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In Skandinavien haben Linksparteien Erfolg

Das Gespräch führte Judith Weber27. August 2005

Die Linkspartei ist und bleibt in Deutschland umstritten. Das sei in Skandinavien anders, sagt der Politikwissenschaftler Matthias Micus von der Universität Göttingen im Gespräch mit DW-WORLD.

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Die schwedischen Linken sitzen im Parlament.Bild: dpa - Bildarchiv

DW-WORLD: Sind Linksparteien in anderen europäischen Ländern akzeptierter als in Deutschland?

Matthias Micus: In den skandinavischen Ländern oder in den Niederlanden sind solche Parteien wesentlich etablierter. Die Parteien gründen, besonders, wenn man auf Skandinavien schaut, auf einer langen Tradition. Sie sind in der Regel in den 70er Jahren entstanden und damit schon sehr viel älter als die Linkspartei in Deutschland. Vor allem aber sind sie Abspaltungen oder Fortentwicklungen, Umbenennungen von ehemaligen etablierten kommunistischen Parteien und haben insofern ein ganz anderes Fundament als die neu entstandene Linkspartei in Deutschland.

Wie erfolgreich sind die Linksparteien in Skandinavien?

In Skandinavien sind die Linksparteien akzeptierter und integrierter Bestandteil des Parteiensystems. Dort sind sie im Parlament vertreten, erreichen Wahlergebnisse zwischen fünf und zehn Prozent. Gerade in den letzten zehn Jahren hat es dort eine grundsätzliche Stärkung der Linksparteien gegeben.

Woran liegt das?

Das liegt daran, dass überall in Europa die an der Regierung befindliche Sozialdemokratie in den letzten Jahren einen wirtschafts- und sozialpolitischen Kurs steuern musste, der auf Sozialabbau, auf Haushaltskonsolidierung etc. hinauslief und damit natürlich die wohlfahrtsstaatliche Linke für eine neue Linkspartei freimachte.

In welchem skandinavischen Land sind Linksparteien besonders stark?

Besonders stark waren sie in der Vergangenheit in Schweden. Dort hatte die Linkspartei 1998 einen hohen Wahlsieg mit einem zweistelligen Ergebnis errungen. Nach 1998 konnte die schwedische Sozialdemokratie auf Grund sich verbessernder Wirtschaftsdaten und eines konsolidierten Haushaltes einen Schwenk nach Links vornehmen und wieder stärker ihre klassische Klientel bedienen. Doch sie regieren in einer Minderheitenregierung, die Linkspartei toleriert und unterstützt die Sozialdemokratie.

Heißt das, dass Sozialdemokratie und Linkspartei, anders als in Deutschland, in den skandinavischen Ländern kooperieren?

Ja, und das liegt im Wesentlichen daran, dass die Linkspartei hier in Deutschland in ihrer Westkomponente als WASG eine Abspaltung der Sozialdemokratie ist. Die WASG im Westen setzt sich ja hier vor allem aus enttäuschten und frustrierten Sozialdemokraten zusammen. Solche Abspaltungen können in ihrer Entstehungsphase ja nie ein freundschaftliches Verhältnis zu der Mutterpartei haben. Dann kann man nicht sofort koalitionsfähig sein. Das ist in den skandinavischen Ländern anders. Denn die Linksparteien sind ja eben nicht gerade aus sozialdemokratischen Parteien hervorgegangen, sondern aus kommunistischen Parteien. Der Zugang für die Parteien zueinander war so viel einfacher.

Die Linkspartei in Deutschland sorgt für viele Emotionen. Können Sie das nachvollziehen?

Verstehen kann man das insofern, als dass natürlich eine gravierende Veränderung des bestehenden Parteiensystems impliziert ist und das gibt es ja so häufig in Deutschland nicht. Wir verfügen über ein sehr stabiles Parteiensystem über viele Jahrzehnte. Neue Konkurrenten hatten kaum eine Chance. Die einzige wirklich erfolgreiche Neugründung waren die Grünen, aber damit hatte es sich auch schon. Jetzt deutet sich an, zumindest für die nächste Wahl auf Bundesebene, dass mal die Linkspartei als neuer Konkurrent auf die politische Bühne tritt.

Der Politologe Matthias Micus ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der AG Parteienforschung der Universität Göttingen.