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In Wort und Bild - Fernsehen aus dem kenianischen Slum

19. Mai 2010

Armut, Gewalt und Dreck prägen meist das Leben im Slum. 20 junge Leute in Kenias Hauptstadt Nairobi haben einen Ausweg gefunden: Sie filmen ihren Alltag - und ermöglichen sich so die Chance auf ein neues Leben.

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Mathare schaut Slum-TVBild: Slum-TV

Als seine Mutter starb, war Collins Omondi gerade einmal 14 Jahre alt. "Ich konnte nicht mehr zur Schule gehen, sondern musste Geld verdienen, um die Familie zu ernähren", erzählt er. Sein weiteres Leben in Mathare, einem Slum in Nairobi, schien klar - bis ein Freund ihn mitnahm zu Slum TV, einem Filmprojekt im Viertel. "Und seitdem komme ich immer wieder hierher", sagt Collins lachend.

Slum-TV Kenia
Reporter von Slum-TV bei der ArbeitBild: Slum-TV

Insgesamt 20 junge Menschen drehen für Slum TV kurze Dokumentationen über ihren Alltag und das Leben in Mathare. Ihr bisher größtes Projekt heißt "Peace Exchange", Friedens-Austausch. Die Beiträge drehen sich um Gruppen, Kirchen oder einzelne Leute, die versuchen, Harmonie und Frieden in das Viertel und zu den verschiedenen ethnischen Gruppen zu bringen.

Glanzlichter im tristen Alltag

Dass die Arbeit von Omondi und seinen Freunden ankommt, zeigt sich, wenn sie ihre Leinwand auspacken. Dann verwandelt sich ein einfacher Platz mitten in Mathare in ein riesiges Freiluftkino. Dicht gedrängt sitzen mehr als 2000 Menschen beieinander und schauen auf eine Videoleinwand. Mütter tragen ihre Babies auf dem Rücken, alte Männer stützen sich auf ihre Stöcke. Auch ein paar Kinder wuseln dazwischen herum.

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Freilichtkino für Bewohner von MathareBild: Slum-TV

Sie alle schauen sich die neuesten Filme an. Heute geht es um die "Superlative" im Viertel - den besten Minibus-Fahrer, den besten Messer-Schärfer, den besten Fußballer. Ephantus Kamau von Slum TV hat es schon mit Anfang 20 zum stellvertretenden Koordinator von Slum TV geschafft. Er genießt jeden Moment der Vorführung. "Es ist großartig! Wir haben uns alle so auf diesen Tag gefreut. Sobald wir angefangen haben, unsere Musik zu spielen, kamen die Leute."

Verborgene Talente entdecken

Alle Filme entstehen in zwei kleinen Büros. Es ist ziemlich eng. Die Zimmer sind bis zur Decke vollgepackt mit Computern, Kameras und einem Holzregal voll alter Videokassetten. Noch wird das Programm nicht professionell ausgestrahlt. Es gibt nur die Vorführungen auf dem Platz. Vielleicht ändert sich das in Zukunft, hofft Ephantus Kamau. "Das Leben im Slum kann schrecklich sein. Aber es gibt auch Erfolgsgeschichten, gute Nachrichten und viele Talente, die hier im Verborgenen stecken", sagt er. Genau diese Geschichten will der junge Mann erzählen, will zeigen, dass auch Gutes im Elend entstehen kann.

Nicht überall sind die Kameras gerne gesehen

Geschätzte 700.000 Menschen leben in Mathare, zwischen Wellblechwänden, offenen Abwasserkanälen und Müllhalden. "Bei vielen im Viertel ist Slum TV beliebt", sagt Ephantus. Aber nicht bei allen. Manchmal sind die Drehs regelrecht gefährlich. Illegale Brauereien zum Beispiel scheuen die Öffentlichkeit. Kameras sind hier unerwünscht. Collins Omondi kann das nicht aufhalten: "Wir haben eigene Sicherheitsleute. Mit deren Hilfe können wir bis zu den Brauern durchdringen."

Montags bis Freitags ist Omondi für Slum TV unterwegs, im Büro oder auf den Straßen. Inzwischen wurde er auch zum Büroleiter ernannt. Das bedeutet zwar mehr Druck, er übernimmt aber gerne die Verantwortung.

Eine Stimme für den Slum, eine Chance für die Filmemacher

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Die Slum-TV-Reporter von morgen?Bild: Slum-TV

Ein paar Leute konnte der junge Mann schon für Slum TV gewinnen. Ester Waweru zum Beispiel. Sie ist in Mathare geboren und aufgewachsen. "Ich liebe Slum TV. Es ist mein Leben, mein Ein und Alles", sagt die 21-Jährige und fügt hinzu: "Ich glaube, auch für die Gemeinde hier ist es gut, dass sie ein eigenes Fernsehen hat." Berichte, die bisher aus Mathare kamen, drehten sich vor allem um Gewalt und Armut. Jetzt geht es auch um die kleinen Geschichten des Alltags - aus dem Slum für den Slum.

Für ihre Arbeit bei Slum TV bekommen Esther und Collins zwar kein Geld. Aber sie haben gelernt, eine Kamera zu bedienen und die Bilder zu schneiden. Nebenbei dreht Collins jetzt Filme über Geburtstage und Hochzeiten. So verdient er sich etwas dazu. Slum TV ist für die jungen Leute vor allem eine Chance: Es ist ihre Möglichkeit, der Armut in Mathare zu entkommen - und anderen im Viertel Mut zu machen.

Autor: Josephat Charo
Redaktion: Stefanie Duckstein