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Friedensstifter in Pink

7. November 2011

Frauen in ländlichen Gebieten in Indien haben oft nicht die gleichen Rechte wie Männer. Doch eine Gruppe nimmt das nicht einfach hin: Die Gulabi Gang hat eine wortstarke energische Anführerin und ein großes Ziel.

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Porträtbild von Sampat Pal Devi, die einen pinkfarbenen Sari trägt (Foto: Nina Haase / Anwar Ashraf)
Sampat Pal Devi lässt sich von Männern nichts sagenBild: DW

"Wenn viele Frauen sich zusammentun und sich gemeinsam für die Rechte einer Frau einsetzen, dann können alle - Verbrecher, Polizei, Dorfälteste - gar nicht anders: Dann müssen sie zuhören!", ruft Sampat Pal Devi - und wendet sich wieder ihrem aktuellen Problemfall zu.

Sampat Pal steht, eingehüllt in einen pinkfarbenen Sari, vor der Tür eines Hauses im Dorf Baweroo im Bundesstaat Uttar Pradesh. Hier hat bis vor kurzem die 20-jährige Kaiser mit ihrer Familie gewohnt. "Meine Schwiegermutter hat mich aus dem Haus geworfen", erzählt Kaiser aufgebracht. "Ich wusste nicht mehr weiter. Da hab ich von der Gulabi Gang und Sampat Pal gehört. Jetzt hilft sie mir."

Knallpinker Sari, energische Stimme

Sampat Pal Devi ist eine energische kleine Frau Mitte 40. Sie ist die Anführerin der so genannten Gulabi Gang. Gulabi heißt "pink" auf Hindi. Die Farbe der Saris erklärt, wie die Gruppe an ihren Namen gekommen ist. Sampat Pal hämmert mit der Faust an die Tür von Kaisers Schwiegermutter. "Als Kaisers Mann krank wurde und nicht mehr arbeiten konnte, begann seine Familie sie zu schlagen und zu misshandeln. Dann wurden sie auf die Straße gesetzt", erklärt sie das Problem und fordert die Schwiegermutter auf, Kaiser und ihre Familie wieder im Familienhaus aufzunehmen.

Frauen in pinkfarbenen Saris stehen zusammen (Foto: Anwar Ashraf)
Die Frauen in Pink fallen aufBild: DW

Die Familie verlangt 100.000 Rupien, etwa 1450 Euro, dafür, dass sie Kaiser wieder aufnimmt. Das Geld hat Kaiser nicht. Sampat Pal Devi ruft den Angehörigen zu, dass sie regelmäßig zurückkommen wird, bis die Familie die junge Kaiser wieder aufgenommen hat. "Das ist ihr gutes Recht", ruft sie noch.

Sprachrohr für Frauen

Ungerechte Behandlung durch die Schwiegereltern und häusliche Gewalt sind Probleme, denen viele Frauen im ländlichen Indien regelmäßig ausgesetzt sind. Sie wissen meist nicht, wen sie um Hilfe bitten sollen. Ohne Unterstützung ihrer Familien weigert sich die Polizei, ihnen weiterzuhelfen. Sampat Pal Devi gründete die Gulabi Gang, um diesen Frauen eine Stimme zu geben.

Eine Dorfstraße (Foto: Nina Haase)
In Uthar Pradesh ist das Leben hart - besonders für FrauenBild: DW

In der Region Bundelkhand im Bundesstaat Uttar Pradesh ist das Leben hart. Mehr als drei Viertel der 15 Millionen Menschen hier leben in entlegenen Dörfern. "Wasserknappheit ist das größte Problem", sagt Gulab Chandra, der stellvertretende Bezirksverwalter der Stadt Chitrakoot. "Außerdem haben wir hier keine Industrie. Und schließlich ist der Boden nicht fruchtbar. Deshalb sind die Menschen hier arm, und Armut schafft Probleme."

Rechte einfordern lernen

Diese Probleme müssen vor allem die Frauen schultern, erzählt der Journalist Santosh Bansal. "Wenn ein Mädchen überhaupt zur Schule geht, bleibt es dort selten länger als drei oder vier Jahre. Deshalb haben die Frauen hier seit 50 Jahren nichts an ihrem Status verbessern können. Die Frauen gelten neben den Männern nicht viel. Vor allem wissen sie überhaupt nicht, dass auch sie Rechte haben."

Eine Inderin im pinkfarbenen Sari stemmt die Hände in die Hüften (Foto: Nina Haase)
Sampat Pal hat keine Angst vor Männern oder BehördenBild: DW

Sampat Pal Devi gründete die Gulabi Gang vor allem mit dem Vorsatz, die Frauen über ihre Rechte aufzuklären. Ihre Bewegung wächst kontinuierlich. Sie sagt, die Gulabi Gang habe heute um die 140.000 Mitglieder - sogar im Ausland.

Die Gulabi Gang Gruppen hinterlassen bleibenden Eindruck, wo immer sie auftreten - nicht allein wegen ihrer schieren Größe von 20 bis 200 Frauen oder des grellen Pinks ihrer Saris, sondern auch, weil sie stets pinke Schlagstöcke bei sich tragen. "Wir haben die Stöcke dabei, damit wir uns wehren können, falls uns ein Verbrecher versucht anzugreifen", sagt Sampat Pal Devi. "Wir wollen die Verbrecher nur erschrecken, wir wollen sie nicht schlagen. Aber wenn uns jemand angreift, dann werden wir uns natürlich verteidigen. Aber sie haben Respekt vor unseren Stöcken - deshalb verhalten sie sich uns gegenüber anständig und lassen uns in Ruhe."

Vermittler in Pink

Der Gulabi Gang ist wichtig, dass sie nicht als gewalttätige Gruppierung wahrgenommen wird. Die Frauen wollen das Gesetz nicht aus den Angeln heben, sondern - im Gegenteil - sie wollen mit den Behörden zusammenarbeiten. Über die Jahre haben die Behörden die Arbeit der Gulabi Gang tatsächlich zu schätzen gelernt, bestätigt Gulab Chandra, ein Bezirksverwalter aus Chitrakoot. Besonders in abgelegenen Gebieten sei es für die Menschen oft schwierig, ihre Probleme zu äußern. Entweder sie erreichen die Behörden nicht oder sie wissen erst gar nicht, was sie genau sagen sollen. "Dann dienen diese Gruppen als Übermittler, so dass die Menschen sich uns mitteilen können."

Frauen in pinkfarbenen Saris sitzen zusammen auf dem Boden (Foto: Nina Haase)
Gemeinsam können die Frauen viel mehr bewegen als alleineBild: DW

Hier in Baweroo gibt es für Sampat Pal heute nichts mehr zu tun. Sie macht sich auf den Weg zum nächsten Ziel. Eine Familie im Nachbarort plant, ihre minderjährige Tochter zu verheiraten. Das ist in Indien per Gesetz verboten. Grund genug für Sampat Pal Devi, der Familie einen Besuch abzustatten.

Autoren: Nina Haase/ Anwar Ashraf
Redaktion: Julia Mannheim