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Ein Blick in die Geschichte der Inaugurationen

20. Januar 2021

Der Amtseinführung Joe Bidens ist der ehemalige US-Präsident Trump ferngeblieben. Es war nicht das erste Mal, dass der Vorgänger bei der Vereidigung fehlte.

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Der US-amerikanische Vizepräsident Lyndon B. Johnson steht mit erhobener Hand  neben Jacqueline Kennedy, umringt von mehreren Leuten
Not-Vereidigung von Lyndon B. Johnson im Flugzeug, kurz nach der Ermordung von Präsident John F. Kennedy am 22.11.1963Bild: DB/dpa/picture-alliance

Als bei der Inauguration Joe Bidens an diesem Mittwoch Lady Gaga die Nationalhymne "The Star Spangled Banner" sang, exakt 14 Tage nach der Erstürmung des Kapitols durch Anhänger Donald Trumps, wollte Biden ein Zeichen setzen: Unter seiner Präsidentschaft soll das Land, seit Jahren gespalten wie selten, wieder zusammenfinden. "Die klassische Bedeutung der Inaugurationsfeier", sagt Jürgen Martschukat, Experte für US-Geschichte an der Uni Erfurt, "ist die Übertragung der Macht in einer friedlichen Zeremonie." Doch was dieses Mal anders war, zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher.

USA Washington | Amtseinführung: Joe Biden - Lady Gaga singt die Nationalhymne
Lady Gagas Auftritt bei der Amtseinführung von Joe BidenBild: Brendan McDermid/REUTERS

Sichtbarstes Zeichen eines friedlichen Machtübergangs war und ist, seit George Washington am 30. April 1789 als erster US-Präsident überhaupt seinen Amtseid auf die Verfassung leistete, die Anwesenheit des scheidenden Vorgängers. Trump aber hatte wiederholt angekündigt, er werde der Zeremonie fernbleiben. Auch ließ das Ritual am Mittwoch (20.1.2021) wenig Öffentlichkeit im klassischen Sinne zu, denn wegen der Corona-Pandemie und aus Sorge vor Gewalt fand die Inauguration überwiegend virtuell statt.

Auch Jeffersons Einführung ohne Vorgänger

Trumps Fernbleiben weckt Erinnerungen in der amerikanischen Gesellschaft: Thomas Jefferson etwa schritt am 4. März 1801, begleitet von Kongressabgeordneten und Offizieren einer Bürgermiliz, gegen Mittag in das Washingtoner Parlamentsgebäude - das Kapitol war noch im Bau - und legte um Punkt zwölf Uhr seinen Amtseid ab. Die Kapelle der Marines spielte auf. Beides ist bis heute üblich. Es war die erste Inauguration in der neugegründeten Hauptstadt und zugleich die erste, an der der Vorgänger - John Adams - nicht teilnahm.

Gleich mehrfach sollte sich das wiederholen, selbstredend dann, wenn der plötzliche Tod eines Präsidenten zu beklagen war. So geschehen am 22. November 1963 um 14:38 Uhr Ortszeit, als Lyndon B. Johnson, bis dato Vizepräsident, auf dem Flugplatz von Dallas an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One seinen Eid auf die Verfassung schwor. Zwei Stunden zuvor war Präsident John F. Kennedy (1917-1963), der Hoffnungsträger der Amerikaner, einem Mordanschlag erlegen. Neben Johnson stand auch Kennedys Witwe Jacqueline. Auf ihrem rosafarbenen Chanel-Kostüm klebte noch das Blut ihres Mannes.

"Der Alptraum ist zu Ende, die Verfassung funktioniert"

US-Präsident Richard Nixon sitzt am Schreibtisch und telefoniert, im Hintergrund steht eine Lincoln-Büste
Floh vor einem drohenden Impeachment aus dem Amt: US-Präsident Richard NixonBild: The Richard Nixon Presidential Library and Museum (National Archives and Records Administration)

Aus anderen Gründen abwesend war Richard Nixon, als sein Vize Gerald Ford am 8. August 1974 im East Room des Weißen Hauses seinen Amtseid leistete. Nixon hatte in einer Fernsehansprache seinen Amtsverzicht erklärt, nachdem klar war, dass der Kongress ihn wegen des Watergate-Skandals per Impeachment entmachten würde. Fords erste öffentliche Äußerung sollte optimistisch klingen: "Meine amerikanischen Mitbürger", sagte Ford, "unser langer Alptraum ist zu Ende, unsere Verfassung funktioniert."

Fast 50 Jahre später und nach vierjähriger Amtszeit des Republikaners Donald Trump könnte Joe Biden sich daran ein Beispiel nehmen: "Die Spaltung des Landes, die zunehmende Unvereinbarkeit beider US-Parteien", sagt der Historiker Jürgen Martschukat im DW-Gespräch, "das alles hat sich seit den 1970-er Jahren zugespitzt." Trump sieht er als "Effekt eines lange schwelenden Konfliktes zwischen den verschiedenen Lagern - zwischen Stadt und Land sowie den Gewinnern und Verlierern in einer zunehmend globalisierten Welt". Martschukat: "Wir haben das zu lange ignoriert".

Ein Gemälde von 1829 zeigt eine Menschenmenge vor dem weißen Haus
Tumult am Weißen Haus 1828 rund um die Amtseinführung von Präsident Andrew Jackson Bild: Everett Collection/picture alliance

Schon einmal seien die USA beim Amtsantritt eines Präsidenten ähnlich zerrissen gewesen wie heute, nämlich nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg im Jahre 1869, als Andrew Johnson die Präsidentschaft an Ulysses Grant weitergab. "Dieser Amtswechsel beendete die vielleicht einschneidendste Phase in der amerikanischen Geschichte", so Martschukat. "Dass der scheidende Präsident nicht zugegen war, spiegelte die Zerrissenheit des Landes gut wieder, wie auch diesmal."

Rassismus spaltet Amerika - bis heute

Eine Abspaltung werde er nicht dulden, hatte Abraham Lincoln (1809-1865) schon vor Ausbruch des vierjährigen Sezessionskriegs (1861-1865 ) erklärt. Als Reaktion auf die Wahl des gemäßigten Sklaverei-Gegners zum US-Präsidenten waren im Winter 1860/61 die meisten Südstaaten aus der Union ausgetreten. Der Krieg mit Hunderttausenden Toten nahm seinen Lauf. Die Kapitulation der Konföderierten sollte Lincoln nicht mehr erleben. Kurz nach seiner Wiederwahl starb er am 15. April 1865 durch die Schüsse eines Attentäters.

Männer in Unformen der  Konföderierten Südstaaten mit Gewehren stehen in eienr Linie  nebeneinander, man sieht Pulverrauch
Der Amerikanische Bürgerkrieg wütete von 1861 bis 1865 und forderte Hunderttausende ToteBild: picture-alliance/landov

Haupt-Streitthema des Bürgerkriegs war die Sklaverei gewesen. Tatsächlich spaltet Rassismus bis heute das Land und ist, wie Historiker Martschukat sagt, "ein zentraler Faktor" der politischen Auseinandersetzung in den USA. Schon das machte Barack Obama zum Hoffnungsträger. Rund 1,8 Millionen Menschen wollten Zeuge sein, wie er am 20. Januar 2009 als erster schwarzer US-Präsident seinen Amtseid ablegte.

Obamas Einführung wurde zur Demonstration der Multikulturalität der USA: Zwar spielte - wie immer - die Marine-Band. Doch das, was den Menschen zu Herzen ging, war der Auftritt Aretha Franklins. Sie sang die inoffizielle Nationalhymne der USA: "My Country, 'Tis of Thee".

Historiker Jürgen Martschukat von der Uni Erfurt
Experte für US-Geschichte: Jürgen Martschukat von der Uni ErfurtBild: Universität Erfurt

Das ist eine Ode an die Freiheit. "Land, wo meine Väter starben", heißt es darin, "Land des Stolzes der Pilgerväter, lasst von jedem Bergeshang den Ruf der Freiheit erschallen!" Das patriotische Lied, das Samuel Francis Smith im Jahr 1831 schrieb, erinnert an das Selbstverständnis der Amerikaner seit der Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1789:

"Darin ist von Liberty and the Pursuit of Happiness (Freiheit und das Recht, nach Glück zu streben) die Rede", erinnert Martschukat, "diese Versprechen wurden zwar allen Menschen gemacht, aber von Anfang an gab es Menschen, die ausgeschlossen blieben." Frauen, Afroamerikaner und andere Minderheiten - sie alle hätten sich diese Rechte erst erkämpfen müssen. "Der Konflikt zieht sich durch die gesamte amerikanische Geschichte und ist in den letzten Jahren kulminiert", analysiert der Historiker, "das, was zusammenhält, ist auch das was trennt."

USA Washington | Amtseinführung: Joe Biden
Der neue US-Präsident Joe BidenBild: Patrick Semasky/REUTERS

Außer Pop-Ikone Lady Gaga ist bei Joe Bidens Amtseinführung auch die Sängerin und Schauspielerin Jennifer Lopez aufgetreten. Für die Inauguration des künftigen US-Präsidenten und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris hatten sich viele weitere Stars angekündigt. Auch wird der Schauspieler Tom Hanks ein Fernseh-Special "Celebrating America" (Wir feiern Amerika) moderieren. Vier Jahre nach Donald Trumps Ankündigung "Make America Great Again" ist es an Präsident Biden, dieses Versprechen auf seine Weise wahr zu machen.

Karikatur: Joe Biden schreitet über den roten Teppich Richtung Kapitol, links und rechts des Teppichs liegen in Gräben bewaffnete Männer, die sich gegenseitig mit dem Gewehr anvisieren
Auch Karikaturist Marian Kamensky hatte sich so seine Gedanken zur Amtseinführung gemachtBild: Marian Kamensky/toonpool.com