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Indigenes Wissen kann US-Farmern helfen

23. Juni 2021

Die Meskwaki, Nachfolger von Ureinwohnern in den USA, bauen Lebensmittel mit regenerativen Methoden an. Indigene Landwirtschaftstechniken könnten auch konventionellen US-Farmern helfen, im Klimawandel zu bestehen.

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Kalifornien Mandelplantage abgestorben durch Dürre
Überall auf der Welt sehen sich Bauern mit unvorhersehbarem Wetter konfrontiertBild: Justin Sullivan/Getty Images

Ein heißer Tag im August 2020. Grant Shadden jätet gerade Unkraut - plötzlich hält er inne und schaut zum Himmel. Eine dunkle Gewitterlinie bewegt sich auf ihn zu. Shadden ist Produktionsleiter bei Red Earth Gardens. Die etwa 40 Hektar große Farm für regenerative Landwirtschaft liegt nahe der Siedlung der Meskwaki, eines alten indigenen Stamms, der heute im ländlichen Iowa lebt. 

Shadden hat schon viele schwere Stürme über den Mittleren Westen ziehen sehen. Aber dieser ist anders. Wie im Schock sieht er zu, wie der Wind Bäume aus dem Boden reißt und die Hälfte eines Scheunendachs in die Luft hebt.

Eines der teuersten Unwetter in der US-Geschichte

Was er hier erlebte, war ein "Derecho". Davon spricht man, wenn sich ein ganzes Band schwerer Gewitter über mehr als 450 Kilometer erstreckt. Die Stürme erreichen Orkanstärke. Dieser Derecho zerstörte zehn Millionen Hektar Land im Wert von neun Milliarden Euro (elf Milliarden Dollar) und war damit eines der teuersten Unwetter in der Geschichte der USA.

Überall auf der Welt erleben Landwirte wie Shadden immer häufiger schwere Stürme. Temperaturveränderungen und unregelmäßige Niederschläge machen den Anbau auf den Feldern immer schwerer planbar. Auch die Landwirtschaft trägt zum Klimawandel bei. Laut der US-Umweltschutzbehörde ist sie für zehn Prozent aller Treibhausgasemissionen in den USA verantwortlich.

Alternative Wege der Landwirtschaft

Durch Iowa ziehen sich riesige Mais- und Sojafelder - alle in konventioneller Landwirtschaft betrieben. Das war nicht immer so. Lange bevor die ersten Pflüge in den 1830er Jahren in der Prärie des Mittleren Westens eingesetzt wurden, betrieben die Ureinwohner hier regenerative Landwirtschaft, erzählt Shadden.

Grant Shadden jätet ein Feld in Iowa, USA
Auf den Feldern von Red Earth Gardens wird der Boden wird nicht gepflügt - Mulch hilft, Unkräuter in Schach zu halten Bild: Christian Elliott/DW

Wenn es um nachhaltige Landwirtschaft geht, so Shadden, könne man viel von Red Earth Gardens lernen. Die Farmer führen die regenerativen Techniken ihrer Vorfahren fort, setzen in ihrem Konzept auf Resilienz und Anpassung an die Klimakrise. Das Land, auf dem die Farm liegt, hatte der Stamm der Meskwaki 1857 von der US-amerikanischen Regierung erworben. 

Auf Red Earth Gardens wird nach den Prinzipien der Permakultur gearbeitet, verbunden mit den ethischen Ansichten der Meskwaki. "Bei der konventionellen Landwirtschaft geht es darum, etwas [Schädlinge - Anm.d.Red.] zu identifizieren und dann zu töten, um einen Ertrag zu erzielen", sagt Shadden. So versuchten konventionelle Landwirte, das Land zu beherrschen, meint er. "Wir versuchen, eins zu sein mit der Natur. Der Boden, das Wasser und die Luft sind uns gegeben. Und wir kultivieren und verwalten sie."

Kooperation statt Kunstdünger

Shadden kniet nieder und steckt seine Hände neben einer Reihe von Möhren in die Erde. Die Pflanzen wachsen in einem der Gewächshäuser, die den Sturm überstanden haben. Er zeigt zarte weiße Fäden in der schwarzen Erde - Pilze, ein Beleg für einen gesunden Boden. Enthusiastisch erklärt er, wie sie eine symbiotischen Beziehung mit den Pflanzen eingehen und sie über deren Wurzeln mit lebenswichtigen Nährstoffen versorgen. Der Verzicht auf das Umgraben des Bodens, fördert die Entwicklung dieses unterirdischen Pilzgeflechts. Es wirkt als Bio-Dünger und schützt die Pflanzen vor Krankheiten. Das spart die Zugabe von synthetischem Kunstdünger, Herbiziden und Fungiziden.

Produktionsleiter Grant Shadden zeigt eine Handvoll Erde
Grant Shadden ist stolz auf den gesunden Boden auf der Farm von Red Earth GardensBild: Christian Elliott/DW

Auf der Farm wachsen unterschiedliche Pflanzenarten dicht beieinander. Nutzpflanzen gedeihen neben solchen, die vor allem Insekten anziehen. Tomaten und Karotten wachsen zwischen vielen anderen Gemüsesorten. Die Idee dahinter ist, das unterschiedliche Pflanzen auch unterschiedliche Nährstoffe aus dem Boden benötigen. Sie konkurrieren also nicht untereinander, wenn sie dicht beieinander wachsen. Der Ertrag am Ende ist dadurch insgesamt höher. 

Brombeersträucher bilden einen natürlichen Windschutz. Winter-Roggen, der ab September gesät wird, bedeckt die Felder in der Nebensaison. Durch dieses "Companion Planting" lasse sich eine höhere Ernte auf einer kleineren Landfläche erreichen, erklärt Shadden. Außer Wasser bekommen die Pflanzen lediglich den vor Ort produzierten Naturkompost.  

Ernährungssicherheit und Unabhängigkeit

Die Farm wurde 2012 im Rahmen der Meskwaki-Initiative gegründet. Damit wollte der 1400 Mitglieder zählende Stamm unabhängiger von Lebensmittellieferungen und staatlicher Unterstützung werden. Es sollten aber auch die traditionellen landwirtschaftlichen Praktiken der Meskwaki bewahrt werden. 

Meskwaki-Farmerin Stephanie BadSoldier Snow hat die Initiative mitgegründet. Sie meint, konventionelle Landwirte könnten sich von den Ureinwohnern noch etwas abschauen. "Unsere ökologischen Praktiken waren traditionell darauf ausgerichtet, die Übernutzung und den Raubbau der Ressourcen zu vermeiden", sagt Snow. Das sei ein Vorteil, der viel zu oft übersehen werde, so die Landwirtin.

Portraitfoto von Stephanie BadSoldier Snow, eine Meskwaki-Farmerin in Iowa
Stephanie BadSoldier Snow: "Indigene Landwirtschaft versucht, das Auszehren des Bodens zu vermeiden"Bild: Privat

In der konventionellen Landwirtschaft in Iowa wird der Boden vor der Aussaat noch einmal gepflügt. Auf großen Flächen werden Monokulturen angebaut. Eingebrachte Düngemittel und Pestizide verunreinigen die Gewässer. Diese Methoden machten die Landwirtschaft anfällig für Wetterextreme wie Dürren und Stürme, die wegen des Klimawandels immer häufiger auftreten, so die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen.

Einige konventionelle Landwirte denken um

Außerhalb der Meskwaki-Siedlung, ganz in der Nähe des Mississippi, baut Landwirt Robb Ewoldt Mais und Sojabohnen an. Er glaubt, dass sich die konventionelle Landwirtschaft, die in Iowa noch immer vorherrscht, ändern muss. "Unser Wetter verändert sich gewaltig, das kann keiner abstreiten", sagt er. "Wir sehen große Unterschiede in der Niederschlagsmenge. Und die Extreme scheinen zuzunehmen." 

Als Reaktion auf die veränderten Bedingungen hat Ewoldt in den vergangenen 15 Jahren auf seiner gesamten Farm Direktsaatmethoden eingeführt. Das heißt, auch er gibt die Saat ohne zu pflügen in den unbearbeiteten Boden. Und er nutzt sogenannte Zwischenfruchtkulturen. Die Zwischenfrüchte wachsen in Zeiten, in denen die Felder sonst ungenutzt wären. Die dabei auf dem Acker verbleibenden Pflanzenreste versorgen den Boden mit organischer Substanz. Zwischenfruchtkulturen reduzieren außerdem den Schaden am Boden bei Unwettern. Eine Bodenerosion in der Nebensaison wird so verhindert.

Landwirt Robb Ewoldt steht vor einem großen landwirtschaftlichen Fahrzeug
Landwirt Robb Ewoldt: "Die konventionelle Landwirtschaft in Iowa muss sich ändern" Bild: Christian Elliott/DW

Doch es dürfte nicht leicht sein, auch die anderen Landwirte davon zu überzeugen, ihre Anbaupraktiken zu ändern, meint Ewoldt. "Die Landwirte hier haben eine Menge Geld und wenn Landwirte Geld haben, ist es schwierig, sie zum Umdenken zu bewegen."

US-Landwirtschaft im Wandel?

Die Zeiten für die Landwirtschaft werden jedoch härter werden. Das prognostiziert der vierte Nationale Klimabericht des U.S. Global Change Research Program, das die wissenschaftliche Forschung über die Umweltveränderungen in den USA koordiniert. Demnach werden die Erträge und die Qualität der Ernten in der konventionellen Landwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten wegen der Klimaschwankungen und zunehmender Hitze im Mittleren Westen sinken. Als Konsequenz empfahlen die Forscher in ihrem Bericht Investitionen in alternative landwirtschaftliche Methoden.

Pflanzen in einem Gewächshaus in der Bio-Farm Red Earth Gardens, Iowa, USA
In den Red Earth Gardens in Iowa sorgen indigenes Wissen und die Prinzipien der Permakultur für gute Ernte Bild: Christian Elliott/DW

Ewoldt ist Mitglied in der Iowa Soybean Association, einem Verband, in dem Landwirte genauso vertreten sind, wie Akteure aus der Industrie. Erst vor kurzem rief die Organisation den "Soil and Water Outcomes Fund" ins Leben. Mit Geld aus dem Fonds sollen Farmer finanziell belohnt werden, die "positive Umwelteffekte" schaffen. Doch die Anreize seien zu gering, sagt Ewoldt. Auch das Kostenbeteiligungsprogramm der Regierung von Iowa reiche nicht aus. Die Kosten für eine Direktsaatmaschine oder für das Saatgut der Zwischenfruchtkulturen seien einfach höher. 

Die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel müssten schon deshalb finanziell unterstützt werden, weil die Erfolge aus einer Umstellung nicht unmittelbar einträten, mahnt der Landwirt. Es könne Jahre dauern, bis die Erträge dank verbesserter Bodengesundheit stiegen.

Alte Sorten aus der Region

Im vergangenen Sommer litten auch die Meskwaki-Farmer monatelang unter schweren Dürreperioden. Es folgten Überflutungen durch heftige Regenfälle. Das Wasser konnte in den trockenen Boden nicht eindringen. Saisonale Schwankungen machen es schwierig, den richtigen Zeitpunkt für die Anpflanzung zu finden. 

Produktionsleiter Grant Shadden mischt Kompost
Bio-Kompost hilft der Bodengesundheit und damit gegen BodenerrosionBild: Christian Elliott/DW

Die Farmer von Red Earth Gardens setzten daher auf traditionelle, an die Region angepasste Sorten, darunter Mais-, Bohnen-, und Kürbissorten. Natürliche Windschutzwände sollen Pflanzen und Boden schützen.

Trotz der Herausforderungen ist Meskwaki-Farmerin Snow zuversichtlich, was die Zukunft dieser Art der Landwirtschaft betrifft. Hoffnung schöpft sie auch aus der Geschichte ihres Volkes, das zwangsumgesiedelt wurde. "Aus einem Land und einem Leben herausgedrängt zu werden, das man verstand und mit dem man Eins war und sich nach jeder Umsiedlung neu anpassen zu können, das ist es, was Resilienz ausmacht", sagt sie.

Die Samenhüter von Quito