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Richtet Texas Geisteskranken hin?

3. Dezember 2014

Fast 100.000 Amerikaner haben eine Internet-Petition unterschrieben, um den geisteskranken Scott Panetti vor der Giftspritze zu bewahren. Dennoch soll der verurteilte Doppelmörder jetzt in Texas hingerichtet werden.

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Eine Giftspritze mit US-Fahne vor Totenkopfsymbol (Foto: Imago)
Bild: imago/blickwinkel

Es muss ein bizarrer Anblick gewesen sein. 1995 musste sich Scott Panetti in Texas wegen zweifachen Mordes vor Gericht verantworten. Er verteidigte sich selbst und erschien im Cowboy-Kostüm mit Riesenhut zum Prozess. Vor Gericht versuchte er, 200 Zeugen vorzuladen, unter ihnen Präsident John F. Kennedy, den Papst und Jesus Christus. Im Prozess sprach er von sich in dritter Person und in verschiedenen Tonlagen. Nach Angaben seiner Anwälte glaubt er, dass er hingerichtet werden soll, weil Satan es so will - als Strafe dafür, dass er im Gefängnis aus der Bibel gepredigt habe. Das Gericht befand Panetti schuldig und verurteilte ihn zum Tod.

Schon vor einigen Jahren sollte der Täter hingerichtet werden. Doch der Oberste Gerichtshof stoppte kurz vorher die Exekution- mit der Begründung, das zuständige Gericht habe ein Urteil von 1986 fehlerhaft ausgelegt. In jenem Jahr hatte der Supreme Court im Kern entschieden, dass Geisteskranke nicht hingerichtet werden dürften. 2007 erließ der Supreme Court ein Exekutionsverbot für Häftlinge, die geistig nicht in der Lage sind zu begreifen, warum sie hingerichtet werden sollen. Panettis Fall wurde erneut untersucht. 2008 entschied ein Gericht, er könne hingerichtet werden.

Krankheit nur vorgetäuscht?

Das sieht auch die Staatsanwaltschaft so. Sie argumentiert, dass der Mörder seinen Zustand vortäusche. Nach einem Bericht der "New York Times" sollen heimlich aufgezeichnete Gespräche des Häftlings mit seinen Eltern beweisen, "dass er rational das Verhältnis zwischen seinem Verbrechen und der Bestrafung versteht" und "dass er seine Symptome (...) stark übertrieben hat, wenn er beobachtet wurde".

An diesem Mittwochabend soll Panetti nun um 18.00 Uhr (Donnerstag 01.00 Uhr MEZ) im Staatsgefängnis von Huntsville eine tödliche Giftspritze erhalten. Seine Chancen, der Spritze zu entgehen, sind gesunken. Der Begnadigungsausschuss in Texas lehnte am Montag eine Umwandlung des Todesurteils in lebenslange Haft ab. Zudem wandte sich das zuständige texanische Berufungsgericht nach Medienberichten gegen einen Aufschub der Exekution.

Letzte Hoffnung Perry?

Jetzt konzentrieren sich die Hoffnungen Panettis und seiner Fürsprecher auf den republikanischen Gouverneur Rick Perry. Panettis Anwälte haben ihn um eine Verschiebung der Hinrichtung um 30 Tage gebeten. Das soll ihnen die Möglichkeit geben, Beweise dafür vorzulegen, dass Panettis Geist gestört ist. Panettis Rechtsbeistand Gregory Wiercioch berichtet, der Häftling habe ihm gesagt, Gefängnisärzte hätten ihm Geräte in die Zähne implantiert, die Kommandos an sein Hirn senden würden. Bereits als Schüler habe er in einem Museum in Chicago einen Streit mit dem heutigen Präsidenten Barack Obama gehabt. Sein Zahn habe ihm empfohlen, sich nun brieflich bei Obama zu entschuldigen.

Nach Darstellung der Anwälte hat sich der Zustand Panettis seit seiner Jugend zunehmend verschlechtert. So sei er davon überzeugt gewesen, dass er sich in einem Kampf mit Satan befinde. Er habe die Möbel aus seinem Haus im Garten vergaben, um den Teufel aus den eigenen vier Wänden zu vertreiben. Dazu passen die Umstände des Doppelmordes: Am 8. September 1992 rasierte er sich den Kopf, zog militärische Kleidung an und erschoss in der texanischen Stadt Fredericksburg seine Schwiegereltern mit einem abgesägten Jagdgewehr - vor den Augen seiner Frau und seiner dreijährigen Tochter.

Andere Gegner einer geplanten Hinrichtung erinnern daran, dass der heute 56-Jährige schon als Teenager Zeichen von Psychosen aufgewiesen habe. Bereits 1978, also 14 Jahre vor den Morden, sei bei ihm Schizophrenie diagnostiziert worden. Vor der Bluttat sei er 15 Mal wegen seiner psychischen Probleme im Krankenhaus behandelt worden.

Verfassung verbietet grausame Strafen

Nie im Leben hätte er sich selbst verteidigen dürfen, schrieb Ron Homberg von der National Alliance on Mental Illness in der "Los Angeles Times". Ihn hinzurichten wäre ein eklatanter Verstoß gegen die Verfassung, die "grausame und ungewöhnliche Bestrafungen" verbiete. Auch völkerrechtlich gilt die Hinrichtung psychisch Kranker und geistig Behinderter als tabu. In mehreren Resolutionen hat die UN-Menschenrechtskommission diese Praxis verurteilt.

Selbst 21 namhafte Konservative, darunter der frühere Präsidentschaftsbewerber Gary Bauer und der ehemalige Justizminister von Virginia, Ken Cuccinnelli, haben sich bei Gouverneur Perry für Panetti eingesetzt. Aber wird das helfen? In Texas wurden seit der Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 in den USA 518 Häftlinge hingerichtet, weit mehr als in jedem anderen US-Staat. Und Perry gilt als ein strikter Befürworter der Todesstrafe.

kle/uh (dpa, ape, rtr, sueddeutsche.de)