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Politik

Indiens Comeback in Afrika

Martina Schwikowski
4. Dezember 2019

Für Indien wird der Handel mit Afrika immer wichtiger. Alte Verbindungen aus der Kolonialzeit kommen dabei zu Gute. Doch Indien will mehr als nur Rohstoffe.

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Indien-Afrika-Gipfel in Neu Delhi Rede Modi
Indiens Premierminister Narendra Modi beschwört auf dem Indien-Afrika-Gipfel 2015 die Zusammenarbeit mit AfrikaBild: Reuters/A. Abidi

Über Chinas umstrittenes Engagement in Afrika wird seit Jahren viel gesprochen – aber was macht eigentlich sein großer südlicher Nachbar, der China schon bald den Rang als bevölkerungsreichstes Land der Erde ablaufen wird? Tatsächlich blüht Indiens Handel mit afrikanischen Ländern wie nie zuvor. Inzwischen ist die ehemalige britische Kolonie sogar zum zweitwichtigsten nationalen Handelspartner Afrikas aufgestiegen. Zwar ist Chinas Handelsvolumen mit afrikanischen Staaten immer noch dreimal so hoch, doch Indien holt rasant auf: Laut Zahlen der Vereinten Nationen ist der Handel zwischen Indien und Afrika seit 2001 im Schnitt jährlich um 17,2 Prozent gewachsen.

"Das sind unglaubliche Dimensionen, die vor zwanzig Jahren noch undenkbar waren", sagt Philipp Gieg, Politikwissenschaftler und Indien-Experte an der Universität Würzburg. "Mit diesem rasanten Anstieg hat Indien auf dem afrikanischen Kontinent selbst die früheren Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich überholt."

Historische Bande

Indien kann bei den Handelsbeziehungen mit vielen afrikanischen Staaten auf eine alte Tradition aufbauen - durch die gemeinsame koloniale Vergangenheit sind starke Bande geknüpft worden. Doch zwischenzeitlich waren diese Bande fast in Vergessenheit geraten. "Wir hatten die starken Verbindungen in der kolonialen Vergangenheit, dann kam die Globalisierung dazwischen", sagt der indische Afrikanist Ajay Kumar Dubey von der Jawalharlal Nehru Universität in Neu-Delhi. Erst in den Nuller Jahren, nach der Liberalisierung der eigenen Wirtschaft, habe Indien den Handel mit afrikanischen Ländern wieder in Schwung gebracht.

Ruanda PK Präsident Paul Kagame mit indischem Ministerpräsidenten Narendra Modi
Modi mit Ruandas Präsident Kagame: Längst unterhält Indien auch Beziehungen zu nicht-anglophonen LändernBild: Getty Images/AFP/C. Ndegeya

Konzentriert hat sich Indien dabei zunächst vor allem auf die Länder des südlichen und östlichen Afrika, mit denen die historischen Verknüpfungen am stärksten waren. In Südafrika etwa leben mit über einer Million Menschen die meisten Inder außerhalb ihrer Heimat, auch Uganda und Kenia haben große indischstämmige Bevölkerungen. Ihre Vorfahren waren einst von den britischen Kolonialherren als Vertragsarbeiter nach Afrika verschifft worden, um auf Zuckerrohrplantagen, im Berg- oder Eisenbahnbau zu arbeiten – häufig unter brutalen und ausbeuterischen Bedingungen.

Rohstoffe als Handelstreiber

Mittlerweile sind indische Firmen aber auch in anderen Teilen des afrikanischen Kontinents aktiv, vornehmlich in anglophonen und rohstoffreichen Ländern wie Ghana oder Nigeria. Treibende Kraft hinter dem rasanten Wachstum des indisch-afrikanischen Handels: der Rohstoffhunger des Subkontinents. "Eine wachsende Wirtschaft braucht Rohstoffe. Und Öl war der entscheidende Faktor, nach Afrika zu schauen", sagt Philipp Gieg.

Bis heute sind Öl, Gold, Kohle und weitere Mineralstoffe die Hauptimportgüter Indiens aus Afrika. Im Gegenzug umfasst der Warenkorb aus Indien in erster Linie verarbeitete Produkte wie Textilien, Elektronik oder Pharmazeutika. "Zwei Drittel aller Aidsmedikamente, die Hilfsorganisationen in Afrika verteilen, werden aus Indien gekauft", erklärt Gieg.

Wie wichtig der afrikanische Kontinent für Indien heute ist, zeigen auch die sogenannten "Zehn Prinzipien der indisch-afrikanischen Beziehungen", die Premierminister Narendra Modi im Juli 2018 vor dem ugandischen Parlament verkündete. "Afrika hat für uns oberste Priorität", erklärte Modi damals. 

Nigeria Port Harcourt Arbeiter auf Plattform Ölförderung
Rohöl ist Indiens wichtigstes Importprodukt aus afrikanischen LändernBild: Getty Images/AFP/P. Utomi Ekpei

Ein Drittel der Menschheit lebt in Afrika und Indien

Versucht Indien ein Gegengewicht zur Rolle Chinas in Afrika aufzubauen? "China wird noch lange vor Indien den Handel mit Afrika anführen", sagt der Politikwissenschaftler Gieg. China habe zehn Jahre Vorsprung in der wirtschaftlichen Entwicklung, sei stärker industrialisiert und habe selbst weniger Armut im Land.

Dabei sind die Parallelen zu Chinas Auftreten auf dem Kontinent unübersehbar – etwa beim Thema Menschenrechte: "Indien sagt, wir mischen uns nicht in die Angelegenheiten souveräner Staaten ein. Ihr fragt uns, was ihr braucht und wir schauen, ob wir es liefern können, so lautet die Devise", erklärt Gareth Price, Südasien-Experte bei der Londoner Denkfabrik Chatham House. Doch es gebe auch Unterschiede: "Chinesische Firmen nutzen häufig chinesische Arbeitskräfte, die nach Afrika verfrachtet werden. Aber die Inder wollen einheimische Arbeiter in Afrika beschäftigen - das verkauft sich natürlich besser."

Mit seinem Engagement in Afrika unterstreicht Indien auch seinen politischen Anspruch, als Wortführer der Länder des Globalen Südens aufzutreten. "Wir waren das erste Land, das sich die Süd-Süd-Kooperation auf die Fahnen geschrieben hat", betont der indische Afrikanist Dubey. Es ist daher wohl kein Zufall, dass Narendra Modi in seinen zehn Prinzipien den gemeinsamen historischen Kampf von Indern und Afrikanern gegen die Kolonialmächte betont. Gemeinsam wolle man nun auch an einer gerechten und demokratischen Weltordnung arbeiten, in der das Drittel der Menschheit, das in Indien und Afrika lebt, eine Stimme und Rolle bekomme.