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Autoren protestieren gegen Intoleranz

Murali Krishnan / tko18. Oktober 2015

Mehr als zwanzig Autoren haben ihre Literaturpreise zurückgegeben, um gegen die steigende religiöse Intoleranz in Indien zu protestieren. Mit ihrem Protest wollen sie die zunehmende Gewalt gegen Minderheiten anprangern.

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Verwandte von Mohammed Akhlaq, der von einem Mob gelyncht wurde (Foto: REUTERS/Stringer)
Trauernde Angehörige von Mohammed Akhlaq, der von einem Mob gelyncht wurdeBild: Reuters/Stringer

Mehr als 20 prominente Autoren sind es inzwischen, die ihre von der nationalen Akademie für Literatur, Sahitya Akademi, verliehenen Preise zurückgegeben haben. Einige gingen sogar so weit, ihre Regierungsposten zu kündigen, aus Protest gegen die aus ihrer Sicht zunehmende Intoleranz in Indien.

Die renommierten Autoren und Dichter werfen der Regierung von Premier Narendra Modi vor, bei der Verfolgung politisch motivierter Straftaten untätig zu bleiben. Sie machen rechtsextreme Gruppen für die Morde an dem bekannten Autor Malleshappa Kalburgi und an säkularen Aktivisten wie Narendra Dabholkar und Govind Pansare verantwortlich.

Die Proteste der Autoren fallen in eine Zeit wachsender Unruhe in Indien. Zuletzt hatten Mitglieder von Shiv Sena, der Partei der Hindunationalisten, den Publizisten Sudheendra Kulkarni mit schwarzer Tinte übergossen, als dieser an der Seite des ehemaligen pakistanischen Außenministers Khurshid Mahmud Kasuri dessen Buch in Mumbai vorstellte. Ein Sprecher der Partei nannte es eine Form des "friedlichen Protestes" gegen Pakistan.

Beisetzung des Gelehrten M.M. Kalburgi im südlichen Bundesstaat Karnataka (Foto: STRDEL/AFP/Getty Images)
Beisetzung von Malleshappa Kalburgi im südlichen Bundesstaat KarnatakaBild: Getty Images/AFP/Strdel

Kurz vorher hatte die Shiv Sena, kleinerer Koalitionspartner der regierenden Bharatiya Janata Partei (BJP) im westlichen Bundesstaat Maharashtra, bereits die Absage eines Konzerts von Ghulam Ali erzwungen. Der pakistanische Sänger wollte in Mumbai zu Ehren des beliebten indischen Sängers Jagjit Singh an dessen vierten Todestag auftreten.

"Dieses Land macht zurzeit sehr schwierige Zeiten durch. Ich finde es schlimmer als in den schwarzen Tagen des Ausnahmezustands in den 1970ern", sagt die Autorin Sara Joseph. Die bekannte Autorin Nayantara Sahgal, eine Nichte des ersten indischen Premierministers Jawaharlal Nehru, gab als erste ihren Preis an die Sahitya Akademi zurück. Sie sei besorgt, sagte sie, weil sie die "kulturelle Vielfalt Indiens" bedroht sehe.

"In Erinnerung an all die Inder, die ermordet wurden, zur Unterstützung aller Inder, die das Recht zu widersprechen in Ehren halten, und an alle Andersdenkenden, die jetzt in Angst und Ungewissheit leben müssen, gebe ich meinen Sahitya Akademi-Preis zurück", begründete sie ihren Schritt.

Premier Narendra Modi (Foto: MONEY SHARMA/AFP/Getty Images)
Geistiger Brandstifter? Premier Modi bei einer Rede in BiharBild: Getty Images/AFP/M. Sharma

"Minderheiten im Belagerungszustand"

Mohammed Akhlaq, ein 50-jähriger Muslim aus dem nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh, wurde im September gelyncht, weil er Gerüchten zufolge zusammen mit seinem Sohn Rindfleisch gehortet und gegessen haben soll. Rinder werden von der Hindu-Mehrheit in Indien als heilige Tiere angesehen. Das Schlachten von Rindern und der Verzehr von Rindfleisch ist in einigen Bundesstaaten sogar offiziell verboten. Ein Mord an einem Rindfleisch-Esser wie in diesem Fall ist jedoch eine weitere Eskalationsstufe.

Viele Beobachter gehen deshalb davon aus, dass extremistische Hindu-Gruppen in Indien auf dem Vormarsch sind. Seit Modis Wahlsieg bei den Parlamentswahlen 2014 fühlen sich fanatische Gruppen, die früher in Indien kaum etwas zu melden hatten, offenbar ermutigt. So soll es Berichten zufolge immer häufiger zu Zwangsbekehrungen von Muslimen und Christen zum Hinduismus kommen.

"Zuerst wurde eine Kampagne für die Bekehrung von religiösen Minderheiten zum Hinduismus ins Leben gerufen. Die rechtsextremen Gruppen nennen das nach Hause kommen", erklärt Rakesh Batabyal, Hochschullehrer am Centre for Media Studies in Neu Delhi, im Gespräch mit der DW. "Jetzt fordern sie das Verbot bestimmter Bücher und wollen den Verzehr von Rindfleisch verbieten. Wenn man sich ihren Verboten widersetzt, wird man zur Zielscheibe gemacht", sagt er.

St. Sebastian Kirche in Neu Delhi (Foto: Florent Martin)
Ende der religiösen Toleranz? Hindu-Tempel neben chritlicher Kirche in Neu-DelhiBild: Florent Martin

Asaduddin Owaisi, der Vorsitzende der muslimischen Partei All India Majlis-e-Ittehadul Muslimeen, bestätigt: "Muslime fühlen sich im heutigen Indien im Belagerungszustand."

Das vorsätzliche Aufstacheln zum Hass seitens der Hindu-Extremisten sei mittlerweile schon fast zum Dauerzustand geworden, sagen Beobachter. Auch der kaschmirische Autor Ghulam Nabi Khayal hat daher seinen Preis zurückgegeben. "Die Minderheiten in Indien fühlen sich immer mehr bedroht und unsicher", begründet er seine Entscheidung. "Sie fürchten sich vor einer düsteren Zukunft."

Besonders hat Khayal irritiert, dass sogar BJP-Abgeordnete in Kaschmir einen parteilosen muslimischen Politiker deswegen angegriffen haben, weil es auf einer seiner privaten Partys Rindfleisch gegeben haben soll.

Der indische Kulturminister Mahesh Sharma von der BJP meint dagegen, die Rückgabe der Preise sei ein übereilter Schritt gewesen: "Die Schriftsteller hätten an die Regierung ihres Bundesstaates oder die Zentralregierung schreiben sollen, wenn sie so in Sorge sind."