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Integration Rechtsextremismus

13. März 2012

Mit einem Bündel von Maßnahmen sollen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wirksamer bekämpft werden. Defizite sieht das Gremium auf allen gesellschaftlichen Ebenen.

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Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU, l) und Mustafa Yaman, von der Türkisch-Islamische Anstalt der Religion (DITIB), geben am Dienstag (13.03.2012) in Berlin eine Pressekonferenz. (Foto: Rainer Jensen / dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Fast vier Seiten lang ist die Liste der Empfehlungen, die der mehr als 30 Organisationen umfassende Bundesbeirat für Integration unter dem Eindruck der Neonazi-Mordserie am Dienstag (13.03.2012) in Berlin vorgelegt hat. Doch bevor Mustafa Yaman von der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) auf den Inhalt des Papiers eingeht, zitiert er die Tochter eines Ermordeten. Semiya Simsek, deren Vater ebenso wie neun weitere Opfer kaltblütig erschossen wurde, hat im Februar auf der Gedenkfeier für die Opfer des Rechtsextremismus im Berliner Konzerthaus gesprochen. "In unserem Land, in meinem Land, muss sich jeder frei entfalten können, unabhängig von Nationalität, Migrationshintergrund, Hautfarbe, Religion, Behinderung, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Lasst uns nicht die Augen verschließen und so tun, als hätten wir dieses Ziel schon erreicht."

Entschlossene Aufklärung und effektive Strafverfolgung

Semiya Simseks Mahnung ist dem Zehn-Punkte-Plan des Integrationsbeirats vorangestellt. Sie verdeutlicht, wie anspruchsvoll und schwierig die Aufgabe ist, der sich aus Sicht des Gremiums die ganze Gesellschaft stellen muss. In Punkt eins wird eine "entschlossene Aufklärung und effektivere Strafverfolgung" verlangt, in Punkt zehn heißt es, "mehr bundeseinheitliche Koordinierung und Unterstützung" seien nötig. Zwischen diesen Klammern findet sich unter anderem die Forderung nach praktischem Demokratie-Unterricht in Schulen. "Es genügt nicht, die Verfassung nur im Unterricht zu behandeln", heißt es an dieser Stelle des Textes.

Nach dem Abschluss der Sitzung des Bundesbeirates für Integration zum Thema Bekämpfung von Rechtsextremismus haben sich die Mitglieder des Beirates mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU, M) am Dienstag (13.03.2012) in Berlin zu einem gemeinsamen Foto versammelt. Der Bundesbereit für Integration hat ein 10-Punkte-Papier zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremer Gewalt bschlossen. Foto: Rainer Jensen dpa/lbn +++(c) dpa - Bildfunk+++
Maria Böhmer (M.) im Kreis des von ihr geleiteten Bundesbeirates für IntegrationBild: picture-alliance/dpa

Ferner werden Maßnahmen gegen Diskriminierung und Rassismus am Arbeitsplatz gefordert, "bis hin zur Kündigung", sagt Mustafa Yaman von DITIB. Von der Politik erwartet der von Maria Böhmer im Auftrag der Bundesregierung geleitete Integrationsbeirat, "den Aktionsradius des organisierten Rechtsextremismus weiter einzuschränken." Und die Medien sollen dazu beitragen "verständlich zu machen, dass es in der Einwanderungsgesellschaft darum geht, den alltäglichen Wandel als Normalität zu begreifen", so Maria Böhmer. Sie vermisse eine "Willkommens- und Anerkennungskultur" in Deutschland. Mustafa Yaman betrachtet den Zehn-Punkte-Plan als wichtige Botschaft, "Fremdheit auszuhalten".

"Oft hinken wir den Ereignissen hinterher"

Damit all die guten Absichten im gemeinsamen Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und rechtsextreme Gewalt verwirklicht werden können, bedarf es nach Überzeugung des Integrationsbeirates eines frühzeitigen Blickes auf gesellschaftliche Defizite. "Oft hinken wir in der politischen Diskussion den Ereignissen hinterher", heißt es in dem Zehn-Punkte-Plan. Beispielhaft wird der Umgang mit Roma, nicht nur in Deutschland, genannt. Sie lebten am Rand der Gesellschaften und "überall begegnen sie Feindseligkeit und Vorurteilen". In einer Einwanderungsgesellschaft müsse jeder seinen Beitrag gegen Diskriminierung leisten, sagt Mustafa Yaman, "ob beim Einkaufen, in der Schule oder in der Freizeit".

Mit Blick auf die Neonazi-Mordserie in Deutschland setzt sich Maria Böhmer für "geeignete Formen des Gedenkens" ein. Es gehe darum, die Erinnerung festzuhalten und den Menschen Vertrauen zurückzugeben. Als konkrete Maßnahme empfiehlt sie Anlaufstellen für Opfer rechtsextremer Gewalt in allen Bundesländern. Als Vorbild dient ihr die von der Bundesregierung eingesetzte Ombudsfrau für die Opfer und Hinterbliebenen des Neonazi-Terrors, Barbara John.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Bernd Gräßler