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Indien und China ringen um Bündnisse

Hans Spross17. April 2016

Die USA wollen Indien an sich binden und China unterstützt Pakistan: Schwierige Allianzen und strittige Grenzfragen beeinflussen die Gespräche, für die Indiens Verteidigungsminister Parrikar nach China reist.

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Nicht der erste Kontakt: General Fan Changlong (li), Zentrale Militärkommission Chinas, zu Besuch beim indischen Verteidigungsminister Manohar Parrikar (re) in Neu Delhi im November 2015 (Foto: picture-alliance/AP)
Viel Kontakt: Chinas General Fan Changlong (li) bei Indiens Verteidigungsminister Manohar Parrikar (re), Ende 2015Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Swarup

Chinas Medien und Regierungsstellen schweigen: Zum Besuch des indischen Verteidigungsministers Manohar Parrikar an diesem Montag und Dienstag in Peking schreiben sie fast nichts. Die indische Presse widmet der Reise mehr Aufmerksamkeit und meldet, die seit Jahrzehnten zwischen beiden Ländern ungelöste Grenzfrage im Himalaya stehe im Mittelpunkt der Gespräche.

Unausgesprochen dürfte aber noch etwas ganz anderes eine mindestens genauso große Rolle spielen: Das von den USA in jüngster Zeit forcierte Bemühen, Indien militärisch und sicherheitspolitisch in eine Allianz einzubeziehen, die den Einfluss Chinas eindämmen soll.

Vor wenigen Tagen erst war US-Verteidigungsminister Ashton Carter zu Gesprächen in Neu Delhi. Der "New York Times" sagte er überschwenglich: "Von den internationalen Beziehungen werden die zwischen den USA und Indien von entscheidender Bedeutung für das 21. Jahrhundert werden. Und dies wird bereits jetzt immer schneller und deutlicher zur Realität."

Logistische Abkommen mit den USA: Indiens Verteidiungsminister Manohar Parrikar mit seinem US-Kollegen Ashton Cater (re), 12.04.2016 (Foto: Getty Images/AFP)
Logistische Abkommen: Indiens Verteidiungsminister Parrikar mit seinem US-Kollegen Ashton Carter (li)Bild: Getty Images/AFP/P. Singh

Angesichts dieser großen Worte mag das bei Carters Besuch vereinbarte Abkommen über militärisch-logistische Zusammenarbeit beider Länder etwas mager erscheinen, zumal es noch nicht unterzeichnet ist. Die Vereinbarung sieht vor, dass indische und US-amerikanische Einheiten gegenseitig ihre Stützpunkte zum Auftanken und als Aufmarschgebiet für Soldaten vor der Einschiffung beim Katastropheneinsatz nutzen können. Zwei weitere Abkommen über Zusammenarbeit bei digitaler Kartierung und militärischer Kommunikation stehen ebenfalls kurz vor dem Abschluss.

USA umwerben Indien

Muss China angesichts solcher Vereinbarungen beunruhigt sein? Nein, glaubt Südasien-Experte Christian Wagner von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: "Die USA wollen natürlich Indien sehr viel stärker auch formal einbinden in Militärallianzen und Bündnissysteme. Das wird mit Indien aber vermutlich nicht zu machen sein. Indien war bis jetzt noch nie Mitglied von Militärallianzen, das würde auch innenpolitsch sehr kontroverse Diskussionen hervorrufen.“

Auf der anderen Seite gebe es aber einen breiten innenpolitischen Konsens in Indien gegenüber der chinesischen Politik: "Die neue indische Regierung unter Narendra Modi hat sich in den vergangenen zwei Jahren viel stärker mit den USA gegenüber China positioniert, zum Beispiel durch die gemeinsame Erklärung über die freie Schifffahrt im Südchinesischen Meer", erläutert Wagner.

Umstrittene Grenzgebiete zwischen China, Indien und Pakistan (Infografk: DW)
Eine Lösung ist nicht in Sicht: Umstrittene Grenzgebiete zwischen China, Indien und Pakistan

"Indien arbeitet ja auch mit südostasiatischen Ländern wie Vietnam und den Philippinen zusammen, die Probleme mit China haben", so der Experte. "In dem Sinne weiß man aus chinesischer Perspektive schon, welche Politik Indien hier verfolgt." Aus Wagners Sicht fügt sich Indien "immer mehr in eine lose Gruppierung von Staaten ein, die versuchen, Strategien gegen die chinesischen Territorial- und Machtansprüche zu entwickeln.

Kooperation trotz Grenzstreit

Gleichzeitig muss Indien, was seine unmittelbaren Territorialfragen mit China betrifft, auf Kooperation und Einvernehmen mit dem militärisch und wirtschaftlich überlegenen Nachbarn setzen. So stellt die "Times of India" heraus, dass Parrikar das Hauptquartier des neugeschaffenen chinesischen Westlichen Militärbezirks in Chengdu besuchen wird. Dieser Militärbezirk ist im Rahmen der chinesischen Armeereform erstmals für das gesamte umstrittene Grenzgebiet zuständig, was die militärischen Fähigkeiten Chinas in dem Gebiet wesentlich verstärke, betont die "Times of India".

Und die indischen "Defense News" schreiben, dass die Grenzfrage "sehr kompliziert geworden ist und trotz jahrzehntelanger Gespräche nicht gelöst werden konnte". Für die Zukunft sehe es nicht besser aus, deshalb müssten beide Länder ihre Zusammenarbeit auf anderen Gebieten verstärken - etwa in der Wirtschaft.

Enge Beziehungen: Chinas und Indiens Premiers, Li Keqiang (re) und Narendra Modi (li) schließen im Mai 2015 Wirtschaftsverträge in Milliardenhöhe (Foto: picture alliance/dpa)
Wirtschaftsverträge in Milliardenhöhe: Chinas und Indiens Premiers, Li Keqiang (re) und Narendra Modi (li), im Mai 2015Bild: picture-alliance/dpa/MAXPPP

Neben der Grenzfrage gibt es eine Reihe von weiteren gemeinsamen sicherheitspolitischen Themen für die beiden Länder. "Indien wird im nächsten Jahr Mitglied der Shanghaier Organisation für Kooperation, wird also stärker mit China in Zentralasien zusammenarbeiten", erklärt Wagner. Auch der islamistische Terrorismus gelte als gemeinsame Bedrohung: "Beide Staaten haben bereits eine Reihe von Antiterror-Übungen durchgeführt."

Chinas Freundschaft mit Pakistan

Allerdings gibt es beim Thema Terrorismus auch Differenzen. So versucht Indien seit einiger Zeit, Mitglieder von militanten pakistanischen Organisationen auf die UN-Sanktionsliste zu bringen. China dagegen blockiert das bislang mit Rücksicht auf Pakistan. Das Land kann sich nämlich noch immer auf die "Allwetter-Freundschaft" mit China verlassen. Das ist für die Regierung in Islamabad von großer Bedeutung, zumal die US-Außenpolitik Indien deutlich aufgewertet hat.

Pakistan setzt seine Hoffungen vor allem auf den geplanten chinesischen Wirtschaftskorridor vom Indischen Ozean bis in den Westen Chinas. Das Projekt soll ein massives Wirtschaftsprogramm für das Land in Gang setzen. Bis zu 50 Milliarden US-Dollar sollen in den nächsten Jahren investiert werden, nicht nur in Infrastruktur, sondern auch in Energieprojekte.

Manche haben die Hoffnung, dass der wirtschaftliche Aufschwung nicht zuletzt der armen Provinz Belutschistan an der Grenze zum Iran und seiner vernachlässigten Bevölkerung zugute kommen könnte. Vielleicht könnte das sogar zu einer Entspannung zwischen Indien und Pakistan führen.

Allerdings hat Pakistan gerade erst Indien vorgeworfen, den Korridor mit China zu sabotieren, und einen indischen Ex-Marineoffizier als "Spion" in der Provinz Belutschistan festgenommen. China bleibt also in der indisch-pakistanischen Rivalität involviert. Auch das dürfte Indiens Verteidigungsminister Parrikar bei seinem Besuch in Peking im Hinterkopf haben.