilt. Im November 2013 hatte der BND gegenüber der Deutschen Welle bestätigt, dass ihm die von der Hauptstelle für Befragungswesen erhobenen Daten zur Verfügung stehen und diese gegebenenfalls auch an internationale Partner weitergegeben werden. Dies soll auch nach dem Ende der Behörde so fortgeführt werden: "Der allgemeine Erkenntnisaustausch mit ausländischen Nachrichtendiensten" bleibe unberührt, so die Bundesregierung in ihrer Antwort an die Linkspartei.

Symbolbild: eine Predator Drohne (Foto: AFP)
Nach Recherchen der SZ und des NDR spielten die Informationen eine Rolle im US-DrohnenkriegBild: Getty Images

Die Weitergabe bestimmter Informationen der Asylbewerber ist umstritten. Denn dadurch könnte Deutschland an gezielten Tötungen der USA in anderen Ländern beteiligt sein. Umstritten ist dabei auch, welche Daten übermittelt werden dürfen. Nach Ansicht der Bundesregierung sind beispielsweise Mobilfunkdaten zur "konkreten Zielerfassung" zu ungenau. IT-Sicherheitsexperten widersprechen: Technisch sei es jederzeit möglich, die Position eines Mobiltelefons von jedem Ort der Welt aus zu lokalisieren.

Nach Berichten der Süddeutschen Zeitung (SZ) und des Norddeutschen Rundfunks (NDR) haben die USA in der Vergangenheit für Drohnenangriffe auf Informationen zurückgegriffen, die von Asylbewerbern in Deutschland stammten. Daten wie Handynummern könnten beispielsweise dabei helfen, Terrorverdächtige aufzuspüren, festzunehmen und gegebenenfalls zu töten.

Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf das sogenannte Übermittlungsverbot. In dieser internen Dienstvorschrift bei der Weitergabe von Erkenntnissen an internationale Partner heißt es unter anderem: "Die übermittelten Daten dürfen nicht als Grundlage oder Begründung für (…) eine Verurteilung zum Tode verwendet werden."

Man gehe davon aus, dass "Informationen aus den Befragungen in das allgemeine Lagebild der ausländischen Nachrichtendienste eingeflossen sind", heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Man habe aber keine Kenntnis, wie genau die weitergeleiteten Daten von verbündeten Geheimdiensten genutzt werden.

"Das fragwürdige Abschöpfen von Hilfesuchenden muss umgehend beendet werden", fordert daher Jan Korte von der Linkspartei. "Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung nicht einmal ausschließen kann, dass die gewonnenen Informationen zu völkerrechtswidrigen tödlichen US-Drohneneinsätzen verwendet wurden."

Zu einem Ende der Befragungen kommt es vorerst aber nicht. Wie genau diese in Zukunft aussehen, ist unklar. Ebenso wer sie durchführt und ob sich die Geheimdienstler den Asylbewerbern offen zu erkennen geben. Wie der Bundesnachrichtendienst künftig in dieser Frage vorgeht, wollte man unter Verweis auf die Geheimhaltung nicht mitteilen.